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Therapie Covid-19-Infektion

Das Paxlovid-Update

Die Erkältungswelle ist bereits kräftig am Rollen. Die Zahlen an Corona-Infektionen steigen kontinuierlich an - und damit auch die Zahl Infizierter aus potenziellen Risikogruppen. Der rechtzeitige Einsatz von Paxlovid™, das einzige spezifische SARS-CoV-2-Therapeutikum, wird also in Offizinen und Arztpraxen wieder vermehrt Thema.
Elke Wolf
15.11.2023  09:00 Uhr

Die Pandemie ist vorüber, das Coronavirus ist mehr oder weniger zu einem Atemwegsvirus unter vielen geworden – auch wenn es die Besonderheit aufweist, dass es abhängig von der Immunitätslage eines Menschen gravierende Infektionsverläufe auslösen kann. Das Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Infektion ist bei vulnerablen Gruppen nach wie vor vorhanden. »Vor allem für Risikopatienten ist es wichtig, sich weiterhin regelmäßig zu testen, vor allem bei Auftreten von Erkältungssymptomen«, sagte Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Professor für Pharmazeutische Chemie an der Universität Frankfurt, bei der Expopharm in Düsseldorf. »Denn eine zielgerichtete Therapie kann nur dann wirken, wenn sie innerhalb von fünf Tagen nach Infektion beginnt«, sagte der wissenschaftliche Leiter des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker (ZL).

Was bedeutet das für den Beratungsalltag in der Apotheke? Patienten, die nach Erkältungspräparaten fragen, sind darauf hinzuweisen, dass auch eine Covid-19-Infektion hinter den Atemwegssymptomen stecken und ein Test Klarheit bringen könnte. Tipp: Die Abgabe von sogenannten Vierfach-Kombinationstests zur Testung auf Covid-19, Influenza A und B sowie RSV zur Eigenanwendung ist mit den aktuellen Änderungen der Medizinprodukte-Abgabeverordnung rechtlich zulässig. Schubert-Zsilavecz: »Mit einem positiven Coronatest kann ein Patient - auch telefonisch oder elektronisch - ein reguläres Rezept bekommen. Es wird zwar empfohlen, eine SARS-CoV-2-PCR-Testung nachzuholen. Das ist aber keine Voraussetzung für eine Verordnung.«

Das derzeit einzige spezifische Covid-19-Medikament Paxlovid™ darf seit Mitte August 2022 auch direkt von einem Arzt an den Patienten abgegeben werden. Dazu darf dieser bis zu fünf Therapieeinheiten des Präparats von seiner regelmäßigen Bezugsapotheke beziehen, vorrätig halten und abgeben. Dieses Dispensierrecht läuft jedoch Ende des Jahres automatisch aus. Seit Anfang 2023 können Apotheken maximal zwei Packungen, krankenhausversorgende und Krankenhausapotheken bis zu fünf Packungen bevorraten. Die Kosten werden von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen. Die bisherige PZN 17977087 bleibt bestehen.

Risikoabschätzung

Die enthaltene Arzneistoffkombination Nirmatrelvir/Ritonavir ist bei allen Erkrankten indiziert, bei denen Risikofaktoren für einen schweren Infektionsverlauf vorliegen – also im Wesentlichen Senioren und chronisch Kranke – und die keine zusätzliche Sauerstoffzufuhr benötigen, empfiehlt die Covid-19-Leitlinie der Fachgruppe Intensivmedizin, Infektiologie und Notfallmedizin (COVRIIN) am Robert-Koch-Institut. Und sie kann unabhängig vom Impfstatus erfolgen. Die Anwendung der Arzneistoffkombination kann nachweislich dazu beitragen, das Risiko schwerer Verläufe, die zu Hospitalisierungen oder zum Tod führen können, zu reduzieren.

Molnupiravir spielt mittlerweile als Zweite-Wahl-Antivirustatikum keine Rolle mehr. Was die monoklonalen Antikörper betrifft, wird in der Leitlinie Sotrovimab als zweite Wahl-Behandlungsmöglichkeit genannt. Alle anderen Antikörper sind aufgrund von Mutationen beziehungsweise Resistenzen aus der Leitlinie verschwunden, führte Schubert-Zsilavecz aus.

