| Daniela Hüttemann |
| 16.05.2024 13:00 Uhr |
Wer (stark) kurzsichtig ist, sollte seine Netzhaut und auch den Sehnerv regelmäßig vom Augenarzt untersuchen lassen. / Foto: Getty Images/aire images
»Im gesunden Auge schmiegt sich die Netzhaut eng an die darunterliegende Schicht an, von der sie mit Nährstoffen versorgt wird«, erklärte Professor Dr. Frank G. Holz, Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn und Vorsitzender der Stiftung Auge, bei einer Pressekonferenz der Stiftung Auge. Lösen sich diese beiden Schichten voneinander, wird auch die Versorgung der Netzhaut unterbrochen und sie nimmt rasch Schaden – bis hin zur Erblindung.
Die häufigste Ursache für eine Netzhautablösung seien kleine Risse in der Netzhaut. Dadurch kann die Flüssigkeit hindurchsickern, die das Auge von innen ausfüllt. »Weil die Netzhaut ihrer Versorgungsschicht nur lose aufliegt, kann die eintretende Flüssigkeit sie sehr leicht abheben«, so Holz.
Die wichtigste Maßnahme zur Vorsorge sei daher, die Netzhaut bei gefährdeten Personen in regelmäßigen Abständen genau zu untersuchen, um festzustellen, ob bereits Risse als Vorstufe für eine Netzhausablösung vorliegen. Denn in diesem Stadium könne noch mittels Laser eine feine »Schweißnaht« gesetzt werden, um den Riss wieder zu flicken. »Das geht ambulant und schnell und ist nicht schmerzhaft«, erklärt der Augenarzt. Eine Alternative sei die Kryokoagulation, bei der mit Kälte gearbeitet wird.
Vor allem Kurzsichtigkeit – je stärker, desto höher das Risiko. Weitere Risikofaktoren sind höheres Alter, eine zurückliegende Grauer-Star-Operation sowie frühere Verletzungen des Auges durch Fremdkörper. Zudem können akute Verletzungen zu einem Netzhautabriss führen, zum Beispiel ein Faustschlag oder der Aufprall eines Balles. Personen mit Risikofaktoren sollten ihre Netzhäute regelmäßig vom Augenarzt untersuchen lassen. Der Optiker können diese Untersuchung nicht vornehmen.
Die gute Nachricht: Der Lebensstil und die Ernährung beeinflussen das Risiko für eine Netzhautablösung nicht. »Sie müssen also keine bestimmte Diät einhalten oder haben andere Einschränkungen – das kann eine Entlastung sein«, erklärte Holz.
Als Frühsymptome nannte Holz kleine Flusen im Gesichtsfeld, die sich bewegen, sogenannte fliegende Mücken (»Mouches volantes«). Das sind keine echten Flusen oder Insekten, sondern Aggregate, die sich im Glaskörper bilden. Auch plötzliche Lichtblitze seien ein Warnzeichen. Diese kommen dadurch zustande, dass die Netzhaut unter Zug steht. Dafür gibt es keine speziellen Rezeptoren, daher fehlinterpretiert das Gehirn diese Signale als Licht.
»Manche sehen auch eine Art Rußregen, also viele kleine bewegliche Schatten«, nannte Holz das dritte mögliche Symptom. Hier handelt es sich um mikroskopische Blutklümpchen, wenn Kapillargefäße platzen. Solche Schatten, die sich über Teile des Sichtfeldes legen, sind ebenfalls ein Grund, zum Augenarzt zu gehen.
Generell gilt: Je früher eine Netzhautablösung erkannt wird, desto weniger invasiv muss behandelt werden und desto geringer ist das Risiko für Komplikationen. »Dann ist auch die Chance am höchsten, dauerhafte Beeinträchtigungen oder Erblindungen zu vermeiden«, betonte der Augenarzt.
Hat sich die Netzhaut bereits vom Untergrund gelöst, sei eine Operation unumgänglich. »Je nach Ort und Ausmaß der Ablösung stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfügung, die den Prozess aufhalten und die Sehfähigkeit in vielen Fällen wieder verbessern können.«
»Bei der sogenannten Buckel-Chirurgie wird ein speziell angepasstes Schaumstoff-Stückchen von außen auf das Auge aufgenäht«, erklärte der Experte. Indem der Augapfel an dieser Stelle eingedellt werde, rücke die Netzhaut wieder an ihre Versorgungsschicht heran. In einem zweiten Schritt könne dann wiederum mit Laser oder Kälte eine feste Verbindung hergestellt werden.
Sind die Schäden bereits größer oder an mehreren Stellen, muss im Augeninneren operiert werden, die sogenannte Vitrektomie. Dabei muss der Glaskörper entfernt werden. Danach wird ein Luft-Gas-Gemisch oder Silikonöl ins Augeninnere geleitet, das die Netzhaut für einige Zeit an ihre Unterlage drückt, bis die Narben verheilt sind. Dadurch kann man nicht sofort wieder klar sehen. Wichtig zu wissen: Wird mit Gas gearbeitet, darf der Patient sich eine Weile nicht in der Höhe aufhalten und damit auch nicht fliegen.
»Bei 90 Prozent der Eingriffe ist dieses minimalinvasive Verfahren erfolgreich«, berichtete Holz. Manchmal seien mehrere Eingriffe nötig, vor allem, wenn sich Narbengewebe entwickle.