Volkskrankheit Osteoporose |
20.01.2003 00:00 Uhr |
Die Osteoporose ist eine der großen Volkskrankheiten. Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Alterspyramide komme ihr besondere Bedeutung zu, betonte Professor Dr. Dr. Dr. h.c. Walter Schunack vom Institut für Pharmazie der FU Berlin. In Deutschland sind vier bis sechs Millionen Menschen, genauer 18 Prozent aller Frauen und sechs Prozent der Männer, über 40 Jahre betroffen.
Jährlich kommt es zu 150.000 Schenkelhalsbrüchen, die Kosten von circa 3 Milliarden Euro im ersten Jahr und 5 Milliarden Euro pro Folgejahr verursachen. Vierzig Prozent der postmenopausalen Frauen erleben mindestens eine osteoporotische Fraktur. Als Risikofaktoren nannte Schunack Bewegungsmangel, eine Calcium-arme Kost, genetische Disposition, Estrogenmangel, einen schlanken Habitus mit grazilem Skelett und blondem Typ sowie Nikotinkonsum.
Die Basistherapie diene dazu, die Geschwindigkeit des Knochenabbaus zu vermindern. Sie sei jedoch nicht geeignet, einen bereits bestehenden Verlust an Knochenmasse wieder auszugleichen. Empfohlen werden 500 bis 1500 mg Calcium pro Tag (in Milch, Joghurt, Hartkäse, Mineralwasser) und Vitamin D3. Dessen körpereigene Synthese wird durch Sonnenlicht angeregt; die Substitution von 1000 I.E. Colecalciferol/Tag ist insbesondere bei alten Patienten und Heimbewohnern angezeigt.
Bisphosphonate und Raloxifen
Die Hemmung der gesteigerten Osteoklastenaktivität, die zu einem verstärkten Abbau des Knochens führt, gilt als das wirksamste Behandlungsprinzip der Osteoporose. Die derzeit effektivsten Osteoklastenhemmer stammen aus der Stoffklasse der Bisphosphonate. Zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose sind das Alkyl-bisphosphonat Etidronat, das Amino-Derivat Alendronat und die Pyridyl-Verbindung Risedronat zugelassen.
Schunack betonte, dass Alendronat und Risedronat als einzige Pharmaka in die Empfehlungsklasse A1 eingestuft wurden, da ihre Wirksamkeit in randomisierten, kontrollierten Studien mit konsistenten Ergebnissen nachgewiesen werden konnte. Alendronat ist zusätzlich bei der Osteoporose des Mannes, Risedronat zur Verhinderung des Glucocorticoid-induzierten Knochensubstanzverlustes bei postmenopausalen Frauen indiziert.
In die Empfehlungsklasse A2 wurde der selektive Estrogenrezeptor-Modulator (SERM) Raloxifen eingestuft, der zur Prävention atraumatischer Wirbelbrüche bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Osteoporoserisiko sowie zur Therapie des Knochenschwunds zugelassen ist. Die so genannte MORE-Studie mit Raloxifen belegte eine Reduktion der Wirbelkörperfrakturen um 34 Prozent, die Inzidenz invasiver Mammakarzinome sank um 76 Prozent. Periphere Frakturen und Schenkelhalsfrakturen nahmen jedoch nicht ab.
Fluoride und Calcitonin
Wurden Fluoride und Calcitonin mit »B« klassifiziert, so betonte Schunack, dass Fluoride wegen der inkonsistenten Ergebnisse der Studien sowie der Bildung minderwertiger, spröder Knochen nicht mehr verwendet werden sollten. Ob Calcitonin, ein Polypeptidhormon der Schilddrüse, die Frakturrate senken könne, sei ebenfalls nicht durch adäquate klinische Studien gesichert. Zudem weise Calcitonin Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen auf. Das Hormon werde daher vorzugsweise wegen seines osteo-analgetischen Effekts zur Linderung Osteoporosebedingter Schmerzen eingesetzt.
Die Hormonsubstitution der Frau mit Estrogenen (Klasse C) bedarf der sorgfältigen Risikoabwägung. Gerade eine lange, über fünf Jahre anhaltende Hormonsubstitution bei Risikopatientinnen (familiäre Belastung) ist mit einer geringen Zunahme des Brustkrebsrisikos assoziiert.
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