Für die Wirkung gegen das Coronavirus ist Nirmatrelvir verantwortlich. Es hemmt die Virusvermehrung, indem es die SARS-CoV-2-spezifische virale Protease 3CL blockiert. Das wird möglich über eine Nitrilgruppe im Nirmatrelvir-Molekül, die mit einem Cystein-Rest im katalytischen Zentrum der Protease interagiert. So hindert der Arzneistoff das Enzym daran, seiner Aufgabe im Zuge der Virusvermehrung nachzukommen. Aufgrund seiner ungünstigen pharmakokinetischen Eigenschaften benötigt der Proteaseinhibitor die Hilfe von Ritonavir. Dieses hemmt als Booster den schnellen Abbau von Nirmatrelvir über CYP3A4 und sorgt so für einen ausreichend hohen Plasmaspiegel.

Extrem erklärungsbedürftig

»Wir sollten mit den Arznei- und Impfstoffen, die wir haben, klug und mit Bedacht umgehen«, mahnte der Apotheker. Deshalb sei der frühzeitige Paxlovid-Einsatz zeitnah nach Symptombeginn so wichtig. Allerdings sei die Arzneistoffkombination ein extrem erklärungsbedürftiges Medikament.

Die Beratungsintensität fängt schon mit der farblichen Unterteilung des Blisters an. Sowohl die gelbe als auch blaue Seite enthält drei Tabletten: zwei rosafarbene Tabletten mit je 150 mg des Wirkstoffs Nirmatrelvir und eine weiße bis cremefarbene Tablette mit 100 mg des »Wirkverstärkers« Ritonavir. Die drei Tabletten entsprechen im Regelfall einer Einzeldosis (300 mg Nirmatrelvir + 100 mg Ritonavir) und sind zusammen einzunehmen. Nur bei Patienten mit mäßigen Nierenfunktionsstörungen (GFR zwischen 30 und 60 ml/min) wird die Einzeldosis auf 150 mg Nirmatrelvir + 100 mg Ritonavir reduziert (= 1 rosafarbene + 1 weiße Tablette). Bei schweren Nieren- und Leberfunktionsstörungen ist Paxlovid nicht geeignet. Die Tabletten werden alle zwölf Stunden über einen Zeitraum von fünf Tagen eingenommen (siehe Grafik).

Das große Interaktionspotenzial der Arzneistoffkombination ist der zweite große Hemmschuh einer patientenreundlichen Anwendung. Der pharmakokinetische Wirkverstärker Ritonavir hat ein extrem hohes Wechselwirkungspotenzial aufgrund seiner CYP3A4- und seiner CYP2D6-Aktivität, zudem inhibiert es das p-Glykoprotein. »Das Problem: Patienten mit einem erhöhten Covid-19-Risiko nehmen meist aufgrund einer Grunderkrankung dauerhaft Arzneimittel ein. Bevor zusätzlich Nirmatrelvir/Ritonavir zum Einsatz kommen können, müssen bei diesen Patienten mögliche Wechselwirkungen überprüft werden.«

In der Tat ist die Liste potenzieller Interaktionen recht umfangreich. Um die Beratung zu Paxlovid zu erleichtern, hat die AMK in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie des Universitätsklinikums Heidelberg das Interaktionspotenzial bewertet. Die übersichtliche Grafik kann etwa über die Seiten der ABDA abgerufen werden. Weitere Informationen bietet auch ein webbasierter Interaktionscheck von Pfizer.

Schubert-Zsilavecz forderte einen pragmatischen Umgang mit den vielen Wechselwirkungen. Er warb dafür, genau zu prüfen, bei welchen Kombinationspartnern die Tagesdosis der Dauermedikation während der fünf Behandlungstage mit Paxlovid halbiert werden kann. »Eine gezielte Dosisminderung verhindert überschießende Plasmaspiegel.« Auch eine Therapiepause während der fünftägigen Paxlovid-Einnahme sei abhängig vom betreffenden Arzneistoff durchaus in Erwägung zu ziehen. »Mal fünf Tage auf sein Statin zu verzichten, ist doch eine Frage der Risikoabwägung und sollte vertretbar sein«, meinte der Referent. Anders sehe es freilich bei verschiedenen Antikoagulanzien aus. Die Paxlovid-Einnahme ist bei diesen Patienten kontraindiziert, weil das Virostatikum die blutverdünnende Wirkung abschwächen kann. Das würde das Risiko für thromboembolische Ereignisse erhöhen, weshalb das Absetzen des Antikoagulans für die Dauer einer Paxlovid-Therapie als nicht akzeptabel angesehen wird.

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