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Sterile Immunität

Der Wettlauf um einen nasalen Impfstoff

Eine sterile Immunität ist mit den parenteral applizierten Covid-19-Impfstoffen nicht zu erzeugen. Die Lösung könnte darin bestehen, eine spezifische Immunantwort zu induzieren, die zu einem großen Teil durch sekretorische IgA-Antikörper auf den Schleimhäuten der oberen Atemwege vermittelt wird. Dies sollte durch nasal zu applizierende Impfstoffe möglich sein. Deren Entwicklung ist aber keine Trivialität.
AutorKontaktTheo Dingermann
Datum 03.02.2022  18:00 Uhr

Bereits früh im Verlauf der noch kurzen Geschichte der Coronaimpfstoffe wurde klar, dass der klassische Ansatz der Impftechnologie, einen Immunschutz durch die parenterale Gabe geeigneter Antigene zu erreichen, kaum, und nach relativ kurzer Zeit gar nicht mehr, vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 schützt. Das war wenig überraschend, denn über die Luft übertragbare Viren müssen bereits in den oberen Atemwegen, dort, wo sie sich Eingang in den Organismus verschaffen, abgewehrt werden.

Aus diesem Grund begann man auch sehr früh bereits, über lokal zu applizierende Impfstoffe nachzudenken. Aber anders als der Siegeszug der systemisch applizierten Impfstoffe lernte man schnell, dass die Umsetzung lokaler Impfkonzepte ihre Tücken hatte.

Wie ein Paukenschlag traf den Markt die Meldung, dass einer der führenden Entwickler nasaler Impfstoffe, das Unternehmen Altimmune in den USA nach der Auswertung der Ergebnisse einer Phase-I-Pilotstudie mit 80 gesunden Erwachsenen zwischen 18 und 55 Jahren die Entwicklung ihres Impfstoffkandidaten AdCOVID komplett einstellte.

Zwar konnte man zeigen, dass der Adenovektor-basierte Impfstoff die Bildung von Antikörpern induzierte, die das SARS-CoV-2-Spike-Protein binden und zumindest bei einer Untergruppe der Probanden das Virus auch neutralisieren konnten. Allerdings waren das Ausmaß der Reaktion und der Prozentsatz der auf AdCOVID reagierenden Probanden wesentlich geringer als bei anderen Coronaimpfstoffen.

Frischer Wind bei der Entwicklung nasaler Impfstoffe

Aktuell greift die Zeitung »The New York Times« das Thema wieder auf. Denn weltweit befinden sich mindestens ein Dutzend weitere nasale Impfstoffe in der Entwicklung.

Sehr weit fortgeschritten ist BBV154, ein nasaler Impfstoffkandidat des indischen Unternehmens Bharat Biotech. Das bekannteste Produkt dieses zu den weltweit führenden Impfstoffherstellern gehörenden Unternehmens ist »Covaxin«, ein klassischer Totimpfstoff, den das Unternehmen zusammen mit der University of Wisconsin in Madinson entwickelt hat. Dieser Impfstoff ist in Indien und in vielen anderen Ländern zum Schutz von schweren Covid-19-Verläufen zugelassen.

Der neue Impfstoff BBV154 (ChAd-SARS-CoV-2-S) basiert ebenfalls auf der Vektortechnologie, wobei als Vektor ein modifiziertes Chimpansen-Adenovirus verwendet wird. In präklinischen Studien konnte das Unternehmen zeigen, dass Mäuse , Hamster und Makaken, die mit einer Einzeldosis ChAd-SARS-CoV-2-S immunisiert wurden, einen Schutz gegen SARS-CoV-2 entwickelten. Nach der Provokation der geimpften Tiere mit SARS-CoV-2 wurde in all diesen Tiermodellen eine Virus-Clearance sowohl in den unteren als auch in den oberen Atemwegen beobachtet.

Schrittweise Entwicklung

Statt BBV154 als einen »klassischen Impfstoff« zu entwickeln, hat das Management entschieden, zunächst auf die Entwicklung eines Booster-Impfstoff zu setzen, der als dritte Dosis Probanden verabreicht werden soll, die bereits zweimal mit Covaxin oder Covishield (dem Impfstoff von Astra-Zeneca und dem Serum Institute of India) geimpft wurden.

