Defekturen im Saarland freigegeben |
Auch der Bezug einer Defektur/ Rezeptur von einer anderen Apotheke ist nun möglich. / Foto: IMAGO/Marc Schüler
Vor dem Hintergrund der akuten Versorgungs- und Lieferengpässe bei Arzneimitteln hatte das Saarländische Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit im Januar einen Runden Tisch mit Vertretern der Apotheker- und Ärztekammer, der Kassenärztlichen Vereinigung, der Krankenkassen und des Hausärzteverbandes organisiert, bei dem man sich darauf einigte, »Wege zu vereinfachen«: Saar-Apotheker sollten die Arzneimittel, die nicht verfügbar sind, leichter selbst herstellen können, hieß es.
Dabei ging es vorrangig um Lieferengpässe bei paracetamol- und ibuprofenhaltigen Fertigarzneimitteln, vor allem bei Fiebersäften für Kinder. Um die Versorgung sicherzustellen, stellten die Apotheker die Arzneimittel teils selbst her oder importierten sie aus dem Ausland. Dies habe wegen Vorgaben, die eingehalten werden mussten, zu »erheblichem Mehraufwand« geführt, wie das Saar-Gesundheitsministerium gestern in Saarbrücken mitteilte.
Das Ergebnis ist nun eine Sondervereinbarung zwischen dem Saarländischen Apothekerverein und der AOK Rheinland-Pfalz sowie der IKK Südwest: Apotheken im Saarland können »bezogen auf Fieber-Arzneimittel – und nur auf diese – im Prinzip je nach Verfügbarkeit sämtliche Arzneimittel-Formen abgeben«, erklärte Carsten Wohlfeil, Geschäftsführer der Apothekerkammer Saarland, auf Nachfrage der PZ. Heißt: Es ist möglich, dass Apotheken sowohl Fertigarzneimittel abgeben als auch im Bedarfsfall notwendige Rezepturen anfertigen. Entsprechend den Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sei dabei die Abgabereihenfolge »Fertigarzneimittel vor Rezeptur« zu beachten und die Wirkstoffverordnung sollte auf einem separaten Rezept erfolgen, heißt es in einem Schreiben des Saarländischen Apothekervereins, das der PZ vorliegt.
Und weiter: »Das Wirtschaftlichkeitsgebot ist – auch im Hinblick auf die Anwendung der nachfolgenden Regelungen – zu beachten«. Zudem könne die Krankenkasse »im begründeten Einzelfall einen Nachweis über die Nichtverfügbarkeit bei der Apotheke anfordern«. Als Nachweis des Lieferengpasses könne das »automatische Defektprotokoll der Warenwirtschaft der Apotheke« dienen.
Nur nach telefonischer Rücksprache mit dem verordnenden Arzt, die auf der Verordnung zu dokumentieren ist, könne ein anderer Wirkstoff abgegeben werden. Das Ausstellen einer neuen Verordnung sei nicht erforderlich. Zudem dürfen Apotheken laut Schreiben »ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt von der ärztlichen Verordnung im Hinblick auf die Wirkstärke abweichen, sofern dadurch die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird und keine pharmazeutischen Bedenken bestehen«. Weiter heißt es: »Wenn bei der Abgabe von der verordneten Wirkstärke abgewichen werden soll und dabei die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs überschritten wird, kann nach Rücksprache mit dem verordneten Arzt, die auf der Verordnung zu dokumentieren ist, ein Austausch/eine Abgabe erfolgen; das Ausstellen einer neuen Verordnung ist nicht erforderlich.«
Nach pharmazeutischem Ermessen könne die Apotheke eine andere Darreichungsform wählen, auch hier sollen die die Empfehlungen des BfArM berücksichtigt werden. Zudem dürfen Apotheken je nach Verfügbarkeit auch die nächstgrößere Packung abgeben und berechnen. Die Nichtverfügbarkeit der verordneten Packung sei zu dokumentieren, weil auch hier die Krankenkasse im begründeten Einzelfall einen Nachweis über die Nichtverfügbarkeit anfordern könne.
Angesichts der aktuell schwierigen Versorgungssituation bei Fieberarzneimitteln für Kinder »begrüßen es die Vertragsparteien, dass zur Sicherstellung der Versorgung von Kindern mit ibuprofen-/paracetamolhaltigen Fieber-Arzneimitteln die Ärzt:innen eine Wirkstoff-Verordnung ausstellen. Damit haben die Apotheken die Möglichkeit, flexibel auf Lieferengpässe zu reagieren«, heißt es in dem Schreiben weiter. Eine Wirkstoffverordnung ermögliche es in den Apotheken, »die entsprechenden Arzneimittel in der ganzen Bandbreite unter Berücksichtigung der pharmazeutischen Voraussetzungen in der Apotheke abzugeben«.
Auch der Saarländische Gesundheitsminister Magnus Jung (SPD) äußerte sich dazu: »Durch diesen Schritt wurde den Apotheken die erforderliche Flexibilität eingeräumt, um Lieferengpässen effektiv und unbürokratisch entgegenwirken zu können«. Grundsätzliche Reformen bei der Arzneimittelversorgung vom Bund seien aber weiter notwendig.
»Desweiteren hat das Ministerium § 17 Abs. 6c Nr. 5 ApBetrO sehr weit ausgelegt und damit die Möglichkeit eröffnet, den kollegialen Austausch zu erweitern«, ergänzte Carsten Wohlfeil. »Wenn eine Apotheke eine Rezeptur (hier: Fiebersäfte und -Zäpfchen) nicht herstellen kann, zum Beispiel weil die Ausgangsstoffe nicht verfügbar sind oder die personelle Situation der Apotheke dies nicht zulässt, liegt aktuell ein dringender Fall gem. § 17 Abs. 6c Nr. 5 APBetrO vor und der Bezug von einer Defektur/ Rezeptur von einer anderen Apotheke ist möglich«, heißt es seitens des Ministeriums. Ein »dringender Fall« liegt laut Ministerium dann vor, »wenn die unverzügliche Anwendung des Arzneimittels erforderlich ist und wenn das Arzneimittel nicht rechtzeitig bezogen oder hergestellt werden kann«.
Anfang der Woche hatte auch das Sozialministerium Sachsen den Apotheken im Freistaat Erleichterungen bei der Arzneimittelabgabe offiziell gestattet. Die Lockerungen betreffen Arzneimitteltausch, Defektur und Importe.