DAV sieht durch Sparpläne Arzneimittelversorgung in Gefahr |
Cornelia Dölger |
16.03.2022 15:00 Uhr |
Auch den Bereich der Arzneimittel hat das Bundesgesundheitsministerium im Visier, wenn es um künftige Einsparungen geht. / Foto: Fotolia/Schlierner
Wenn es ums Sparen geht, gilt es, Kostenfaktoren zu identifizieren und nach Möglichkeit zu verkleinern. Als einen solchen hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) unter anderem den Arzneimittelbereich und dort insbesondere die geltenden Regularien für Hersteller ausgemacht. Das tritt in dem Referentenentwurf für ein »Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung« (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz), über den die PZ bereits gestern berichtete, klar zutage.
So stehen eine Erhöhung des derzeitigen Herstellerabschlags sowie eine Verlängerung des Preismoratoriums über den 31. Dezember 2022 hinaus um weitere vier Jahre ins Haus. Zudem wird an Eckpunkten des AMNOG (Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz) gerüttelt: Künftig soll demnach der Erstattungsbetrag nach § 130b SGB V bereits ab dem siebten Monat nach dem erstmaligen Inverkehrbringen eines Arzneimittels gelten. Nicht zuletzt will das Ministerium auch bei Orphan Drugs Millionenbeträge einsparen.
Auch Apotheken werden zur Kasse gebeten, indem der gesetzliche Apothekenabschlag für zwei Jahre von 1,77 auf 2 Euro angehoben werden soll. Zudem soll die Umsatzsteuer für die Lieferung von Arzneimitteln ab dem Jahr 2023 auf 7 Prozent gesenkt werden – eine Art politischer Wiedergänger, der es zwar in die erste Version des Koalitionsvertrags geschafft hatte, für die finale Fassung aber wieder gestrichen worden war. Die PZ hat über diese Pläne berichtet.
Beim Deutschen Apothekerverband (DAV) blickt man mit entsprechender Skepsis auf die Pläne aus Lauterbachs Haus. »Ein auf zwei Jahre angelegter, von 1,77 auf 2,00 Euro erhöhter Kassenabschlag, der das Festhonorar der Apotheken von 8,35 Euro weiter absenkt, konterkariert die dringend notwendige und zuverlässige Zukunftsperspektive für die lokale Arzneimittelversorgung«, teilte DAV-Chef Thomas Dittrich heute auf PZ-Anfrage mit. Dabei habe sich die Bundesregierung doch vorgenommen, die lokalen Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen zu stärken. Die Apotheken hätten seit Beginn der Pandemie bewiesen, wie systemrelevant sie für die Menschen vor Ort seien, so Dittrich. Um das weiter zu leisten, benötigten sie Planungssicherheit. Der DAV werde den Entwurf weiter analysieren und das Gesetzgebungsverfahren intensiv begleiten, kündigte Dittrich an.
Bereits gestern, kurz nachdem der Referentenentwurf vorlag, hatten sich die ersten Hersteller zu dem Vorstoß zu Wort gemeldet, weitere folgten heute. Tenor der teils entrüsteten Mitteilungen: Wir sind nicht die entscheidenden Kostenfaktoren im System! Konkret teilte etwa der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) mit, sein Anteil an den GKV-Ausgaben habe in den vergangenen Jahren stets stabil um die 16 Prozent gelegen, dennoch sollten die Pharmaunternehmen jetzt mehr Geld in die gesetzliche Krankenversicherung einspeisen. Vfa-Präsident Han Steutel betonte: »Wir haben überhaupt kein Kostenproblem verursacht.« Die Sparpläne seien ein »verheerendes Signal in die internationale Investorenszene«, so Steutel weiter und schlug dabei einen scharfen Ton an: »Wem politisch zu einer dynamischen Innovationsbranche wie unserer nichts anderes einfällt als Pauschalstrafen aus der Verwaltungsmottenkiste zu verhängen, steht für vieles, aber nicht für Aufbruch!«.
Auch der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) sieht Arzneimittel nicht als Kostentreiber. »Ich weise darauf hin, dass die Arzneimittel nach Steuern und Handelsstufen nur rund 11 Prozent der Ausgaben der GKV ausmachen«, bilanzierte der BPI-Vorsitzende Hans-Georg Feldmeier. Die Pläne aus dem GKV-Finanzierungsgesetz, etwa die Geltung des AMNOG-Erstattungspreises zur verkürzen oder den Orphan-Drug-Status aufzuweichen, seien »fatale Signale«, so Feldmeier. Es gelte, Innovationen weiterhin zu ermöglichen und nicht »an diesem neuralgischen Punkt zu kürzen«. Angesichts brüchiger Lieferketten weltweit sowie steigender Kosten für Forschung, Entwicklung und Produktion gelte es in erster Linie, die Arzneimittelversorgung zu sichern. Dafür brauche es verlässliche Rahmenbedingungen und »auskömmliche Preise für alle Arzneimitteltherapien«, forderte Feldmeier.
Vor einem existenziellen Risiko für mittelständische Pharmaunternehmen warnte der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH). »Dass das Bundesministerium für Gesundheit nun fast eine Verdreifachung des Herstellerabschlags vorsieht, ist völlig inakzeptabel«, so BAH-Hauptgeschäftsführer Hubertus Cranz. »Viele mittelständische Unternehmen werden dies nicht verkraften können.« Dass das Preismoratorium über vier Jahre verlängert werden solle, bedeutet de facto für viele Arzneimittel bis zum Jahr 2026 einen Preisstand vom 1. August 2009, obwohl sich die Produktionskosten seitdem stark erhöht hätten. Der Inflationsausgleich könne das nur im Ansatz auffangen, so Cranz. Er betonte: »Wenn für Unternehmen eine kostendeckende Produktion nicht mehr möglich ist, müssen sie das Produkt aus dem Markt nehmen.« Ähnlich argumentierte der Branchenverband Pro Generika. Der Vorstandsvorsitzende Peter Stenico teilte mit: »Die Entscheidung, das Preismoratorium beizubehalten, finde ich fatal. Denn die Tatsache, dass die Preise für Arzneimittel auf dem Niveau von 2009 festgefroren sind, ist einer der Gründe, warum es immer wieder zu Engpässen kommt.«
Auch von der Kassenseite gab es erste Reaktionen. Positiv äußerte sich am heutigen Mittwoch der Verband der Ersatzkassen (vdek). »Es ist gut und wichtig, dass die Bundesregierung ein GKV-Finanzierungsgesetz auf den Weg bringt«, wird vdek-Chefin Ulrike Elsner in einer Mitteilung zitiert. Vor allem seien die Zusicherung eines weiteren Bundeszuschusses in Höhe von 5 Milliarden Euro wie auch die geplanten Maßnahmen im Arzneimittelsektor zu begrüßen. Allerdings seien die im Entwurf skizzierten Maßnahmen nicht ausreichend, »um die Finanzierungslücke von 17 Milliarden Euro zu schließen«. Wichtig sei etwa, dass die Absenkung des Umsatzsteuersatzes für Arzneimittel auf 7 Prozent vollständig umgesetzt und das hierfür notwendige Gesetzesverfahren rasch eingeleitet werde.