Das E-Rezept im EU-Vergleich |
Wie sind die Datenschutz-Anforderungen zur E-Rezept-Einlösung in anderen europäischen Ländern? / Foto: imago stock&people
Die Einführung des E-Rezepts kommt aus mehreren Gründen nicht voran. Neben einem Motivationsmangel der Ärzte führen auch technische Probleme und Datenschutz-Diskussionen dazu, dass es aus Patientensicht noch keine überzeugende (digitale) Lösung für das E-Rezept gibt – bis auf die Variante, die E-Rezept-Codes auf Papier auszudrucken. Mit Blick auf die technischen Hürden hakt es im Speziellen bei den Einlösewegen des E-Rezepts. Der digitale Königsweg sollte eigentlich die Einlösung über die Smartphone-App der Gematik werden. Hier gibt es aber ein überkomplexes Registrierungs- und Identifizierungsverfahren, das es den Patienten fast unmöglich macht, die Anwendung zu nutzen.
Konkret geht es darum, dass im SGB V (Paragraph 336) vorgeschrieben ist, dass die Identifizierung in der E-Rezept-App entweder über eine digitale Identität der Versicherten oder über einen sicheren Zugang via elektronische Gesundheitskarte (EGK) ermöglicht werden soll. Da es noch keine digitalen Identitäten gibt, bleibt ein sicherer EGK-Zugang. Bei der EGK wiederum ist das Problem, dass nur ein Bruchteil der GKV-Versicherten in Deutschland über eine PIN für die eigene EGK verfügt und sich somit nicht via Gesundheitskarte in der App anmelden kann. Hinzu kommt, dass man sich zur Registrierung auf die komplexe NFC-Technologie eingeschossen hat, bei der die Versicherten ihre EGK an das Smartphone halten müssen, um sich zu identifizieren. Zur Erinnerung: Nicht alle Smartphones sind zudem mit der NFC-Technologie ausgestattet.
Vor diesem Hintergrund lohnt sich ein Blick ins benachbarte, europäische Ausland: Wie gehen andere Länder, in denen das E-Rezept schon fester Bestandteil der Versorgung ist, mit der Einlösung und der Identifizierung der Patienten um? Gelten dort ähnlich hohe Anforderungen wie hierzulande?
Bei unseren Nachbarn in Österreich gibt es das E-Rezept seit dem 1. Juli dieses Jahres flächendeckend. Ärzte speichern die Verordnungen auf einem zentralen Server. Mit dem Stecken der E-Card können Patienten in der Apotheke die Apotheke damit beauftragen, die Rezepte zu beliefern. Die Patienten können auch einen (gescannten) QR-Code oder eine zwölfstellige Rezept-ID vorlegen, damit die Apotheke die Verordnung abruft. Zur digitalen Einlösung der E-Rezept-Codes müssen sich die Patienten erstmals mit einem Personalausweis bei einer Regierungsbehörde vorstellen, um sich dort für das ID-System »ID Austria« zu identifizieren. Ist die Identifizierung einmal erfolgt, können die Patienten alle weiteren E-Rezept-Einlösungen nach Passwort-Eingabe in der Smartphone-App problemlos durchführen. Anforderungen an die Hardware des Smartphones (wie etwa die NFC-Technologie) gibt es nicht.
Auch in Großbritannien läuft der Prozess ähnlich ab. Patienten, die ihre Verordnungen digital einlösen möchten, können dies beispielsweise über die Smartphone-App des nationalen Gesundheitsdienstes National Health Service (NHS) tun. Erstmalig müssen sich die Patienten über ein Video-Ident-Verfahren (mit Ausweis oder Führerschein) identifizieren. Die wiederholte Anmeldung in der App zur E-Rezept-Einlösung ist dann über die Eingabe von Username und Passwort möglich. Bei der erstmaligen Nutzung wird zudem ein sechsstelliger Code an das jeweilige Smartphone geschickt, um den Nutzer zu identifizieren.
