Baustelle Knochen |
20.01.2003 00:00 Uhr |
Obwohl sich bei dem Wort »Knochen« die Assoziation mit verblichenen Skeletten in der Wüste aufdrängt, ist es ein großer Irrtum, Knochen für lebloses Gewebe zu halten, erläuterte Privatdozent Dr. Thomas Beck vom Institut für Anatomie an der Universität Rostock.
Knochen sind sehr stoffwechselaktiv, reich durchblutet und einem ständigen Auf- und Abbau unterworfen. Hieran sind zwei verschiedene Zelltypen beteiligt: die für den Aufbau verantwortlichen Osteoblasten und die Knochen abbauenden Osteoklasten.
Eine Schlüsselfunktion in der Knochenbildung nehmen die Osteoblasten ein, die aus embryonalem Bindegewebe (Mesenchym) hervorgehen. Ihre Differenzierung kontrolliert das Gen Cbfa1 (Core binding factor family 1), das für einen Transkriptionsfaktor codiert. Tiere, bei denen dieses Gen zerstört wurde, zeigen keine Verknöcherung: Ihr Skelett besteht nur aus Knorpel.
Osteoblasten sitzen in einer einzelligen Schicht auf neu entstehendem Knochen und produzieren Knochenmaterial, indem sie kollagene Fasern synthetisieren und ausschleusen. Außerdem sezernieren sie einige nichtkollagene Proteine wie Osteopontin und Osteocalcin. In diese organische extrazelluläre Matrix lagern sich später Mineralien, hauptsächlich Calciumphosphat ein. Die Aktivität der Osteoblasten wird hormonell kontrolliert. Das Wachstumshormon der Hypophyse setzt in der Leber Somatomedin C frei, das die Osteoblasten und somit die Knochenbildung anregt.
Einen ganz anderen zellulären Ursprung haben die Gegenspieler der Osteoblasten. Die Osteoklasten entstehen aus Monozyten, die sich aus Stammzellen des Knochenmarks entwickeln. Sie sind daher mit Makrophagen verwandt, erklärte Beck. Aktive Osteoklasten heften sich fest an den Knochen an, wodurch ein kleiner Hohlraum unter den Zellen entsteht. Dieser Spalt wird nach seinem Entdecker, dem Londoner Chirurgen John Howship (1781 bis 1841), Howship-Lakune genannt. Darin erzeugen Osteoklasten ein eigenes Mikromilieu: Sie pumpen Protonen hinein und erzeugen so einen stark sauren pH-Wert von 4,5. Außerdem sezernieren sie lysosomale Enzyme, die das Knochenmaterial auflösen. »Diese gelöste Substanz phagozytieren die Zellen dann«, so der Referent.
Die Bildung der Osteoklasten wird von ihren Kontrahenten kontrolliert. Osteoblasten geben den Wachstumsfaktor M-CSF (Monocyte Colony-stimulating Factor) ab, der sich an seinen Rezeptor auf Osteoklasten-Vorläuferzellen anlagert. Diese produzieren daraufhin einen weiteren Rezeptor: RANK (Receptor for Activation of Nuklear Factor Kappa B). Wenn dieser Rezeptor (auf den Vorläuferzellen) an seinen Liganden RANKL (auf der Oberfläche von Osteoblasten) bindet, differenzieren sich die Zellen zu reifen Osteoklasten. Diese Reifung können Osteoblasten allerdings mit dem Abfangprotein Osteoproteggerin verhindern, das an RANKL bindet und den Liganden somit maskiert.
Sowohl bei Osteoblasten als auch bei Osteoklasten wird die Differenzierung hormonell kontrolliert. Das in der Nebenschilddrüse produzierte Parathormon regt die Synthese von M-CSF und RANKL an und unterdrückt gleichzeitig die Produktion von Osteoproteggerin. Dadurch entstehen mehr reife Osteoklasten, und der Knochen wird verstärkt abgebaut.
Neben dieser peripheren Kontrolle aus dem Wechselspiel von auf- und abbauenden Zellen wird die Knochenbildung zusätzlich zentral gesteuert. Hierdurch wird die Knochenmasse an die Fettmasse gekoppelt. »Dies ist sinnvoll, da ein zierliches, dünnes Skelett keine gewaltigen Fettmassen tragen kann«, erklärte Beck.
Für die zentrale Kontrolle der Knochenbildung ist das Proteohormon Leptin verantwortlich, das von Fettzellen gebildet wird. Im Hypothalamus bindet es an seinen Rezeptor und hemmt so die Knochenbildung, den Appetit und die Gonadenfunktion. Den Zusammenhang zwischen Gewicht und Knochenbildung zeigt auch die Tatsache, dass adipöse Frauen deutlich seltener an Osteoporose leiden als normalgewichtige, erklärte der Referent. Die Gonaden spielen hier eine wichtige Rolle. Die von ihnen gebildeten Geschlechtshormone hemmen die Osteoklastenfunktion. Wenn der Spiegel dieser Hormone nach der Menopause sinkt, wird die Resorption des Knochens nicht mehr unterdrückt und eine Osteoporose kann entstehen.
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