Das Anti-Pickel-Programm |
Pickel sind kein reines Teenager-Problem. / Foto: Getty Images/Annie Engel
Hautunreinheiten machen zunehmend auch Erwachsenen, meist Frauen, zu schaffen. Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft schätzt, dass etwa jede vierte Frau zwischen 25 und 45 Jahren, die in ihrer Jugend zum Teil, aber nicht zwingend Probleme mit der Haut hatte, von dieser Akne tarda betroffen ist. Während die Unreinheiten in der Pubertät vorwiegend in der T-Zone sitzen, sind es im reiferen Alter vornehmlich die Wangen, der Bereich zwischen Mund und Nase sowie die Kinnpartie, die heimgesucht werden. Die Ursachen für das immer häufigere Auftreten sind nicht eindeutig geklärt.
Der Einfluss der Hormone drängt sich förmlich auf. Schließlich ist die Abhängigkeit der prämenstruellen Akne vom Zyklus ganz offensichtlich. Den Betroffenen sind etwa eine Woche vor Einsetzen der Regelblutung die Unreinheiten und die Entzündungsröte ins Gesicht geschrieben. Vermutlich liegt eine individuelle Überempfindlichkeit der Talgdrüsen gegenüber Androgenen, allen voran Testosteron, vor. Dieses spielt eine wesentliche Rolle bei der Zunahme des Talgdrüsenvolumens und der erhöhten Talgproduktion. Sowohl eine erhöhte Aktivität des androgenen Schlüsselenzyms 5alfa-Reduktase als auch eine erhöhte Anzahl der Androgenrezeptoren am Haarfollikel bei Akne-Betroffenen in jedem Alter sind belegt.
Auch Stress scheint das Hormongeschehen nicht unbeeindruckt zu lassen. Adrenalin und Noradrenalin heizen die Androgenproduktion zusätzlich an und setzen in der Haut Entzündungsprozesse in Gang, indem das Miteinander bestimmter Neuropeptide, die wiederum für die Regulierung der Talgdrüsen zuständig sind, außer Balance gerät.
Doch nicht nur genetische Veranlagung und das Wechselspiel der Hormone schlagen sich im Hautbild nieder. Dass auch die Ernährungsweise ein wichtiger Einflussfaktor im Akne-Geschehen ist, zeigen epidemiologische Beobachtungen in ursprünglich lebenden Kulturen. So ist die Bevölkerung Papua-Neuguineas oder im ländlichen Brasilien, wo kaum Monosaccharide in der Nahrung zu finden sind, völlig aknefrei. Hierzulande sind dagegen drei Viertel der Teenager und immer mehr Erwachsene betroffen.
So sollen vor allem Nahrungsmittel mit einem hohen glykämischen Index wie Back- und Süßwaren, Frittiertes und Fast Food sowie insulinotrope Frischmilchprodukte - mit Ausnahme von Käse - die Pickelentstehung befeuern. Der glykämische Index gibt an, wie stark und schnell der Blutzucker und in der Folge Insulin ansteigt. In der Kuhmilch sind es vor allem die Molkeproteine, die in den Betazellen der Bauchspeicheldrüse bereits nach 30 Minuten die Insulinsekretion ankurbeln.
Häufiger Milchkonsum bewirkt außerdem eine vermehrte hepatische Bildung des verwandten Hormons IGF-1 (Insulin-like Growth Factor 1). Beide, Insulin und IGF-1, sind potente Stimuli für Akne. Der Fettgehalt der Milch spielt dagegen keine wesentliche Rolle. Fettarme Milch facht durch ihre Molkeproteine das Aknegeschehen sogar stärker an als normale Vollmilch, wie eine aktuelle indische Studie erneut bestätigt.
Die Pathophysiologie, die dahintersteckt: Insulinotrope Nahrungsmittel – Experten schätzen, dass sie hierzulande derzeit mehr als 50 Prozent der Kalorienaufnahme ausmachen – sind aus metabolischer und dermatologischer Sicht sehr ungünstig. Da Talgdrüsen und Keratinozyten – in der Pubertät von Androgenen ohnehin kräftig stimuliert - über Rezeptoren für Wachstumsfaktoren wie IGF-1 verfügen, werden Talgproduktion und Zellproliferation hochgefahren. Es resultiert eine Dauerstimulation durch die Wachstumssignale von IGF und Insulin. Das führt zu einer metabolischen Dekompensation, was sich klinisch als Akne äußert.
