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Neue Arzneistoffe

Der Jahrgang 2025 kann gut werden

Im Lauf des Jahres 2024 kamen viele innovative Medikamente auf den deutschen Markt. Das wird 2025 voraussichtlich so weitergehen. Ein Blick auf potenzielle Neueinführungen in den kommenden Monaten.
Sven Siebenand
12.01.2025  09:00 Uhr

Die Zulassungsempfehlung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA für den Alzheimer-Antikörper Lecanemab (Leqembi®) hat in Fach- und Laienpresse für viel Aufsehen gesorgt. Die EMA-Experten votierten im November 2024 für die Zulassung von Lecanemab – allerdings nur für Patienten ohne oder mit nur einer Kopie des Risikogens ApoE4. In dieser Gruppe könne Lecanemab bei milden kognitiven Einschränkungen oder Alzheimer-Demenz im Frühstadium eingesetzt werden, um das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen. Diese Entscheidung basiert auf Studien, die ein geringeres Risiko für Amyloid-bedingte Bildgebungsanomalien (ARIA) in dieser Subgruppe zeigten. Strenge Auflagen wie MRT-Kontrollen, Schulungsmaterial und ein kontrollierter Zugang sollen Risiken minimieren.

Durchaus möglich, dass in diesem Jahr gleich noch ein zweiter therapeutischer Alzheimer-Antikörper auf den Markt kommt. Denn für Donanemab liegt bereits ein Zulassungsantrag bei der EMA vor.

Der Wirkmechanismus der beiden Antikörper ist ähnlich. Beide richten sich letztlich gegen β-Amyloid. Das Target von Lecanemab sind vor allem lösliche β-Amyloid-Protofibrillen. Schwächer bindet der Antikörper aber auch an fibrilläres Amyloid in den Plaques. Ein Teil der Plaque-Reduktion beruht wahrscheinlich auf der Bindung des fibrillären Amyloids. Der andere Teil erklärt sich vermutlich dadurch, dass durch die Bindung an die Protofibrillen ein Gradient erzeugt wird, der den Abbau des fibrillären Amyloids aus den Plaques mit antreibt.

Donanemab ist dagegen auf die β-Amyloid-Plaques ausgerichtet. Es bindet spezifisch an einen Abschnitt im aggregierten β-Amyloid (p3–42). Hierdurch soll das in den Amyloid-Plaques befindliche N3-Pyroglutamat-modifizierte β-Amyloid gezielt aus dem Gehirn entfernt werden.

Neue Hämophilie-Wirkstoffklasse

In den vergangenen Jahren kamen einige Innovationen für die Behandlung von Hämophilie A oder Hämophilie B in den Handel. Dagegen bieten Marstacimab (Hympavzi®) und Concizumab (Alhemo®) Therapieoptionen bei beiden Blutgerinnungsstörungen.

Die Antikörper wären die ersten Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse. Sie sind gegen den Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI) gerichtet. TFPI spielt im extrinsischen Gerinnungsweg eine wichtige Rolle und wirkt dort als natürliches Antikoagulations-Protein, das die Bildung von Blutgerinnseln verhindert. Marstacimab und Concizumab bremsen die gerinnungshemmende Funktion von TFPI aus. So wird die Faktor-Xa-Bildung erhöht, selbst wenn kein Faktor VIII (bei Hämophilie A) oder IX (bei Hämophilie B) vorhanden ist. In der Folge steigen die Thrombin-Produktion und die Gerinnungsbildung, wodurch die Mängel im intrinsischen Gerinnungsweg umgangen werden.

Beide Antikörper werden subkutan verabreicht und sind bereits in der EU zugelassen.

Neuer Antikörper gegen Juckreiz

Das Interleukin-31 (IL-31) wird oft als Pruritus-Zytokin umschrieben, denn es spielt bei Juckreiz-assoziierten Hauterkrankungen eine zentrale Rolle. Die EMA empfiehlt nun die Zulassung eines ersten gegen IL-31 gerichteten Antikörpers: Nemolizumab (Nemluvio®).

In den USA ist der Antikörper bereits für Erwachsene mit Prurigo nodularis zugelassen. Das ist eine chronische Hauterkrankung, die durch Hautknoten gekennzeichnet ist, die große Körperbereiche bedecken können und mit äußerst starkem Juckreiz einhergehen. Die Zulassung basiert auf den Ergebnissen der Phase-III-Studien Olympia-1 und -2, in denen Nemolizumab signifikante und klinisch bedeutsame Verbesserungen bei Juckreiz und Hautknötchen in Woche 16 zeigte. Gut für die Patienten: Bereits in der ersten Woche ging der Juckreiz deutlich zurück.

Eine der beiden im Dezember 2024 zur Zulassung vorgeschlagenen Indikationen in der EU ist Prurigo nodularis. Das zweite Einsatzgebiet ist größer und bekannter. Denn Nemolizumab soll nach Ansicht der EMA-Experten auch bei atopischer Dermatitis eine Zulassung erhalten. In Japan ist dies bereits geschehen.

Mittel bei schwerem Covid-19-Verlauf

Eine EU-Zulassungsempfehlung gibt es auch für den Wirkstoff Vilobelimab (Gohibic™) zur Infusion. Gibt die EU-Kommission das finale Go, dann wäre das Medikament zugelassen bei Erwachsenen mit SARS-CoV-2-induziertem akuten Atemnotsyndrom (Acute Respiratory Distress Syndrome, ARDS), die in der Standardbehandlung systemische Corticosteroide erhalten und invasiv mechanisch beatmet werden.

