Der unbekannte Erfinder |
Angela Kalisch |
30.12.2024 12:30 Uhr |
Im letzten Jahr ist zudem ein Buch erschienen, das Eichengrüns Leben und Wirken ausführlich würdigt (2). Der preisgekrönte Wissenschaftsjournalist Ulrich Chaussy stieß eher durch Zufall auf die ungewöhnliche Geschichte des jüdischen Chemikers Arthur Eichengrün, der kurioserweise ausgerechnet am Obersalzberg in unmittelbarer Nachbarschaft zu Hitler ein Ferienhaus besaß. Später wohnte er zudem in Berlin in einem Mehrfamilienhaus mit Göring unter einem Dach.
Laut Chaussy fürchtete Eichengrün diese räumliche Nähe zu den Nationalsozialisten kaum. Zu sicher war er sich, dass seine Erfindungen und Verdienste für Deutschland, vor allem im Ersten Weltkrieg, ihn vor der Verfolgung schützen würden. Tatsächlich dürfte es Göring durchaus bewusst gewesen sein, dass die von Eichengrün entwickelten Kunststoffe eine entscheidende Rolle für die deutsche Luftfahrt gespielt hatten. Auf der Basis von Cellon, Eichengrüns wichtigster Erfindung, entstanden unter anderem Lacke zur Bespannung von Flugzeugen, Splitterschutz für Verbundglas und der nicht brennbare Film.
Im Jahr 1944 wurde Eichengrün dennoch angeklagt und für 14 Monate in das Konzentrationslager Theresienstadt gebracht. Grund für die Verhaftung war Eichengrüns Versäumnis, einen Brief mit dem von den Nationalsozialisten angeordneten zweiten Vornamen Israel zu unterschreiben. So musste Eichengrün verbittert feststellen, dass am Ende nicht seine Verdienste zählten, sondern er allein auf sein Jüdischsein reduziert wurde.
Die Biographie schildert nicht nur das Leben einer selbstbewussten, schillernden Persönlichkeit, sondern gibt auch einen Einblick in die Geschichte der pharmazeutischen Industrie.