Deutsche Versender verlangen klare Verhältnisse |
Cornelia Dölger |
28.07.2025 16:10 Uhr |
»Was in Deutschland aus guten Gründen verboten ist, wird von internationalen Wettbewerbern systematisch ausgereizt und bislang kaum sanktioniert«, heißt es von Mycare zur Boni-Praxis von EU-Versendern. / © Adobe Stock/joyfotoliakid
Nach dem Urteil ist vor dem Urteil: Am 17. Juli verkündete der I. Zivilsenat des BGH, dass die Preisbindung für Versender nach der alten Rechtslage nicht bindend ist. Doc Morris stieß unmittelbar nach dem Urteil weitere Rabattaktionen an.
Am 31. Juli wird der BGH erneut mit dem schwierigen Verhältnis zwischen EU-Versandhandel und stationären Apotheken zu tun haben, genauer gesagt, mit einer Schadenersatzklage im Zusammenhang mit früheren Werbeaktionen von Doc Morris. Der Versender macht gegen die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) Schadenersatzansprüche in Millionenhöhe geltend, weil ihm durch von der Kammer erwirkte rechtliche Schritte ein hoher wirtschaftlicher Schaden entstanden sei.
Über allem schwebt der grundsätzliche Konflikt zwischen EU-Wettbewerbsrecht und nationalem Recht, an das sich lokale Apotheken zu halten haben. Nach einer erneuten Rabattaktion verschickte die AKNR unlängst eine erste Abmahnung an Doc Morris wegen Verstoßes gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG).
Die Versandapotheke Mycare hat ihren Sitz in Deutschland und unterliegt somit den nationalen Regelungen. Apotheker Martin Schulze, Leiter der pharmazeutischen Kundenberatung bei Mycare, macht vor dem anstehenden BGH-Urteil erneut auf die komplexe Rechtslage aufmerksam. So hätten weder der BGH noch der Europäische Gerichtshof (EuGH) bislang abschließend geklärt, wie die Arzneimittelpreisverordnung im Rahmenvertrag nach deutschem Sozialgesetzbuch (SGB) tatsächlich durchgesetzt werden kann. Dort, im SGB V, ist die Preisbindung seit 2020 verankert.
Der Rahmenvertrag verpflichtet EU-Versandapotheken, bei der Abrechnung gesetzlicher Kassenrezepte die deutschen Preisvorgaben einzuhalten – Rabatte, Boni oder Zuzahlungserlässe wären damit eigentlich unzulässig.
Das Problem sei die schwierige Durchsetzung, so Schulze. »Für internationale Anbieter sind in erster Linie die Aufsichtsbehörden im jeweiligen Herkunftsland zuständig. Verfahren gegen sie müssen meist dort geführt werden – ein aufwendiger, langwieriger und kostspieliger Prozess mit ungewissem Ausgang«, so Schulze in einem Statement. Verstöße würden selten geahndet.
Hinzu komme, dass auch Kassen kaum eingriffen – dabei unterlaufe die Rabattpraxis der Versender nicht nur die Preisbindung, sondern auch das Solidarprinzip der Gesetzlichen Krankenversicherung, kritisierte Schulze. Die Versender nutzten diese Lücke aus: »Die Realität zeigt: Was in Deutschland aus guten Gründen verboten ist, wird von internationalen Wettbewerbern systematisch ausgereizt und bislang kaum sanktioniert.«
Das strukturelle Ungleichgewicht – von einer »starken Lobbypräsenz auf EU-Ebene« noch forciert – sei zum »Nachteil all jener Anbieter, die sich an geltende Regeln halten«, so Schulze. Dieser »Missstand« sei schon lange bekannt. Dass er nicht aufgehoben werde, werfe »grundlegende Fragen zur Fairness und Wettbewerbsfähigkeit im deutschen Apothekenmarkt auf«. Es gelte, »für alle Marktteilnehmer endlich klare, einheitliche und durchsetzbare Regeln zu schaffen«.
Dass der deutsche Arzneimittel-Versandhandel alarmiert ist, zeigte sich bereits unmittelbar nach dem jüngsten BGH-Urteil zur Preisbindung. Der Richterspruch aus Karlsruhe sei »ein Signal an die Politik, endlich gleiche wettbewerbliche Bedingungen für alle zu schaffen«, hieß es in einer Mitteilung des Bundesverbands Deutscher Versandapotheken (BVDVA). Der Verband will dabei durchaus mehr Flexibilität als die stationären Apotheken. Diese sähen die Preisbindung vor allem als Schutz. Der BVDVA kann sich hingegen Wettbewerb über den Preis vorstellen. Es müsse aber »klare Grenzen nach oben wie nach unten« geben.