Den Apotheken droht ein massives Personalproblem |
Während immer mehr junge Apotheker in die Industrie und Klinikapotheken streben, steigt das Alter der Apothekeninhaber und in Apotheken angestellten Pharmazeuten. / Foto: imago images / Westend61
Schon seit Jahren weist die Bundesagentur für Arbeit in ihren sogenannten »Fachkräfteengpassanalysen« darauf hin, dass der Apothekerberuf ein »Mangelberuf« ist. Heißt konkret: Im Markt gibt es stetig mehr offene Stellen als Personal. Erst kürzlich hatte die Bundesagentur erneut eine aktuelle Studie vorgelegt, die bestätigt, dass weiterhin viele Positionen in den Apotheken unbesetzt bleiben. Um den Personalbedarf im Apothekenmarkt genauer zu untersuchen, hat nun auch die ABDA eine Analyse durchgeführt, bei der es unter anderem um die Zahl der Approbationen, der Studiengangplätze in Pharmazie, das Alter der einzelnen Apotheker-Gruppen (Inhaber, Angestellte, Industrieapotheker, etc.) sowie um eine Zukunftsprognose geht.
Was den Nachwuchs betrifft, zeigt die ABDA-Analyse auf den ersten Blick positive Daten: Denn die Zahl der Pharmaziestudierenden ist seit 2008 konstant angestiegen und lag im Wintersemester 2018/2019 bei 16.123 – das entspricht einem Anstieg von etwa 30 Prozent in den vergangenen 12 Jahren. Auch die Anzahl der Approbationen ist im gleichen Zeitraum gewachsen – nämlich von 1795 (2008) auf 2304 (2019), wobei der Anteil der Approbationen mit ausländischer Ausbildung inzwischen fast ein Viertel ausmacht. Und so kommt es dazu, dass die Zahl der berufstätigen Apotheker seit 2009 um 16,2 Prozent gestiegen ist – insgesamt gibt es 9350 berufstätige Pharmazeuten mehr als noch 2009 (2019 insgesamt 67.182).
Gleichzeitig zeigt die ABDA-Analyse aber ebenfalls deutlich, dass der Bereich der Vor-Ort-Apotheken von diesem Zuwachs wenig bis gar nicht profitiert hat. Denn während der Anteil der in Industrie, Verwaltung und Organisation beschäftigten Pharmazeuten um 48 Prozent gewachsen ist und der Anteil der beschäftigten Klinikapotheker um 34 Prozent gestiegen ist, können sich die Vor-Ort-Apotheken nur über einen Zuwachs von rund 10 Prozent (4874 Apotheker) freuen. Ebenfalls besorgniserregend aus Sicht der Apotheken ist die Altersentwicklung: 44 Prozent aller Inhaber sind inzwischen älter als 56 – 2014 lag dieser Anteil noch bei 35 Prozent. Auch der Anteil der Über-56-Jährigen unter den angestellten Approbierten in den Apotheken wächst und liegt inzwischen bei 24 Prozent. In der Klinikapotheker sind hingegen nur 18 Prozent der Apotheker älter als 56, in der Industrie liegt dieser Wert sogar nur bei 16 Prozent.
Der spannendste Teil der ABDA-Analyse ist aber die Prognose der Personalsituation bis Ende 2029. Dazu ist die Standesvertretung unter anderem von den Annahmen ausgegangen, dass das Rentenalter bei 66 liegt, dass die Inhaberzahl aufgrund der Altersstrukturen jährlich um etwa 2,4 Prozent sinkt, die Zahl der angestellten Approbierten um 2,9 Prozent steigt und die Zahl der Klinik- und Industrieapotheker jeweils um mehr als 3 Prozent weiter wächst. Berücksichtigt man alle von der ABDA eingerechneten Faktoren, prognostiziert die Standesvertretung bis 2029 einen Bedarf an zusätzlichen Vollzeitstellen von 28.400 (in allen Tätigkeitsbereichen). Rechnet man nun noch den derzeitigen Stand an Teilzeitstellen hinzu, werden sogar rund 33.000 zusätzliche Apotheker benötigt. Allerdings: Weil im gleichen Zeitraum (bis 2029) nur zwischen 20.000 und 23.000 Pharmazeuten approbiert werden, könnten im schlimmsten Fall bis zu 10.000 Fachkräfte im Apothekenmarkt fehlen.
In einer begleitenden Pressemitteilung spricht die ABDA von »hervorragenden Berufsaussichten mit einer Vollbeschäftigungs-Garantie für Pharmazie-Studierende«. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening ist allerdings auch alarmiert und fordert einen massiven Ausbau der Studienplatzkapazitäten: »Noch ist Zeit zu handeln: Wenn wir das jetzt nicht tun, laufen wir in einen gravierenden Personalengpass mit bis zu 10.000 unbesetzten Stellen im Jahr 2029.« Die Kammern und Verbände hätten ihre Bemühungen rund um die Nachwuchsgewinnung bereits ausgebaut, so Overwiening. Und weiter: »Nachwuchswerbung allein hilft aber nicht, wenn nicht endlich an den Hochschulen des Landes weitere Studienplätze bereitgestellt werden und zusätzliche Pharmazie-Standorte geschaffen werden.«
Laut ABDA könnte der Personalbedarf sogar noch größer ausfallen, weil der erhöhte Informations- und Beratungsbedarf in den Apotheken mehr Personal erfordert und in den Krankenhäusern neue Stellen für Stationsapotheker geschaffen werden. »Der hohe Bedarf an Apothekerinnen und Apothekern stellt alle Arbeitgeber bereits jetzt vor große Herausforderungen. Die öffentlichen Apotheken haben den Vorteil, dass Approbierte hier nicht nur als Angestellte oder Filialleiter, sondern perspektivisch auch als Inhaber tätig werden können. Daher sind auch Rahmenbedingungen wichtig, die junge Menschen ermuntern, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen«, so die ABDA-Präsidentin.