| Alexandra Amanatidou |
| 20.11.2025 15:00 Uhr |
Für die Apothekerkammer Schleswig-Holstein ist die fehlende Honorarerhöhung für Apotheken ein »Wortbruch« der Regierung. / © PZ/ Alexandra Amanatidou
Das von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) genutzte Narrativ, die Finanzlage der Gesetzlichen Krankenversicherung sei schwierig und rechtfertigt aus Sicht des Kammerpräsidenten Kai Christiansen nicht die ausbleibende Honorarerhöhung. »Denn diese Lage war bereits bei der Erarbeitung des Koalitionsvertrags bekannt.« Es handele sich daher um ein politisches statt um ein ökonomisches Argument. Im Laufe der Versammlung wurde außerdem die Frage aufgeworfen, warum die Apotheken nicht aus dem Topf der Bundeswehr finanziert werden, da sie ebenfalls zur kritischen Infrastruktur des Landes gehören. »Die geopolitische Lage erfordert die Stabilität der Apotheken«, hieß es.
Christiansen, der selbst CDU-Mitglied ist, sieht überwiegend die CDU in der Verantwortung für die Vernachlässigung der Fixumerhöhung. Denn sowohl das Gesundheits- als auch das Wirtschaftsministerium werden von der Partei geführt. »Für diese Maßnahme ist die CDU nicht auf die SPD angewiesen. Es handelt sich nicht um eine Kompromissfrage zwischen ideologisch zerstrittenen Partnern.«
Die CDU-Gesundheitspolitikerin Simone Borchardt hatte hingegen beim Apothekengipfel in Grevesmühlen der SPD die Schuld gegeben.
Für Christiansen stellt die ausbleibende direkte Honorarerhöhung einen moralischen und demokratischen Bruch dar. »Für diesen Wortbruch trägt einzig und allein die CDU die Verantwortung. Sie muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die Demokratie mit Füßen zu treten«, so Christiansen. »Wenn die CDU bei diesem Wortbruch bleibt, werde ich aus dieser Partei austreten müssen.«
Der Kammerpräsident argumentiert, dass der »Wortbruch« zu einem Vertrauensverlust führe. Zudem bezieht er sich auf die Äußerung des parlamentarischen Staatssekretärs im Gesundheitsministerium, Georg Kippels (CDU). Dieser hatte im Rahmen einer Veranstaltung die Apotheken aufgefordert, »lauter« zu werden. Dies führe zur »Dominanz der Lautesten«, so Christiansen. Sachargumente würden gegen das Extreme an Bedeutung verlieren und die Politik würde nicht mehr dem Besseren, sondern dem Lauteren folgen.
Für den Kammerpräsidenten bedeutet die ausbleibende Honorarerhöhung eine Gefährdung systemrelevanter Strukturen. »Apotheken sind keine Interessengruppe wie jede andere. Sie sind ein Bestandteil der Daseinsvorsorge.« Eine Demokratie könne es sich nicht leisten, dass systemrelevante Bereiche wie die Arzneimittelversorgung durch Symbolpolitik gefährdet werden. Außerdem warnte er vor Radikalisierung, wie sie in manchen Apothekerkammern bereits zu beobachten sei.
(v.r.n.l.) Till Friedrich, Stellvertretender Geschäftsführer der Apothekerversorgung Schleswig-Holstein; Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein und Felix-Alexander Litty, Geschäftsführer der Kammer / © PZ/ Alexandra Amanatidou
Der Präsident der Kammer forderte mit Blick auf die im Gesetz angedachte Apothekenleitung durch PTA, die »Lauterbach'schen Reformideen endgültig fallenzulassen«. Diese führen seiner Meinung nach zur Abschaffung der Apotheke und des Apothekerberufs.
Bei der vorgesehenen PTA-Vertretung gebe es »gravierende ordnungsrechtliche Bedenken«. Diese werde »strikt« abgelehnt. Denn dadurch sieht die Kammer das Leistungsspektrum der Apotheken auf Kosten der Patientinnen und Patienten eingeschränkt. Außerdem reduziere sich dadurch die Aufgabe der Apotheke auf die Arzneimittelabgabe. Dies würde zu einer Schwächung der Struktur der inhabergeführten Apotheken führen und der Aufhebung des Fremdbesitzverbots den Weg ebnen.
Eine Alternative, die den PTA-Beruf auch attraktiver machen würde, sei der erleichterte Zugang zum Pharmaziestudium sowie die Anerkennung praktischer Lehrveranstaltungen. So hätten PTA künftig die zeitlichen Kapazitäten, neben dem Studium weiterhin als PTA zu arbeiten. Attraktive Weiterqualifizierungsmöglichkeiten gebe es auch durch die Erweiterung der pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL). Darüber hinaus wünscht sich die Kammer eine verpflichtende Ausbildungsvergütung für PTA während der schulischen Ausbildung. Eine Wiederbelebung des Berufs der Pharmazieingenieurinnen und -ingenieure lehnt die Kammer hingegen ab.
