Dank richtiger Ernährung länger leben – so geht’s |
Lieber weniger, aber gesund und mit Genuss essen lautet das Erfolgsrezept. / Foto: Getty Images/Westend61
Die Ernährung lässt sich als ein wichtiger Einflussfaktor Langlebigkeit im Gegensatz zu Genen oder bestimmten Lebensumständen beeinflussen. Dabei geht es zunehmend nicht nur darum, was in welcher Menge und Qualität auf den Teller kommt, sondern auch um das Wann. In einer Übersichtsarbeit im Fachblatt «Cell» haben die US-Alternsforscher Valter Longo und Rozalyn Anderson den Kenntnisstand zusammengefasst.
Das Duo spricht davon, dass man besser die Energiezufuhr begrenzen und öfter mal fasten sollte, um Krankheitsrisiken zu minimieren und die Lebenserwartung zu steigern. Die Kernmerkmale einer wohl optimalen Ernährungsform umreißen sie so:
Für den Alltag in der Küche übersetzt heißt das: «Viele Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte und Gemüse; etwas Fisch; kein rotes oder verarbeitetes Fleisch und sehr wenig weißes Fleisch; wenig Zucker und raffiniertes Getreide; gute Mengen an Nüssen und Olivenöl und etwas dunkle Schokolade», sagt Longo laut einer Mitteilung. Optimal sei es, nur innerhalb eines täglichen Zeitfensters von elf bis zwölf Stunden zu essen und mehrere Fastenphasen im Jahr einzulegen.
Langlebigkeit ist sozusagen Longos Lebensthema: Er ist Direktor des Longevity-Instituts an der University of Southern California in den USA und Autor mehrerer Bücher. Auf seiner Homepage gibt er Tipps, wie man jung bleibt und listet sogenannte Langlebigkeits-Rezepte. Die dürften Fleischliebhaber zwar enttäuschen, klingen aber auch nicht völlig genussfeindlich, zum Beispiel Couscous mit Fisch, Brotsalat aus der Toskana und Pasta mit Auberginen. Longo gründete zudem eine Firma mit Produkten für Fastenkonzepte, was er im Anhang der Studie zu seinen Interessenkonflikten angibt.
Longo und Anderson unterstreichen in ihrer Arbeit, dass eine Anti-Aging-Ernährung an den einzelnen Menschen angepasst sein sollte. Die eine Lösung, die für einen fitten 20-Jährigen genauso geeignet ist wie für einen 60-Jährigen mit Stoffwechselerkrankung, gebe es nicht. Geschlecht, Alter, Lebensstil, Gesundheitszustand und Gene müssten berücksichtigt werden, schreiben sie. So könnten Menschen über 65 etwa zusätzliches Eiweiß brauchen, heißt es.
Für Kristina Norman, Alternsforscherin am Deutschen Institut für Ernährungsforschung, sind solche Anpassungen ein ganz wichtiger Punkt: «Im Alter ist es oft schwierig, genug Protein aufzunehmen. Zu wenig davon kann zu Muskelabbau und in der Folge zu erhöhter Sturz- und Bruchgefahr führen. Dann also doch etwas mehr Fleisch zu essen als generell empfohlen, kann ratsam sein.»
Das Autorenduo blickt auf ein breites Spektrum an Arbeiten: Angefangen bei Studien zu Hefepilzen, Würmern oder Fliegen bis hin zu klinischen Daten und Modellierungen. Hinzu kommen Erkenntnisse zur traditionellen Ernährung an Orten, wo viele Menschen sehr alt werden. «Eine Studie, in der eine Gruppe die von Longo empfohlene Diät zugewiesen bekommt, und in der die Lebensdauer am Ende mit einer Kontrollgruppe verglichen wird, wäre sehr schwer umzusetzen. Deshalb nähern sich die Autoren, indem sie unterschiedliche Evidenz zusammenfassen», sagte Norman.
Sie hält die Thesen Longos und Andersons für überzeugend belegt. Es gebe viele Parallelen zu bekannten Empfehlungen, etwa denen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, und auch zu einem Speiseplan, den Wissenschaftler vor einiger Zeit für eine gesunde und gleichzeitig umweltgerechte Ernährung vorgeschlagen haben, die sogenannte Planetary Health Diet. «Anders als oft angenommen, ändern sich Empfehlungen zu gesunder Ernährung nicht alle paar Jahre. Übergeordnet sind sie sehr stabil», sagte Norman. «Die Longo-Studie kann man als alten Hut sehen, aber das Thema ist neu gedacht und immer stärker mit Evidenz unterlegt.»
Für Bernhard Watzl, den ehemaligen Leiter des Instituts für Physiologie und Biochemie der Ernährung am Max Rubner-Institut, zeigt die Übersichtsarbeit vor allem, dass Menge und Qualität der Ernährung entscheidend für ein langes Leben seien. «Es gilt, eher zu wenig Energie aufzunehmen als zu viel.» Zu den dahinterliegenden Mechanismen im Körper erklärt er: «Je mehr ein System gefordert ist, desto mehr verschleißt es.» Wichtig sei vielmehr, den Körper auf niedrigem Niveau zu fordern.
Beim Thema Fasten ist Watzl allerdings weniger überzeugt von der bisherigen Datenlage als Longo: «Fasten ist nur etwas für die Menschen, die es nicht schaffen, ihre Energieaufnahme zu begrenzen», sagte er. Dann könne der zeitweise Verzicht auf Nahrung etwa helfen, bestimmte Rezeptoren im Körper wieder zu sensibilisieren.
Generell sei es im Lauf eines Lebens nie zu spät für gesunde Ernährung, betont Watzl. Bei manchen Erkrankungen, die über Jahrzehnte hinweg im Körper entstehen, gelte aber: je früher, desto besser. Longo antwortete auf dpa-Anfrage, dass sich selbst bei 60- oder 80-Jährigen laut einer Studie die Lebenserwartung noch um mehrere Jahre steigern ließ, wenn viele der auch von ihm propagierten Vorschläge umgesetzt wurden.
Bei der Qualität der Nahrung sieht Watzl so manche Gewohnheiten hierzulande als positiv an: etwa Vollkornbrot oder Müsli zu essen. «Auf das Brot kommen aber schnell zu viel Käse oder Wurst. Oder es wird helles Brot gegessen.»
Generell raten Longo und Anderson zu kleinen Veränderungen der Ernährung und raten von radikaler Umstellung ab. Viele dürften das Problem von Diätversuchen kennen: Ist der Plan zu restriktiv, lässt er sich nicht auf Dauer durchhalten. Ein Jojo-Effekt ist die Folge.