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Agile Gegner

28.01.2002  00:00 Uhr

PHARMACON DAVOS 2002

Agile Gegner

In Griechenland trat das Horrorszenario eines jeden Mikrobiologen bereits ein: Bei einem jungen Mann wurde ein Erregerstamm der Art Pseudomonas aeruginosa entdeckt, der gegen alle bekannten Antibiotika resistent war. Omniresistente Keime sind glücklicherweise bisher nur Einzelfälle, erklärte Professor Dr. Norbert Lehn vom Institut für Mikrobiologie und Hygiene der Universität Regensburg. Doch die viel beschworene Zunahme der Resistenten sei keine hohle Phrase, sondern Realität. "Wir haben tatsächlich ein Problem."

Wie die Erhebungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Deutschland, Österreich und die Schweiz zeigen, nahmen die Resistenzen bei einer ganzen Reihe von Keimen gegenüber verschiedenen Wirkstoffen in den vergangenen Jahren deutlich zu, nachdem sie über Jahrzehnte mehr oder weniger konstant geblieben waren. In Deutschland sei die Resistenzlage aber noch vergleichsweise günstig, während in Südeuropa vor allem in Spanien und Frankreich sehr viel größere Probleme auftreten. In diesen Ländern könne man Antibiotika ohne Rezept und ohne Beratung in der Apotheke erhalten, wie der Referent aus eigener Erfahrung berichtete.

Wie lernen die Bakterien, sich vor den Antibiotika-Angriffen zu schützen? Entweder besitzen sie bereits vor jeglichem Kontakt mit Antibiotika ein Gen, das sie unsensibel gegen einen speziellen Wirkstoff macht. Das bezeichnet man als natürliche Resistenz. Oder aber die Erreger erhalten das Resistenzgen durch genetischen Austausch mit anderen Bakterien beziehungsweise sie profitieren durch Neu-Mutation eines bestimmten Gens.

Meist werden Antibiotika unwirksam, weil sie nicht mehr durch die Membran der Mikroorganismen diffundieren können. Auch Efflux-Pumpen, die das Antibiotikum aus dem Bakterieninneren hinaus pumpen, machen Keime resistent. Mikroorganismen können sich weiterhin wehren, indem sie die Bedeutung des Angriffspunktes für bestimmte Antibiotika herabsetzen. So werden sie zum Beispiel resistent gegen alle Substanzen, die den Zellwandaufbau blockieren, wenn sie lernen, zeitweise ohne Zellwand zu überleben. Antibiotika verlieren außerdem ihre Wirksamkeit, wenn sich ihre bakteriellen Zielproteine so verändern, dass sie keinen Angriffsort für die Wirkstoffe mehr bieten. Manche Bakterien können Antibiotika durch eigene Enzyme gezielt inaktivieren. Bestes Beispiel sind die b-Lactamasen, die Penicilline abbauen.

Eine natürliche oder erworbene Resistenz bietet den Mikroorganismen allerdings keine Überlebensvorteile, solange sie nicht mit Antibiotika in Berührung kommen, erklärte Lehn. Daher trägt eine lange und breite Anwendung von antibakteriellen Substanzen zur Verbreitung von Resistenzen bei. Vor allem Antibiotika in geringen Dosen seien gefährlich, so Lehn. In seinen Experimenten verwende er sogar subletale Dosen, um absichtlich Resistenzen zu erzeugen. Daher betrachte er die Sparmaßnahmen mit Sorge, die dazu führen, dass zu schwach und zu kurz therapiert würde. Aber auch eine lange Antibiotikatherapie wie zum Beispiel bei immunsupprimierten Patienten kann Resistenzen auslösen.

Nicht nur der Antibiotikaverbrauch beim Menschen birgt Gefahren, sondern auch die in der Tiermast gängige Praxis, die Tiere von Geburt bis zum Schlachten mit so genannten antibakteriellen "Leistungsförderern" zu behandeln. Falsch verstandene Hygiene erzeuge einen weiteren Selektionsdruck hin zu resistenten Keimen, warnte der Referent. Durch Antibiotika in Zahnpasta oder Toilettenpapier sowie den übermäßigen Gebrauch von Desinfektionsmitteln oder antibakteriellen WC-Reinigern züchte man resistente Erreger. Manche Stämme hätten sogar schon eine Abhängigkeit gegenüber bestimmten Wirkstoffen entwickelt.

"Der Gegner ist überaus agil", warnte der Experte. Als effektive Maßnahmen schlug Lehn vor, den Antibiotikaverbrauch bei Mensch und Tier deutlich einzuschränken, auf übertriebene und unnötige Hygiene zu verzichten und die Resistenzentwicklung wissenschaftlich zu überwachen.

 

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