Als dritte Komponente, die die Erscheinungsform der Spätakne prägen, sehen Dermatologen eine ungeeignete Pflege mit Präparaten, die nicht zum Hauttyp passen. Auch wenn mangelnde Hygiene keine Akne verursacht, so kann die Verwendung ungeeigneter Präparate das Hautbild verschlechtern. So verwenden viele Frauen im Glauben, ihrer Haut Gutes zu tun, reichhaltige Nachtcremes oder Anti-Aging-Zubereitungen. Doch das, was den beginnenden Fältchen und der Trockenheit entgegenwirkt, facht das andere Hautproblem erst recht an: Während ältere Haut nach Lipiden lechzt, sollten sie in Präparaten für Akne-Haut nur sparsam enthalten sein. Ansonsten würden die überbordenden Talgdrüsen nur noch mehr verstopfen. Kurzum: Zubereitungen mit der Zweckbestimmung »bei zu Akne neigender Haut« oder »bei unreiner Haut« sind für reifere Haut meist zu aggressiv, reichhaltigere Pflege behindert dagegen den Talgabfluss und treibt damit die Entwicklung von Akneknötchen voran.
Auch häufiges Reinigen mit herkömmlichen Peelings - in der Hoffnung, die Haut zu klären -, kann einen Bärendienst erweisen. Denn jeder Peelvorgang putzt Lipide aus der Haut, der körpereigene Säureschutzmantel wird zerstört. Und ist die Haut erst Mal sensibilisiert, reagiert sie verstärkt auf Konservierungs-, Farb- und Duftstoffe.
Die modernere Form eines Peelings ermöglichen heute gewissermaßen Retinoide. Gegen die unterschiedlichsten Hautprobleme von Akne-Pusteln, Fältchen, großen Poren bis Pigmentflecken scheinen sie die Lösung zu sein. Professorin Dr. Christiane Bayerl, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie der Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden, erklärt wieso. »Retinoide wirken leicht abschuppend und bekommen so die verstopften Talgdrüsengänge bei Akne-Haut wieder frei. Das Besondere: Sie binden an spezifische Zellkernrezeptoren und geben dort Informationen weiter, die für die Differenzierungsregulation verantwortlich sind, sodass eine zu schnelle Proliferation wieder herunterreguliert wird. In der Folge bleibt also der Talgdrüsenausführungsgang offen. Dieser keratolytische Effekt passt nicht nur bei Akne, sondern auch im Kampf gegen die Hautalterung und bei Hyperpigmentierungen. Die toten Schüppchen, die wir loswerden wollen, werden quasi abgeschält. Wenn Licht auf unsere Haut trifft, wirkt sie glatter und erscheint in einem gewissen Glanz wie frisch gepeelt, neudeutsch auch als Glow bezeichnet.«
Eigentlich kennt man ihr Potenzial in der Medizin schon seit Jahren: Dermatologen schätzen die evidenzbasierte Wirkung von Vitamin-A-Säure, besser bekannt unter der Bezeichnung Tretinoin, gegen Akne. Aufgrund seiner Potenz kommt es freilich für die Selbstmedikation nicht in Betracht. In Form seiner Derivate wie Retinol, Retinaldehyd (Retinal) oder Retinylester hat es jedoch den Weg in die Kosmetik gefunden.
Bayerl bezeichnet die Vitamin-A-Säure-Präparate als die am besten untersuchten und effektivsten Topika im Anti-Aging-Bereich. »Es liegen histologisch kontrollierte Studien bei Männern und Frauen vor, die nachweisen, dass auch die in der Kosmetik verwendeten Vitamin-A-Säure-Derivate die Kollagenbildung anregen, die Faltentiefe herabsetzen und die Verbindung zwischen Epidermis und Dermis verbessern. Hinzu kommt die Wirkung gegen Akne.«
Wie schätzt die Dermatologin die Effektivität der Retinoide im Vergleich zu Fruchtsäuren ein? »An der Oberfläche wirken Fruchtsäuren sehr ähnlich. Auch sie schälen Hautschüppchen ab und sie können irritativ wirken. Doch was die Differenzierungsförderung anbelangt, sind die Retinoide überlegen, und zwar dadurch, dass sie am Zellkern angreifen und die follikuläre Verhornung wieder herunterregulieren.«