| Christina Hohmann-Jeddi |
| 14.11.2022 16:30 Uhr |
Vor allem Frühchen und auch reife Neugeborene haben ein hohes Risiko, Bronchiolitis zu entwickeln. Mit zunehmendem Alter sinkt das Risiko. / Foto: Adobe Stock/Lavizzara
Wegen einer schweren Welle von Atemwegserkrankungen bei Babys und Kleinkindern hat Frankreich für sämtliche Krankenhäuser des Landes einen Notfallplan aktiviert. Seit zehn Jahren habe es keine so hohe Zahl an Klinikeinweisungen wegen Bronchiolitis gegeben, sagte Gesundheitsminister François Braun am 9. November im Senat in Paris. Deshalb erhielten alle Regionen nun verstärkt Hilfe, um das Pflegepersonal zu unterstützen und die Betreuung der Kinder und Familien zu gewährleisten. Betroffen von der Epidemie ist vor allem die Nordhälfte Frankreichs.
Bei Bronchiolitis handelt es sich um eine Viruserkrankung der unteren Atemwege, die vor allem kleine Kinder betrifft. Zum Verständnis muss man sich die Anatomie der Atemwege vergegenwärtigen. Diese beginnen mit der Luftröhre (Trachea), die sich dann in die großen, verknorpelten Atemwege (Bronchien) aufzweigt. Sind diese entzündet, spricht man von einer Bronchitis. Typische Symptome sind Husten, Schmerzen hinter dem Brustbein beim Husten, Schleimbildung und Fieber.
Die Bronchien teilen sich weiter auf, bis sie schließlich in sehr dünne Atemwege mit einem Durchmesser unter 1 mm, die sogenannten Bronchiolen, münden. Diese besitzen keinen Wandknorpel mehr und enden in den Lungenbläschen (Alveolen), in denen der Gasaustausch stattfindet.
Typische Symptome einer Entzündung der Bronchiolen (Bronchiolitis) sind Fließschnupfen zu Beginn, später Husten, Fieber, Atemgeräusche und Atemschwierigkeiten. Sie tritt vor allem bei Kindern unter zwei Jahren, am häufigsten bei Säuglingen in den ersten sechs Monaten auf. Die Viruserkrankung ist saisonal mit den meisten Fällen zwischen November und April, wobei im Januar und Februar ein Höchststand erreicht wird. Am häufigsten stecken das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV), Rhinoviren und das Parainfluenzavirus hinter einer Bronchiolitis.
Dem Wochenbericht des französischen Gesundheitsministeriums zu Atemwegserkrankungen vom 9. November zufolge geht die aktuelle Bronchiolitis-Epidemie in dem Land vor allem auf Rhinoviren und RSV zurück. Allein in der Kalenderwoche 44 kamen in Frankreich 6891 Kleinkinder unter zwei Jahren und Babys mit einer Bronchiolitis in die Notaufnahme, teilten die Gesundheitsbehörden mit. 2337 wurden stationär im Krankenhaus aufgenommen, 95 Prozent davon waren unter einem Jahr alt.
Auch in Deutschland sind laut Daten der AG Influenza am Robert-Koch-Institut die genannten Erreger aktuell die Hauptverursacher der Atemwegserkrankungen. Nach Influenzaviren (17 Prozent der Virusnachweise in Sentinelproben) bestimmen Rhinoviren (15 Prozent), RSV (14 Prozent) und Parainfluenzaviren (12 Prozent) das derzeitige Infektionsgeschehen. »Bei (älteren) Erwachsenen verursacht weiterhin vorwiegend Covid-19 die Krankheitslast im ambulanten und stationären Bereich, während RSV-Infektionen insbesondere bei Kleinkindern vermehrt zu Arztkonsultationen und Krankenhauseinweisungen führen«, heißt es im Wochenbericht zur Kalenderwoche 44.
Die meisten erkrankten Kinder mit Bronchiolitis können zu Hause versorgt werden, in schweren Fällen ist eine Hospitalisierung nötig. Dann kann die Gabe von Flüssigkeit und Sauerstoff notwendig sein. Eine wirksame antivirale Therapie existiert nicht, zugelassen ist eine inhalative Behandlung mit Ribavirin, die aber nicht mehr empfohlen wird. Bei Atemproblemen kann die Inhalation mit Bronchodilatatoren, insbesondere Adrenalin, helfen. Sie beeinflusst den Verlauf einer Bronchiolitis aber nicht.
Schutzimpfungen gegen Infektionen mit RSV- oder Rhinoviren sind noch nicht verfügbar. Allerdings stehen zwei Kandidaten von RSV-Schutzimpfstoffen kurz vor der Zulassung, die über die sogenannte maternale Immunisierung (Impfung der Mütter in der Schwangerschaft) auch Säuglinge schützen könnten. Zudem sind zwei Antikörperpräparate zum Schutz vor schweren RSV-Infektionen für Säuglinge verfügbar: Neben Nirsevimab (Beyfortus®) ist dies Palivizumab (Synagis®).