Den Kunden »ganzheitlich betreuen« |
Verena Schmidt |
27.03.2025 18:00 Uhr |
Eine klare Verständigung ist unerlässlich, damit Arzneimittel richtig angewendet werden können. Gezielte, auf die Bedürfnisse abgestimmte Serviceangebote können dabei unterstützen. / © Getty Images/yasindmrblk
Bagli, Inhaber der Katharinen-Apotheke in Köln, begann vor mehr als 15 Jahren, sich intensiv mit dem Thema Therapiesicherheit zu beschäftigen. »In der Kölner Südstadt gab es damals sehr viele türkische Patienten. Ich wollte mich auf diese Patienten spezialisieren«, erklärt Bagli, der selbst türkischer Abstammung ist und in Deutschland Pharmazie studierte.
Bagli, Mitglied der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK), entwickelte damals gemeinsam mit einem befreundeten Informatiker eine Software zum Druck von Medikationsetiketten in türkischer und deutscher Sprache. Neben den Dosierungshinweisen enthielten die Etiketten in übersichtlicher Form weitere wichtige Informationen: für wen das Arzneimittel bestimmt ist, welcher Arzt das Arzneimittel verordnet hat und wogegen der Patient es einnehmen soll, ebenso Hinweise zur richtigen Lagerung und in welchem Abstand zu den Mahlzeiten das Arzneimittel eingenommen werden soll. Für diesen innovativen Ansatz wurde Bagli 2012 vom Apothekerverband Nordrhein mit dem dritten Platz des »Zukunftspreises öffentliche Apotheke« ausgezeichnet.
In der Praxis traten bei der Arbeit mit dem Etikettenprogramm allerdings bald Probleme auf, berichtet Bagli. »Es war ein Textverarbeitungsprogramm ohne Datenbankanbindung. Wir haben daher sehr viele Informationen eingetragen und viele redundante Inhalte produziert.« Doch Bagli ließ das Thema nicht los. Nach den Gesetzesänderungen – seit 2016 haben Patienten mit Polymedikation Anspruch auf einen schriftlichen Medikationsplan und seit 2020 muss die Dosierung verpflichtend auf Rezepten vermerkt sein – startete er einen neuen Anlauf.
Basis der neu entwickelten Softwareversion ist der bundeseinheitliche Medikationsplan (BMP) in der Warenwirtschaft. Aus diesem werden die Daten für das Etikett ausgelesen. Das Programm arbeitet weitgehend standardisiert und möglichst ohne die Eingabe von Freitext. Ein von Bagli selbst entwickelter Textgenerator erstellt standardisierte Dosierungsangaben, die leicht übersetzt werden können. Mit wenigen Textbausteinen könnten so auch komplexe Dosierungsschemata dargestellt werden, sagt Bagli.
Apotheker Dr. Metin Bagli, Inhaber der Katharinen-Apotheke in Köln, begann vor mehr als 15 Jahren, sich intensiv mit dem Thema Therapiesicherheit zu beschäftigen. / © Privat
Mit einem übersichtlichen Medikationsplan und Etiketten in der Muttersprache sind Bagli zufolge jedoch nicht alle Probleme gelöst. Viele der Patienten seien schlichtweg mit der Einnahme mehrerer verschiedener Arzneimittel überfordert. Daher seien eine umfassende, aufklärende Beratung und die Motivation der Patienten wichtige Aufgaben. »Man muss mit den Patienten den Medikationsplan genau durchgehen und sie fragen, ob sie wissen, warum sie ein bestimmtes Medikament einnehmen«, so der Apotheker. Im Rahmen der pharmazeutischen Dienstleistung (pDL) »Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation« könne dies seit 2022 gut umgesetzt werden. Diese pDL ist auch der Grundstein für das Konzept, das Bagli in seiner Apotheke anbietet. Er selbst bezeichnet es als »ganzheitliche pharmazeutische Betreuung«.
Ebenso wichtig wie die Beratung ist die Aktualität des Medikationsplans. Jede Änderung der Medikation sollte zeitnah im BMP erfasst werden – die vorgeschriebene jährliche Prüfung der Gesamtmedikation ist Bagli zufolge meist nicht ausreichend. Er hält seine Patienten dazu an, Änderungen ihrer Medikation aktiv zu kommunizieren, und appelliert an deren Eigenverantwortung. Hier könne man auch über ein Anreizsystem, etwa ein Bonusheft, nachdenken, so Baglis Idee.
Zusätzlich unterstützt der Apotheker seine Patienten bei der Einrichtung eines digitalen Medikationsplans auf der Versichertenkarte. Außerdem bietet er im Rahmen seines Konzepts ein Rezept-Abo an. Bei vielen Arztpraxen können Folgerezepte inzwischen telefonisch oder per E-Mail bestellt werden. »Sind Patienten nicht in der Lage, sich darum zu kümmern, übernehmen wir die Rezeptanforderung. Auf Wunsch liefern wir die Medikamente per Botendienst auch gleich nach Hause«, erklärt Bagli. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit den Arztpraxen laufe dieses Prozedere inzwischen gut.
Zudem bietet die Apotheke unter anderem eine wöchentliche Verblisterung der Medikation für pflegebedürftige Patienten, die Beratung von pflegenden Angehörigen, eine Vermittlung von Pflegediensten sowie Präventionsleistungen wie Schutzimpfungen und Gesundheitsberatung an.
Patienten für diese Angebote zu gewinnen, ist Bagli zufolge nicht einfach. Das zeigen auch die bislang recht niedrigen Patientenzahlen. Bisher hat der Apotheker mit seinem Team die Medikationspläne von insgesamt 76 Patienten überarbeitet und aktualisiert diese regelmäßig. Dosierungsetiketten, einen elektronischen Medikationsplan und das Rezeptabo nutzen bislang allerdings deutlich weniger Patienten.
Im Beratungsgespräch hebt Bagli daher den Nutzen seiner Angebote für den Patienten hervor. Den größten Benefit des Medikationsplans sehen Patienten seiner Erfahrung nach im Informationsaustausch der verschiedenen Gesundheitsdienstleister. »Viele Patienten verstehen, dass ein aktueller und vollständiger Medikationsplan wichtig ist, wenn man stationär im Krankenhaus aufgenommen wird, um ungewollte Änderungen bei der Medikation zu verhindern.«
Zukünftig will Bagli zusätzlich Entlassberatungen nach dem Krankenhausaufenthalt anbieten. Entlassbrief und -Rezepte sowie der Medikamentenvorrat des Patienten sollen im Rahmen eines Brown-Bag-Reviews in der Apotheke geprüft und anschließend ein temporärer Medikationsplan erstellt werden. Der Austausch mit dem Arzt soll so erleichtert werden. Die neue Dienstleistung befindet sich aktuell noch in der Erprobungsphase, die Resonanz aus den Arztpraxen ist Bagli zufolge bislang gut.