Vilobelimab greift in das Komplementsystem des Körpers ein und ist gegen den Komplementfaktor C5a gerichtet. Schweres Covid-19 geht mit einer starken Komplementaktivierung und der Bildung von C5a einher. Dieses Protein spielt eine Schlüsselrolle bei inflammatorischen Prozessen. Durch die Hemmung von C5a unterbricht der Antikörper die Entzündungskaskade.

Denkbar ist, dass Vilobelimab eines Tages nicht nur beim ARDS im Zuge einer SARS-CoV-2-Infektion zum Einsatz kommt, sondern auch bei ARDS anderer Ursache.

Erste CRISPR/Cas9-basierte Gentherapie

Im Januar erfolgt die Markteinführung der ersten CRISPR/Cas9-basierten Gentherapie: Exagamglogen autotemcel (Exa-cel, Casgevy®) ist zugelassen bei schwerer Sichelzellkrankheit oder transfusionsabhängiger Beta-(β-)Thalassämie.

Die Sichelzellkrankheit ist eine genetische Erkrankung, die zu einer abnormalen Form des Hämoglobins führt, dem sogenannten Sichelhämoglobin. Aufgrund des andersartigen Hämoglobins können die Erythrozyten ihre Elastizität verlieren und kleine Blutgefäße blockieren. Die Betroffenen leiden unter häufigen heftigen Schmerzen, Organschädigungen und einer stark verkürzten Lebenserwartung.

Die β-Thalassämie ist ebenfalls eine genetische Erkrankung. Kennzeichnend ist eine zu geringe oder fehlende Produktion von β-Globin, einem wichtigen Baustein des Hämoglobins; daraus resultiert eine Anämie. Menschen mit schwerer β-Thalassämie sind ihr Leben lang auf Bluttransfusionen angewiesen und haben ebenfalls eine stark reduzierte Lebenserwartung.

Im Rahmen der Gentherapie werden den Patienten die eigenen Stamm- und Vorläuferzellen entnommen und diese ex vivo mit Exa-cel behandelt – die Genschere kommt zum Einsatz. Die sogenannte Erythroid-spezifische Enhancer-Region des BCL11A-Gens wird durch einen präzisen Doppelstrangbruch modifiziert. Das hat zur Folge, dass ein Gen reaktiviert wird, das normalerweise nach der Geburt stillgelegt wird. Werden die modifizierten Zellen dem Patienten zurückinfundiert, produzieren die daraus gebildeten roten Blutkörperchen nun die fetale Hämoglobin-Variante (Hämoglobin F). Sie soll die deformierten Hämoglobin-Varianten ersetzen.

Hilfe bei Unterzuckerung

Brachte die Firma Novo Nordisk im Jahr 2024 ein neues Insulin in den Handel, so könnte im Jahr 2025 ein weiteres Medikament für Menschen mit Diabetes folgen. Dasiglucagon (Zegalog™) ist seit Mitte 2024 zugelassen zur Behandlung von schwerer Hypoglykämie bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab sechs Jahren mit Diabetes mellitus.

Dasiglucagon ist ein Glucagon-Analogon. Wird es bei einer Unterzuckerung verabreicht, so wird in der Leber mehr Glucose aus dem gespeicherten Glycogen gebildet und der Blutzucker steigt an. Zegalog kann direkt subkutan in den Unterbauch, das Gesäß, den Oberschenkel oder den äußeren Oberarm injiziert werden. Eine Rekonstitution vor der Anwendung ist nicht erforderlich.

Neue Krebsmedikamente

Und was ist mit Innovationen im Bereich Onkologie? Wie in den Vorjahren ist auch 2025 damit zu rechnen, dass wieder einige neue Krebsmedikamente für die Therapie hinzukommen werden.

Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Mirvetuximab Soravtansin (Elahere®) war der letzte neue Arzneistoff im Jahr 2024. Es ist zur Behandlung von Eierstock-, Eileiter- und primärem Peritonealkrebs zugelassen (Näheres lesen Sie hier). Für ein weiteres Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, das für eine gynäkologische Indikation gedacht ist, liegt ein Zulassungsantrag vor: Tisotumab Vedotin soll bei Gebärmutterhalskrebs zum Einsatz kommen.

Zu den weiteren neuen Onkologika zählen zum Beispiel die Kinasehemmer Erdafitinib (Balversa®) und Lazertinib (Lazcluze®). Nummer 1 ist bereits zugelassen und seit 1. Januar im Handel für Patienten mit Urothelkarzinom. Nummer 2 ist mit einer Zulassungsempfehlung bei Lungenkrebs ausgestattet. Zu den Checkpoint-Inhibitoren zählt das ebenfalls beim Bronchialkarzinom zugelassene Sugemalimab (Cejemly®).

Interessant ist auch das Präparat Opdualag®, das beim Melanom zugelassen ist. Es enthält gleich zwei Checkpoint-Inhibitoren: das seit Jahren bekannte Nivolumab und den Neuling Relatlimab. Dabei weist Relatlimab ein neues Target auf. Es ist gegen das Lymphozyten-Aktivierungs-Gen 3 (LAG-3) auf der Oberfläche von T-Zellen gerichtet, das als negativer Regulator der T-Zell-Proliferation und der Funktion von T-Effektorzellen fungiert.

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