Die Erleichterung der Arzneimittelabgabe hingegen bewertet die Kammer positiv. Christiansen sieht die Apotheken jedoch nicht in der Pflicht, selbst eine Diagnose zu stellen, sondern sie sollen die Patientinnen und Patienten an einer Ärztin oder einen Arzt verweisen. »Wir wollen nicht der kleine Arzt sein.«
Auch das Thema Abschaffung der ständigen Dienstbereitschaft wurde angesprochen. Angesichts der stetig sinkenden Zahl von Apotheken würde die Belastung für die verbleibenden Betriebe steigen. Aus Sicht der Kammer schieße der Referentenentwurf über dieses Ziel hinaus, da er den Grundsatz der ständigen Dienstbereitschaft abschaffe. Die Arzneimittelversorgung dürfe sich nicht ausschließlich am Wettbewerb orientieren, sondern soll Teil der Daseinsvorsorge sein. Auch die im Gesetz geplante Abrechnung von Anbrüchen in der Rezeptur sieht die Kammer kritisch. Diese mache die Rezeptur »im Grunde genommen absolut unwirtschaftlich«.
Momentan befänden sich Politik und Apothekerschaft in einer Gesprächsphase. Die große Frage sei, wie es nach dem 17. Dezember aussehen werde, wenn die Apothekenreform vom Kabinett besprochen wurde. Wenn dann keine grundlegenden Korrekturen vorgenommen wurden, »müssen wir ein Ausrufezeichen setzen.« Eine Idee wäre, die Notdienste, die aufgrund sinkender Apothekenzahlen nicht mehr besetzt werden können, unbesetzt zu lassen. Dann könne die Politik sehen, welche Lücken entstehen würden. »Wir müssen radikal auf die Barrikaden gehen, weil die PTA-Vertretung die Abschaffung des Berufs bedeuten wird«, sagte eine Delegierte. Es gebe keine Kammer, die für die Apothekenreform sei, so Christiansen. »Da sind wir uns einig.«
Auch der Apothekertag in Düsseldorf war Thema der Versammlung. Drei Delegierte der Kammer schilderten ihre Erfahrungen. Eine Person berichtete, dass ihr nach der Rede von Warken die Luft ausgegangen sei. »So hatten wir uns das nicht vorgestellt.« Erst am letzten Tag sei die Diskussionsfreude wieder da gewesen. Die darauffolgenden Gespräche zum Thema Vergütung bezeichnete sie als »Theater«. Auch beim Thema Nachwuchs hätten die Delegierten hilflos gewirkt. Dem Beruf gehe es nicht gut, aber man müsse junge Menschen davon überzeugen, sich ihm anzuschließen.
Als Nächstes stand der Punkt »Haushalt 2026« auf der Tagesordnung. Laut der Apothekerkammer werde es im Jahr 2026 zehn Apotheken weniger als im Jahr 2025 in Schleswig-Holstein geben. Die Zahl werde demnach von 555 auf 545 sinken. Insgesamt rechnet die Kammer mit Gesamteinnahmen in Höhe von 2.942.987,13 Euro. Das sind circa 170 Tausend Euro mehr als in diesem Jahr. Doch auch die Ausgaben sollen um circa 80.000 Euro steigen.
Zudem entfällt der Sonderbeitrag in Höhe von 201.856 Euro, der im Jahr 2025 für die Sanierung des Zentrallaboratoriums (ZL) aufgewendet wurde. Außerdem werde die Apothekerkammer Schleswig-Holstein Rücklagen bilden können. Dafür sei eine Summe von 280.000 Euro vorgesehen. Der Grundbeitrag werde auf 256 Euro und der Betriebsbeitrag auf 3.151 Euro festgesetzt. Die Ausgleichsrücklage beträge für das kommende Jahr 33.092,62 Euro. Eine Ausgleichsrücklage ist ein finanzieller Puffer, den öffentliche Haushalte – vor allem Kommunen – bilden dürfen, um Schwankungen bei Einnahmen und Ausgaben auszugleichen. Sie ist nicht zu verwechseln mit der allgemeinen Rücklage, die das Eigenkapital langfristig stärken soll.
Als letzter Punkt der Tagesordnung wurde das Deutschlandstipendium diskutiert. Dank der Initiative der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) seien für das akademische Jahr 2025/2026 insgesamt 139 Stipendien verliehen worden. Die Stipendiaten erhalten jeweils eine monatliche Förderung von 300 Euro, insgesamt also 3.600 Euro. Diese wird je zur Hälfte durch Mittel des Bundesministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) sowie durch Stiftungen oder Unternehmen getragen. Unter den Stipendiaten befinden sich dieses Jahr auch zwei Pharmaziestudentinnen. Deren Stipendium wurde von der Apothekerkammer Schleswig-Holstein mitfinanziert. Laut eigenen Angaben hat die Kammer 1800 Euro pro Person spendiert. Bei der Kammerversammlung wurde beschlossen, das Stipendium auch im nächsten Jahr mitzufinanzieren. Damit möchte die Kammer ihre Sichtbarkeit erhöhen und die Zusammenarbeit mit der CAU ausbauen.
Auch weitere Apothekerkammern hatten diese Woche eine Kammerversammlung: Kammerversammlung Niedersachsen, Kammerversammlung Hamburg und Versammlung des Apothekervereins Hamburg, Apothekerkammer Brandenburg. Ebenso die Apothekerkammer Thüringen, die Apothekerkammer Baden-Württemberg und die Apothekerkammer Rheinland-Pfalz. Vergangene Woche hatte bereits die Apothekerkammer Sachsen-Anhalt getagt.