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Arzneimittel-Nebenwirkungen

Das kann ins Auge gehen

Eine gestörte Farbwahrnehmung, verschwommenes Sehen oder schwarze Punkte im Sichtfeld können unerwünschte Wirkungen von Arzneimitteln sein und sogar die Sehkraft bedrohen. Was das für die Beratung bedeutet und welche Arzneistoffe als Auslöser infrage kommen.
Nicole Schuster
17.05.2024  18:00 Uhr

Systemisch eingesetzte Medikamente gelangen über das Blut in alle Organe und können dort neben erwünschten auch unerwünschte Wirkungen hervorrufen. Das Auge ist für Letztere besonders anfällig, da es gut durchblutet ist. Dabei können milde und reversible Beschwerden bis hin zu schwerwiegenden Störungen auftreten.

Zu den häufigsten Augenerkrankungen zählt die Katarakt (Grauer Star), bei der eine oder beide Augenlinsen trüb werden. Die Linsentrübung, die zu einem fortschreitenden Verlust des Sehvermögens führt, kann aber auch durch eine Langzeitanwendung von Glucocorticoiden ausgelöst werden. Das Risiko steigt bei Einnahme hoher Dosen und mit zunehmender Therapiedauer. Auch einige andere Arzneistoffe wie 8-Meth­oxypsoralen, Phenothiazine und Busulfan können bei längerer ­Anwendung zur Entstehung einer Katarakt führen.

Glucocorticoide sind zudem der häufigste Auslöser eines arzneimittelinduzierten erhöhten Augeninnendrucks. Ein deutlich erhöhter Druck kann den Sehnerv schädigen und die Sehkraft gefährden. Betroffene bemerken das ein Glaukom (Grüner Star) an Gesichtsfeldausfällen, die meist punktuell oder bogenförmig und zunächst beschränkt auf den Rand­bereich des Sichtfeldes auftreten. Wichtig für die Beratung ist der Hinweis, dass sich Patienten, die über einen längeren Zeitraum Glucocorticoide einnehmen, regelmäßig beim Augenarzt vorstellen sollten.

Eine spezielle Form des Grünen Stars ist das Engwinkelglaukom. Es kann als Nebenwirkung zum Beispiel durch Anticholinergika und anticholin­erg wirkende Antidepressiva wie Tri- und Tetrazyklika oder selektive Sero­tonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), Anti­psychotika und einige Diuretika ausgelöst werden. Diese Medikamente verursachen eine Pupillenerweiterung. Dadurch wird die Regenbogenhaut (Iris) in den Kammerwinkel verlegt und der Abfluss blockiert. Insbesondere bei Menschen mit flachen Vorderkammern besteht ein erhöhtes Risiko für ein ­akutes Winkelblockglaukom, bei dem der Verlust des Sehvermögens droht. Es handelt sich dabei um einen ophthalmologischen Notfall, der sich unter ­anderem mit starken Kopfschmerzen,  Übelkeit und Erbrechen und dem ­Sehen von farbigen Ringen um Lichtquellen äußern kann.

Schäden an der Netzhaut

Patienten, die Gerinnungshemmer einnehmen, tragen ein erhöhtes Risiko für Blutungen in der Netzhaut (Retina) und Makula. Auch die Einnahme von Ginkgo-biloba-Präparaten kann zu Netzhautblutungen führen, vor allem wenn sie zusammen mit Antikoagulanzien eingenommen werden. Betroffene berichten von schwarzen Punkten, die bei einer Blutung im oder am Glaskörper wie ein »Rußregen« im Sichtfeld ­erscheinen. Ohne Gegenmaßnahmen können Patienten erblinden.

Einige Arzneistoffe können Veränderungen der Retina verursachen. Wenn eine Patientin, die Tamoxifen einnimmt, in der Apotheke über eine gestörte Farbwahrnehmung klagt und weniger scharf sieht, kann das Medikament die Ursache sein. Der Wirkstoff kann zu kristallinen Ablagerungen in der Retina führen. Die Nebenwirkung tritt normalerweise bei höheren Tam­oxifen-Dosen auf. Frauen, die das Arzneimittel anwenden, sollten auf eine regelmäßige augenärztliche Kontrolle hingewiesen werden.