Man wolle die Entwicklung nicht überstürzt vorantreiben, so Dr. Krishna Ella, Geschäftsführer von Bharat Biotech in einer Pressemitteilung, nachdem bereits so viele Versuche mit einem nasalen Impfstoff weltweit gescheitert seien.

Jetzt erteilte der Ausschuss der indischen Arzneimittelbehörde (Drug Controller General of India, DCGI) Bharat Biotech die Genehmigung zu einer parallelen Durchführung einer Phase-III-Überlegenheitsstudie und einer Phase-III-Auffrischungsstudie mit etwa 5000 Probanden, die bereits zwei Dosen des Covaxin oder Covishield erhalten haben. Die Genehmigung basiert auf positiven Daten einer Phase-I-Studie mit Personen im Alter von 18 bis 60 Jahren und einer randomisierten, multizentrischen klinischen Phase II-Studie zur heterologen Prime-Boost-Kombination bei gesunden Freiwilligen.

Schleimhautimpfstoffe als Stiefkinder für Impfstoffentwickler

Die Impfstofftechnologie, auf der BBV154 fußt, ist der Technologie ähnlich, mit der das Unternehmen Altimmune scheiterte. Daher wird auch an Alternativen zu Vektorimpfstoffen geforscht. Aber die Entwicklung nasaler Impfstoffe ist kompliziert. Die Messung von Schleimhautantikörpern ist viel schwieriger als die Quantifizierung von Antikörpern im Blut. Die Konzentrationen sind oft gering und können stark schwanken. Schleimhautimpfstoffe seien wie Stiefkinder für die Impfstoffentwickler, sagt Professor Dr. Florian Krammer, Immunologe an der Icahn School of Medicine am Mount Sinai in New York. Diese Impfstoffe herzustellen, sei äußerst schwierig.

Der einzige in den Vereinigten Staaten zugelassene nasale Impfstoff gegen Atemwegserkrankungen ist FluMist® Quadrivalent, ein quadrivalenter Influenza-Lebendimpfstoff. Und selbst dieser sei mit Problemen gespickt, so Krammer.

Der Impfstoff funktioniert nur bei Kindern gut, die noch nie Kontakt mit einem Influenzvirus hatten. Bei älteren Menschen inaktiviert die bestehende Immunität gegen Influenzaviren das geschwächte Virus, sodass der Impfstoff unwirksam wird. Der Versuch, den Impfstoff durch Zusatz eines Adjuvans zu verbessern, führte zu Entzündungen der Nasenschleimhaut und verursachte bei manchen Menschen Fazialisparesen.

Neuer Ansatz

Diese Probleme könnten anders konzipierte nasale Impfstoffe nicht haben. Darauf setzt die Gruppe von Professorin Dr. Akiko Iwasaki vom Department of Immunobiology der Yale University School of Medicine in New Haven. Ihre Gruppe publizierte jüngst einen Preprint auf dem Server »MedRxiv«, in dem Daten zu interessanten nasalen Impfstoffkandidaten beschrieben sind. Die Wissenschaftler konstruierten einen Impfstoff auf Basis der mRNA-Technologie und einen unadjuvantierten Protein-Impfstoff, der das Spike-Protein als Antigen enthält. Noch sind diese Impfstoffe nur präklinisch untersucht. Aber die Daten sind vielversprechend.

Auch die Wissenschaftler der Iwasaki-Gruppe entwickeln ihre Impfstoffe als Booster-Impfstoffe. Sie bezeichnen diese Strategie als »Prime and Spike«. Diese beruht auf einer intranasalen Booster, der auf eine in einer Primärimpfung mit einer mRNA-Vakzine erzeugten Immunität aufsetzt, um so ein mukosales Immungedächtnis im Respirationstrakt zu erzeugen.

Dieses Prime-and-Spike-Konzept induzierte in einem speziellen Mausmodell (K18-hACE2-Mäuse) robuste residente T-Gedächtniszellen, residente B-Gedächtniszellen und IgA-Titer in der Atemwegsschleimhaut. Die systemische Immunität wurde zudem verstärkt, und Mäuse mit einer partiellen Immunität wurden vollständig vor einer tödlichen SARS-CoV-2-Infektion geschützt.

Somit gibt sich Iwasaki, die Seniorautorin der Studie, optimistisch, dass der von ihr gewählte Ansatz die Probleme der adjuvantierten nasalen Impfstoffe umgeht. Allerdings müssen die Beweise für diese optimistische Einschätzung erst noch erbracht werden.

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