BVVA kritisiert Begriff »STELLEN« |
Cornelia Dölger |
09.01.2024 18:00 Uhr |
Wenn Apotheken Arzneimittel patientenindividuell verblistern, müssen sie bei der Abgabe zumindest vorerst keine Chargen mehr übermitteln. / Foto: Imago/PantherMedia / Andrei Barmashov
Bei der Belieferung von E-Rezepten muss der so genannte E-Abgabedatensatz ans Rechenzentrum übermittelt werden; so schreibt es der Schiedsspruch zur Arzneimittelabrechnungsvereinbarung vor. In dem Datensatz sind Informationen für die Abrechnung sowie die Chargenbezeichnung des Arzneimittels enthalten. Die Pflicht gilt bei authentifizierungspflichtigen Arzneimitteln mit einem Data-Matrix-Code auf der Verpackung.
Heimversorgende Apotheken, die patientenindividuell verblistern, stellte diese Regelung allerdings in der Praxis vor eine unlösbare Aufgabe, denn die einzelnen Packungen gelangen ja nicht mit in den Blister. Wie also solle dies dann zu dokumentieren sein, fragten sich die betroffenen Apotheken wie auch der Bundesverband Patientenindividueller Arzneimittelverblisterer (BPAV) seit Längerem und verlangten eine Lösung.
Die kam Mitte November vergangenen Jahres in Form eines Machtworts vom Bundesgesundheitsministerium (BMG). Nachdem sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) in Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband vergeblich für eine retaxsichere Lösung eingesetzt hatte, forderte das BMG die Vertragspartner nun aktiv auf, Regelungen für Ausnahmen von der Pflicht zur Chargenübermittlung zu finden. Auf eine solche Regelung konnten sich die Parteien im Dezember dann einigen; in einer außerordentlichen Sitzung des Geschäftsführenden Vorstands des DAV wurde die Anpassung am 20. Dezember einstimmig beschlossen.
Sie sieht vor, die Verpflichtung zur Chargendokumentation für verifizierungspflichtige Arzneimittel, die patientenindividuell verblistert werden, vorerst auszusetzen, bis eine technische Lösung gefunden ist, die Übermittlung zeitgleich mit der Rezeptabrechnung vorzunehmen oder nachreichen zu können. Dafür verständigten sich DAV und GKV-SV auf eine entsprechende Ergänzung der Arzneimittelabrechnungsvereinbarung gemäß § 300 Absatz 3 SGB V.
Der neue Satz 2 in § 2 Abs. 2 Nr. 11 der Anlage 1 lautet: »Soweit die Übermittlung der Chargenbezeichnung beim ›Stellen‹ von Arzneimitteln technisch nicht möglich ist, wird bis zur Schaffung entsprechender technischer Möglichkeiten analog § 312 Absatz 1 Nummer 3 SGB V ausnahmsweise bis zum 30. Juni 2025 von der Verpflichtung zur Chargendokumentation abgesehen.«
Damit für die Krankenkassen dennoch dokumentiert wird, dass es sich um eine entsprechende Verblisterung handelt, soll demnach statt der tatsächlichen Chargenbezeichnungen der Begriff »STELLEN« in das entsprechende Datenfeld eingetragen werden. Die übrigen Abrechnungs- und rahmenvertraglichen Regelungen seien aber einzuhalten.
Der Bundesverband der Versorgungsapotheker (BVVA) ist mit dieser Lösung nicht ganz einverstanden. In einem Rundschreiben werten die BVVA-Vorsitzende Heike Gnekow sowie Geschäftsführerin Christiane Müller die befristete Ausnahmeregelung zwar als einen »schönen Erfolg unserer stetigen Bemühungen«. Gleich in mehrerlei Hinsicht sei diese Regelung aus BVVA-Sicht aber »nicht ganz glücklich formuliert«, wenn sie auch hoffentlich das Richtige meine.
Was der BVVA wiederum damit meint, erklärte Geschäftsführerin und Syndikusrechtsanwältin Müller der PZ auf Anfrage. Demnach schließt der Begriff »STELLEN«, der anstatt der Chargennummer in das entsprechende Datenfeld einzutragen ist, terminologisch nicht die Tätigkeit des Verblisterns mit ein, denn der Begriff »patientenindividuelles Stellen« umfasse laut Legaldefinition des § 1a Abs. 5 ApBetrO (Apothekenbetriebsordnung) ausschließlich die patientenbezogene manuelle Neuverpackung in einem wieder verwendbaren Behältnis.
Nicht davon erfasst sei das »patientenindiviuelle Verblistern«, also die manuelle oder maschinelle Neuverpackung in einem nicht wieder verwendbaren Behältnis, erklärt Müller. Problematisch sei nun, dass die Ausnahmeregelung ja gerade auf das Verblistern durch einen externen Verblisterer ziele – das demnach aber von dem Begriff »STELLEN« nicht gedeckt ist.
Der BVVA hätte sich eine andere Pseudo-Chargenbezeichnung gewünscht, so Müller weiter, etwa eine neutrale Zeichenkombination oder eine andere Abkürzung, beispielsweise PIAA für »patientenindividuell gestellt oder verblistert abgegebenes Arzneimittel«. Hierdurch könnten Missverständnisse, dass etwa patientenindividuell neu verblisterte Arzneimittel nicht erfasst sein könnten, ausgeschlossen werden.
Auch an anderen Stellen sieht der BVVA unsaubere Formulierungen. Etwa allein auf Tatbestände abzustellen, in denen »die Übermittlung der Chargenbezeichnung beim Stellen von Arzneimitteln technisch nicht möglich ist«, treffe den Sachverhalt nicht hundertprozentig. Denn es gehe hier nicht um Vorgänge »beim Stellen« oder »beim Verblistern«, sondern um die technisch nicht mögliche Übermittlung »bei der Abrechnung von Arzneimitteln, die in patientenindividuell gestellter oder verblisterter Form abgegeben werden«, so Müller.
Dass laut Formulierung »von der Verpflichtung zur Chargendokumentation abgesehen« werde, sei obendrein irreführend. Der Verpflichtung zur Chargendokumentation zur Erfüllung der Mitwirkungspflicht zur Durchsetzung von Ersatzansprüchen nach § 131a SGB V werde ja durchaus nachgekommen. Abgesehen werde stattdessen »von der Verpflichtung zur Angabe der Chargenbezeichnung im Abgabedatensatz«.