Irreversible Schäden der Netzhaut können auch durch die Malariamittel Chloroquin und Hydroxychloroquin ausgelöst werden. Sie binden an das Pigmentepithel der Retina. Es entsteht die sogenannte Bull’s-Eye- oder Schießscheiben-Makulopathie. Dabei degeneriert retinales Pigmentepithel im ­Makulabereich und es bildet sich eine zentrale dunklere Zone, die von einer zirkulären helleren Zone umgeben ist. Das Risiko für die Augentoxizität steigt mit höheren Arzneimitteldosen, längerer Therapiedauer und höherem Lebens­alter des Patienten. Vor Beginn der Therapie und alle sechs Monate sollte der Augenarzt die Sehschärfe, das Farbsehvermögen, das Gesichtsfeld und den Augenhintergrund untersuchen. Bei Veränderungen der Retina sollte das Medikament sofort ab­gesetzt und, wenn erforderlich, ein ­anderes Malariamedikament verschrieben werden. Ebenfalls netzhauttoxisch wirken Thioridazin, Chlorpromazin und Phenothiazine.

Eine Entzündung des Sehnervs ist eine seltene, aber schwerwiegende ­Nebenwirkung. Bei einer toxischen ­Optikusneuropathie können Patienten einen beidseitigen, schmerzlosen Sehverlust erleiden. Berichtet wurde diese Reaktion unter anderem bei Amiodaron, Ethambutol, Isoniazid, Ciprofloxacin und Chloramphenicol. Das Risiko steigt mit höheren Dosen, bereits vorhandenen Sehnervschäden und Dia­betes mellitus. Die Störungen können meistens behoben werden, wenn die Medikation rechtzeitig angepasst wird.

Lästig, aber meist harmlos

Ein häufiges Anliegen für die Selbst­medikation ist das trockene Auge. Als ­Nebenwirkung kann es zum Beispiel bei anticholinergen Arzneimitteln auftreten. Sie greifen in die Funktionen des vegetativen Nervensystems ein und hemmen unter anderem die Sekretion von Tränenflüssigkeit. Augen­befeuchtungsmittel, entweder in flüssiger Form oder in der besser haftenden Gelform, sorgen bei regelmäßiger Anwendung für spürbare Besserung.

Eine weitere störende Nebenwirkung ist die Hornhautwirbel-Kerato­pathie. Dabei lagern sich Arzneistoffe wie Amiodaron, Chloroquin, Hydroxy­chloroquin, Indometacin oder Tamoxifen auf der Epithelschicht der Hornhaut ab und bilden ein wirbelartiges Muster. Bei Sehstörungen wie Schleiersehen muss die Dosis reduziert ­werden. Die typischerweise beidseitig auftretenden Ablagerungen bilden sich sechs bis zwölf Monate nach Absetzen der Medikation zurück. Da diese unerwünschte Arzneimittelwirkung recht häufig ist, kann das Apothekenteam darauf hinweisen, wenn es entsprechende Arzneistoffe abgibt.

α1-Blocker wie Tamsulosin können ein sogenanntes intraoperatives Floppy-Iris-Syndrom auslösen. Das bei der Behandlung des benignen Prostatasyndroms verwendete Medikament blockiert α1-adrenerge Rezeptoren im Dilatatormuskel des Auges. Dadurch drohen Komplikationen während einer Kata­raktoperation. Das Medikament vor dem Eingriff abzusetzen, hilft nicht unbedingt, da sich die Veränderungen nicht immer zurückbilden. Betroffene sollten jedoch den Chirurgen von der Einnahme informieren. Der Arzt kann dann bei der OP Vorsichtsmaßnahmen treffen, um Irisschäden zu verhindern

Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, Patienten über eine potenzielle Augentoxizität ihrer Arzneimittel aufzuklären. Bei bereits eingetretenen Schäden denken Patienten meist nicht von sich aus an eine mögliche Nebenwirkung. Dabei lässt sich durch Maßnahmen wie regelmäßige Kontrolluntersuchungen und falls erforderlich eine Dosisreduktion oder ein Präparate-Wechsel das Risiko für bleibende Einbußen der Sehkraft minimieren.

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