Der weibliche Körper radikal fragmentiert |
Angela Kalisch |
03.06.2025 09:00 Uhr |
Viele Arbeiten Soltaus haben einen autobiografischen Hintergrund. Dazu gehört nicht nur die Auseinandersetzung mit der eigenen Mutterrolle, sondern auch das Motiv der Identitätssuche. Komplexe Beziehungsgeflechte im Generationenverhältnis sind dabei genauso Thema wie die Spurensuche nach dem unbekannten Vater.
Annegret Soltau vor den Fotovernähungen der Serie Vatersuche. / © PZ/Kalisch
Charakteristisch sind dabei die Porträtfotografien, die zerrissen und als Fragmente mit schwarzem Faden wieder zusammengenäht sind. Grenzen von Alter und biologischer Identität stellt sie mit diesen Collagen nicht nur infrage, sondern überwindet diese auch. In Aufnahmen ihres eigenen Porträts vernäht Soltau anstelle ihres Gesichts Briefe, Dokumente und Zeitungsausschnitte, die im Zusammenhang mit der Recherche nach dem Vater stehen. Dennoch bleibt diese Serie nicht bei der eigenen, persönlichen Erinnerungsarbeit stehen, sondern weist in die Gesellschaft der Nachkriegsgeneration hinein. Geboren 1946 teilt Annegret Soltau das Schicksal vieler Menschen, die unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg in fragmentierten Familien aufgewachsen sind.
In einer weiteren Werkreihe vernäht Soltau ihr Porträtfoto mit Dokumenten, die vermeintlich die eigene Identität definieren und doch nur an der Oberfläche kratzen. Geburtsurkunden, Schulzeugnisse, SIM-Karten: Was ist es, was die Biografie eines Menschen ausmacht? Eine Serie, die mit der Sterbeurkunde enden soll und die kollektive Erfahrung der Existenzsuche schonungslos offenlegt.
Die Ausstellung ist noch bis zum 17. August 2025 zu sehen im Städel Museum, Schaumainkai 63, Frankfurt am Main.
https://www.staedelmuseum.de/de/