Chaos bei Wundversorgung |
Cornelia Dölger |
05.12.2024 18:00 Uhr |
Offenbar kommunizierte der Kassenverband aber auch anderslautende Positionen. Darauf weist zumindest ein verärgertes Schreiben der KBV an den GKV-SV hin. KBV-Vorstandsmitglied Sybille Steiner zeigt darin »großes Unverständnis« über den Kassenverband, dessen Fachebene demnach hatte verlauten lassen, dass man sich »nicht in der Lage« sehe, dem Anliegen des Ministeriums nachzukommen, wie Steiner zitiert. Sie appelliert an die Kassen, »die Verordnungsfähigkeit von sonstigen Produkten der Wundbehandlung ohne die Gefahr der Wirtschaftlichkeitsprüfungen bis zur endgültigen gesetzgeberischen Klarstellung aufrechtzuerhalten«.
Doch auch bei den Ärzten ist man sich uneins. So teilte etwa die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) mit, dass die Lage nicht abschließend geklärt sei. »Aktuell laufen noch Diskussionen über eine Verlängerung der Übergangsfrist bis Anfang März 2025«, heißt es in einem Schreiben an eine Ärztin. »Hier warten wir aber noch auf genauere Informationen.« Bis auf Weiteres sei davon auszugehen, dass das ursprüngliche Fristende Bestand habe; die Praxisverwaltungssoftware sei entsprechend anzupassen.
Gleichzeitig hatte die KBV die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) bereits am 29. November über die BMG-Empfehlung informiert und dabei deutlich gemacht, dass man der Empfehlung nachkommen werde.
Pikiert reagiert auch der pharmazeutische Großhandel auf den BMG-Vorstoß. Jana Ehmer, Leiterin Industrie/Einkauf bei der Noweda, kritisierte, dass »wir, als unmittelbar betroffenes Unternehmen der kritischen Infrastruktur, im Übrigen aus der Presse« von der neuen Übergangsfrist erfahren hätten. Sie bedauerte, dass die ursprünglich geplante nochmalige Fristverlängerung um 18 Monate wegen des Ampelbruchs nicht zustande gekommen sei; dies sollte per Änderungsantrag für das Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit passieren, aber das Gesetz fiel dem Ampelbruch zum Opfer.
Dieser Ausfall belaste den Großhandel enorm, so Ehmer. Allein die Noweda habe Ware im Wert von mehreren Millionen Euro vorrätig, deren Nachfrage voraussichtlich »massiv einbrechen« werde.
Beim DAV ist man noch nicht zu einer abschließenden Einschätzung gekommen. »Der DAV prüft derzeit die Fristverlängerung des BMG und wird die Landesapothekerverbände baldmöglichst darüber informieren«, hieß es gestern dazu. Ein Handout an die Landesverbände, wie nun zu verfahren ist, gibt es mithin noch nicht, wie mehrere Verbände bestätigten. Ohnehin ist die Fristverlängerung nicht in der Software abgebildet.
Die »sonstigen Produkte zur Wundbehandlung« können durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkweise die Heilung der Wunde aktiv beeinflussen. Per Änderung der AM-RL werden sie seit 2020 von Verbandmaterialien abgegrenzt. Die Übergangsfrist wurde mit dem Lieferengpassgesetz (ALBVVG) eingeführt und mehrmals verlängert, um den Herstellern die Möglichkeit zu geben, die entsprechenden Nachweise zu erbringen.