Der Vorteil der verschlafenen Digitalisierung |
| Lukas Brockfeld |
| 13.09.2024 16:32 Uhr |
Im Anschluss war Karl Lauterbach selbst zu Gast und ließ sich von Andreas Sentker, Geschäftsführender Redakteur der »Zeit«, für etwa eine halbe Stunde interviewen. Der Minister zeigte sich überzeugt, dass sein Medizinforschungsgesetz lange überfällig war.
Als Beispiel für die bisherigen Probleme der deutschen Forschung nannte Lauterbach eine in Israel durchgeführte Studie zur Wirkung der Covid-19-Impfung bei schwangeren Frauen. International hätte sich niemand auf eine vergleichbare Studie aus Deutschland verlassen. »Der Impfstoff ist hier entwickelt worden, aber die maßgeblichen Studien fanden woanders statt«, klagte der Minister. Lauterbach wünschte sich, dass die deutsche Forschung in den nächsten Jahren so gut wird, dass sie weltweit die Leitlinien mitgestaltet. »Derzeit beeinflussen unsere Studien die medizinische Praxis in kaum einem Bereich, das muss uns zu denken geben.«
Es sei auch für die Patientinnen und Patienten sehr wichtig, mehr Medikamentenstudien nach Deutschland zu holen. Für viele schwerkranke Menschen, die eigentlich als austherapiert gelten, seien sie die letzte Hoffnung. »Die Wahrscheinlichkeit, Teil einer solchen Studie zu werden, ist in Dänemark zehn bis zwanzig mal höher als bei uns. Das kann nicht richtig sein. Es geht also nicht nur um die Zulassung von Medikamenten, deren Nutzen schon belegt sind«, so Lauterbach.
Der Minister zeigte sich zuversichtlich, dass das MFG für positive Veränderungen sorgen werde. Auch weil seine Digitalgesetze, die der Wissenschaft beispielsweise die pseudonymisierten Daten der Elektronischen Patientenakte zur Verfügung stellen, eine wichtige Ergänzung seien. »Wir haben sehr gut aufgearbeitete Daten und wir sind ein großes Land, daher werden wir plötzlich sehr interessant sein.« Dieser Effekt sei schon jetzt spürbar. In den vergangenen Monaten hätten Pharmakonzerne viele Milliarden in den Standort Deutschland investiert.
Bei der datengestützten Forschung habe Deutschland einen Vorteil gegenüber dem Ausland, gerade weil die Digitalisierung so lange verschlafen wurde. »Länder wie Dänemark oder Estland gelten immer als Vorbilder, aber die Art und Weise wie die Daten dort verschlüsselt und aufbereitet werden, lässt eine moderne Auswertung, beispielsweise mithilfe von KI, nicht zu«, erklärte Lauterbach. Er habe diese Art der Datenauswertung jedoch von Anfang an mitdenken können und sich dabei eng mit Unternehmen wie OpenAI ausgetauscht. »Da haben wir einen großen Vorteil, das ist die Gnade der späten Geburt«, sagte der Minister.