DAC/NRF feiern 50-jähriges Jubiläum |
Annette Rößler |
30.06.2022 18:00 Uhr |
Eine Geburtstagstorte gab es zwar nicht für DAC/NRF, dafür aber eine Festveranstaltung mit vielen Gratulanten. / Foto: Adobe Stock/Inga
Streng genommen war es aber zunächst nur der DAC, der im Herbst 1972 als zweiteiliges Werk herausgegeben wurde. Teil 1 enthielt verschiedene Tabellen und Verzeichnisse sowie eine vergleichende Aufstellung über sieben verschiedene Arzneibücher, Teil 2 Monographien von Arzneistoffen, Drogen und Hilfsstoffen zur Arzneimittelherstellung. »Aus unserer heutigen Sicht mutet uns das alles zwar bekannt an, aber auch ein wenig anrührend altertümlich«, sagte Dr. Jens-Andreas Münch, Vorsitzender der DAC/NRF-Kommission, bei der Festveranstaltung zum Jubiläum im Apothekerhaus in Berlin. »Aber das war eben damals der Stand der Wissenschaft und man kann mit Fug und Recht behaupten, dass DAC/NRF über die Jahre hinweg diesem nicht nur entsprochen hat, sondern auch selbst Maßstäbe gesetzt hat.«
Dabei sei es stets gelungen, Methoden zu entwickeln, die bei der Herstellung von Rezepturarzneimitteln in der Apotheke dieselbe hohe Qualität sicherstellen, wie sie von industriellen Arzneimitteln gefordert ist. »Richtig rund« sei der DAC dann 1983 geworden, als das von der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker herausgegebene NRF mit aufgenommen wurde. »Dieses ersetzte die weitgehend obsoleten Deutschen Rezepturformeln und mit der Integration der gebräuchlicher Rezepturformeln der bis 1990 in der DDR offizinellen Standardrezepturen wurde dann gewissermaßen auch auf fachlichem Gebiet eine Wiedervereinigung vollzogen«, erinnerte Münch.
Apotheker Dr. Jens-Andreas Münch ist Vorsitzender der DAC/NRF-Kommission. / Foto: LAK Sachsen-Anhalt (Archivbild)
Heute sei DAC/NRF das Standardwerk für die Herstellung – und es sei mit der Zeit gegangen. Als wichtige Neuerungen nannte Münch die Einrichtung der DAC/NRF-Informationsstelle, die Herausgabe von DAC/NRF auf CD-ROM und online mit den Rezepturhinweisen, dem Rezepturfinder, Rechenhilfen und Arbeitsunterlagen. »Passend zum Jubiläum wurde die Website nun gerade einem Relaunch unterzogen.«
Auch ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening betonte in ihrem Grußwort: »50 Jahre DAC/NRF ist wahrlich ein Anlass zum Feiern.« Das Werk habe sich von einer Ergänzung zum Arzneibuch über die Jahre zu einer »pharmazeutischen Vielzweckwaffe« entwickelt. »Darauf können wir alle stolz sein«, sagte Overwiening.
Besonders große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erfuhr die Herstellung von Rezepturarzneimitteln in der Apotheke 2017, als der Einsatz von Cannabis zu medizinischen Zwecken legalisiert wurde. Eingesetzt werden meist die Blüten von Cannabis sativa, aber eine entsprechende Monographie im Deutschen Arzneibuch (DAB) gab es zunächst nicht. DAC/NRF sorgte mit passenden Vorschriften und Monographien dafür, dass die Herstellung von Cannabis-haltigen Rezepturen qualitätsgesichert stattfinden konnte.
Professor Dr. Werner Knöss, Vizepräsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und als Leiter der dort angesiedelten Cannabisagentur zuständig für die Steuerung und Kontrolle von medizinischem Cannabis in Deutschland, war einer der Festredner bei der Jubiläumsveranstaltung. Er bekannte: »Von der Seite der Fertigarzneimittel kommend hätte ich nicht gedacht, dass es so schwierig sein könnte, die Anforderungen auf die Rezepturarzneimittel zu übertragen.« Die ergänzenden Vorschriften von DAC/NRF seien sehr wichtig für die Apotheken, denn bei Cannabis handele es sich »wie in kaum einem anderen Fall um eine großflächige Nutzung eines Rezepturarzneimittels«.
Abgesehen von diesem Spezialfall sind die Ärzte, die am meisten Rezepturarzneimittel verordnen, sicherlich die Dermatologen. Und gerade weil sie so viel damit zu tun haben, wissen sie die Inhalte von DAC/NRF besonders zu schätzen. Professor Dr. Petra Staubach-Renz gehört der DAC/NRF-Kommission an, ist an der Uniklinik in Mainz als Oberärztin in der Dermatologie tätig und kümmert sich dort als Unterrichtsbeauftragte um die Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses. »Alle jungen Assistenzärzte bekommen bei uns als erstes die standardisierten DAC/NRF-Rezepturen als Formelsammlung für die Kitteltasche«, berichtete sie.
Als Ärztin verordne sie immer dann ein Rezepturarzneimittel, wenn kein passendes Fertigarzneimittel zur Verfügung stehe. Viele Patienten seien sehr beeindruckt, wenn ein Arzneimittel speziell für sie hergestellt werde. »Das sorgt für ein gutes Arzt-Patienten-Verhältnis und stärkt die Adhärenz.« Dank DAC/NRF habe die Qualität und dadurch auch der Stellenwert der Magistralrezeptur massiv verbessert werden können. Zudem seien die therapeutischen Nischen, für die es weder adäquate Fertigarzneimittel noch standardisierte Rezepturen gebe, mittlerweile sehr klein geworden. Dafür bedankte sie sich ausdrücklich bei DAC/NRF.
Ein großes Betätigungsfeld für DAC/NRF ist seit einigen Jahren die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM). »Wir haben uns vorgenommen, die TCM auf eine solide Basis zu stellen«, sagte Dr. Gerhard Franz, emeritierter Professor für pharmazeutischer Biologe an der Universität Regensburg und Mitglied der DAC/NRF-Kommission. Dass das ein Mammutprojekt ist, machte Franz anhand einiger Zahlen deutlich: In China seien mehr als 10.000 pflanzliche, tierische und mineralische Drogen im Handel, für etwa 500 davon gebe es Monographien im aktuellen chinesischen Arzneibuch, circa 5000 industrielle TCM-Präparate seien patentiert und in TCM-Kliniken würden rund 7500 Rezepturen therapeutisch genutzt.
In Europa erfreut sich die TCM als alternative Heilmethode wachsender Beliebtheit, doch ist es meist sehr schwierig bis unmöglich, die Qualität der Präparate zu überprüfen. »Die Verarbeitung erfolgt in der Regel in China und es gibt dafür keine Standardvorgehensweise, man weiß also nicht, was dabei genau passiert«, erklärte Franz. Inzwischen gebe es 90 Monographien für TCM-Präparate und DAC/NRF arbeite daran, die Lücken zu schließen.