In Belgien gibt es ein zentrales, digitales ID-System («Itsme«), mit dem die Bürger unter anderem ihre elektronische Patientenakte einsehen und E-Rezepte einlösen können. Die QR-Codes der E-Rezepte können aber auch in externe Apps (beispielsweise von Apotheken-Plattformen) übertragen werden, um sie dann an Apotheken zu übertragen. Für die Nutzung dieser Systeme müssen die Bürger bei »Itsme« identifiziert sein, danach können sie die Einlösewege mit Gerätebindung und nach Eingabe eines Passwortes nutzen. Für die erstmalige Identifizierung bei »Itsme« benötigen die Nutzer einen Ausweis oder eine Bankkarte. Auch in Finnland gibt es mit »Mobile ID« ein digitales Identifizierungsverfahren, das die Bürger gleich für mehrere Bereiche nutzen können, beispielsweise auch bei bürokratisch-behördlichen Angelegenheiten. Für alle Gesundheitsangebote gibt es den staatlich organisierten, digitalen Fachdienst »My Kanta«, auf dem die Nutzer unter anderem E-Rezepte übertragen und Patientenakten einsehen können. Die erstmalige Anmeldung erfolgt über »Mobile ID«, aber auch über die Online-Banking-Zugangsdaten oder den E-Personalausweis.
In Dänemark und Schweden sind rund 99 Prozent aller Verordnungen bereits elektronisch. Bei unseren dänischen Nachbarn gibt es einen zentral gespeicherten, digitalen Medikationsplan – alle Akteure im Gesundheitswesen sind verpflichtet, diesen zu aktualisieren. Zur erstmaligen Aktivierung und zur wiederholten Nutzung der Akte und der Einlösung von E-Rezepten gibt es neuerdings das Verfahren »MitID«. Dabei registrieren sich die Bürger in einer Behörde via Ausweis und erhalten dann ein Gerät, das nach Aufforderung des Bürgers jeweils einen neuen Aktivierungscode anzeigt, der dann nach Aufforderung im zentralen Gesundheitssystem eingegeben werden muss. Auch in Schweden gibt es mit »Freja ID« ein ähnliches Verfahren, hinzu kommt dort noch die Möglichkeit der Erstregistrierung über die Bankdaten. Ähnlich wie in Deutschland gibt es in Schweden einen zentralen, autarken E-Rezept-Server, auf den alle Apotheken zugreifen können. Der Patient kann die Apotheke nach Eingabe seiner Bank-ID oder seiner »Freja-ID« entweder vor Ort oder digital beauftragen, E-Rezepte zu beliefern.
Interessant ist auch, dass Frankreich ein Verfahren verwendet, das der Datenschutz in Deutschland erst kürzlich untersagt hat. Mit der Gesundheitskarte »Carte Vitale«, die der Patient in die Lesegeräte der Apotheke steckt, wird die Apotheke befähigt, alle offenen E-Rezepte des Patienten einzusehen. Hierzulande hatten die Datenschützer dieses Verfahren abgelehnt, weil die Apothekenteams ohne PIN-Eingabe der Kunden möglicherweise Daten kriminell entwenden könnten. Zudem baut Frankreich derzeit eine Smartphone-App zur »Carte Vitale« auf, mit der künftig auch eine digitale Einlösung von Rezepten möglich sein soll.
Blickt man auf diese Ergebnisse, fällt zunächst auf, dass sich die Verfahren in den einzelnen Ländern stark ähneln. Nach einer erstmaligen Identifizierung mit hohem Sicherheitsniveau (via Ausweis oder Video-Ident) sind die nachfolgenden Nutzungen erleichtert möglich, meistens über eine Passwort-Eingabe. In keinem von uns geprüften Land werden Hardware-Anforderungen an die Nutzung des E-Rezept-Systems gestellt, wie es sie in Deutschland (NFC-Technologie) gibt. Zuträglich für die breite Nutzung der E-Rezept-Systeme in der Gesellschaft ist sicherlich, dass viele Länder ein zentrales, digitales und sektorenübergreifendes Identifizierungssystem haben, das die Bürger für mehrere Bereiche (Behörden, Patientenakte, E-Rezepte, etc.) nutzen können. Auch ein solches zentrales ID-Verfahren gibt es in Deutschland nicht.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.