Ohrstöpsel können in manchen Situationen hilfreich sein, jedoch eher hinderlich beim Kundengespräch. / © Getty Images/Siarhei Khaletski
An Lärm gewöhnt man sich nicht. Und er kann krank machen. »Lärmschwerhörigkeit« gehört zu den am häufigsten anerkannten Berufskrankheiten in Deutschland. Nach Angaben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) leisten die Unfallversicherungsträger dafür jährlich Rentenzahlungen von mehr als 100 Millionen Euro. Rund 6000 neue Fälle kommen im Jahr dazu.
Die gute Nachricht: Die Zahlen für Fälle der Lärmschwerhörigkeit seien in den vergangenen Jahren signifikant zurückgegangen, so Sandra Dantscher, Lärm-Expertin am Institut für Arbeitsschutz der DGUV. Das hat verschiedene Gründe: Es arbeiten insgesamt weniger Menschen in Industriebranchen mit hoher Lärmbelastung, Maschinen sind leiser geworden, »es gibt ein größeres Bewusstsein für Lärmschäden und dadurch eine größere Bereitschaft, Gehörschutz zu tragen.«
Geräusche müssen aber gar nicht immer besonders laut sein, um als belastend wahrgenommen zu werden und teils massive Auswirkungen auf die Gesundheit zu haben. In der Fachsprache sind das die sogenannten extra-auralen Lärmwirkungen, die nicht das Innenohr betreffen.
Solche extra-aurealen Lärmwirkungen trifft man vor allem Arbeitsplätzen, an denen sich viele Menschen gleichzeitig aufhalten: Großraumbüros, Klassenzimmer, Supermärkte zum Beispiel – oder auch Apotheken mit großen Offizinen. Der dauernde Geräuschpegel schädigt nicht das Gehör, wirkt aber auf der kognitiven Ebene und auf das vegetative Nervensystem.
Die Folgen: Nervosität, Anspannung, Erschöpfung, Konzentrationsschwierigkeiten ebenso wie Magen-Darm-Probleme, hoher Blutdruck oder Herz-Rhythmus-Störungen. Schon ab einem Pegel von 30 dB(A) können sie auftreten. Zum Vergleich: Vogelzwitschern liegt bei ungefähr 50 Dezibel, ein Gespräch in normaler Lautstärke bei 60 Dezibel.
Laut Arbeitsstättenverordnung müssen Arbeitgeber sicherstellen, dass Lärm und störende Geräusche an jedem Arbeitsplatz »so weit wie möglich reduziert werden«. Bei Tätigkeiten, die viel Konzentration erfordern, darf es nicht lauter sein als 55 dB(A), bei Routinetätigkeiten liegt der Maximalwert bei 70 dB(A).
Wie sie für Abhilfe sorgen, ob sie Maschinen austauschen, schalldämmende Zwischenwände einziehen oder Gehörschutz ausgeben, steht den Arbeitgebern frei. Entscheidend ist nur, ob damit der notwendige Effekt erzielt wird. Einen Anspruch auf einen bestimmen Wunsch-Lärmschutz haben die Beschäftigten nicht.
Was als störend wahrgenommen wird, sei jedoch individuell sehr unterschiedlich, sagt Lärmexpertin Dantscher. Was die eine kaum hört, bringt den anderen immer wieder aus der Konzentration. »Das sind messbare Effekte, das bildet man sich nicht ein.« Solange die Vorgaben eingehalten werden, besteht aber kein Rechtsanspruch auf eine leisere Arbeitsumgebung.
Besonders problematisch sei verständliche Sprache im Hintergrund: das Telefonat drei Schreibtische weiter oder das in Dauerschleife dudelnde Einkaufsradio im Supermarkt. Das Gehirn kann kaum anders, als sämtliche Informationen zu verarbeiten, und das kostet Energie.
Dann eben Kopfhörer rein und die Lieblingssongs voll aufdrehen? Der Eindruck, sich mit Musik auf den Ohren besser konzentrieren zu können, ist trügerisch. Es gebe Menschen, die mit Musik zwar subjektiv gut arbeiten könnten, sagt Dantscher. Studien zeigten aber, dass auch Musik von den zu erledigenden Aufgaben ablenkt: »Das Gehirn hat nur eine bestimmte Kapazität und kann deshalb nur eine begrenzte Anzahl an Eindrücken parallel verarbeiten.«
Es gibt durchaus Möglichkeiten, die Geräuschbelastungen zu reduzieren. »Sinnvoll, das heißt tätigkeitsbezogen, zu gruppieren«, wäre ein erster Schritt, sagt Dantscher: Wer konzentriert programmieren muss, sollte nicht neben einem Dauer-Telefonierer sitzen müssen. Akustik-Decken und -Stellwände dämpfen den Schall, ebenso helfen Teppiche, den Trittschall zu reduzieren.