Der männliche Patient ist immer noch der Standard |
Von der Arzneimittelentwicklung bis zur Diagnostik ist unser Gesundheitssystem auf den männlichen Patienten ausgerichtet. / Foto: Getty Images/Jose Luis Pelaez
Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung heißt es: «Wir berücksichtigen geschlechtsbezogene Unterschiede in der Versorgung, bei Gesundheitsförderung und Prävention und in der Forschung und bauen Diskriminierungen und Zugangsbarrieren ab.» Die «Gendermedizin» werde Teil des Medizinstudiums, der Aus-, Fort- und Weiterbildungen der Gesundheitsberufe werden, lautet ein Ziel der Bundesregierung. Derzeit wird nach Angaben der Bundesärztekammer die Approbationsordnung geändert, um das Fach Geschlechtersensible Medizin verpflichtend zu verankern. Profitieren sollen alle, denn auch bei Männern werden vermeintlich typische Frauenkrankheiten wie Osteoporose oder Depressionen häufig nicht frühzeitig erkannt und behandelt.
«Der Patient ist in der deutschen Sprache männlich, und so werden alle erst einmal behandelt», schildert ndie Leipziger Herzchirurgin Professor Dr. Sandra Eifert die bisherige Situation. «Im Moment bewegt sich auf diesem Gebiet aber extrem viel», beobachtet sie. Dies sei eine positive Entwicklung, die Hoffnung mache. Die Ärztin hat ein Buch darüber geschrieben, warum Frauenherzen anders schlagen («Herzsprechstunde: Warum das weibliche Herz anders ist und wie es gesund bleibt»).
«Bei Geburten lautet die erste Frage: Ist es ein Mädchen oder ein Junge?», sagt Eifert. Später werde so getan, als seien alle gleich. Dabei wissen gerade Ärzte, wie unterschiedlich Männer und Frauen in ihrer Biologie sind. Und dass zwischen dem biologischen Geschlecht (Sex) und dem soziokulturellen Geschlecht (Gender) unterschieden werden muss. Die geschlechtersensible Medizin sieht nicht nur die zwei Kategorien, sondern berücksichtigt zum Beispiel auch Trans-Menschen und nonbinäre Personen.
In Magdeburg hat die Medizinerin Dr. Ute Seeland am 1. März eine neue Stiftungsprofessur für Geschlechtersensible Medizin übernommen, nach Angaben der Universität Magdeburg die erste Professur dieser Art in Vollzeit und mit klinischer Anbindung. Bis heute sei das weibliche Geschlecht in Studien unterrepräsentiert, kritisiert Seeland. «Frauen einzubinden, gilt als kompliziert, da ihre Reaktionen auf Medikamente hormonell bedingt variieren können», erläutert sie.
Mittlerweile wachse aber das Bewusstsein dafür, dass es wichtig sei, Diagnose, Therapie und Prävention an die unterschiedlichen hormonellen Phasen anzupassen. «Es gibt eben nicht die eine Frau», betont Seeland. Auch dank sozialer Medien seien viele Menschen mittlerweile besser aufgeklärt, zum Beispiel über die Themen Schwangerschaft und Menopause.
Wegen ihrer hormonellen Unterschiede erkranken Frauen und Männer anders, zeigen unterschiedliche Symptome beziehungsweise sind in unterschiedlichem Alter besonders gefährdet für bestimmte Krankheiten. Dies ist etwa für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Herzinfarkt bereits relativ gut erforscht.