Britische Zuckersteuer macht sich bezahlt |
Annette Rößler |
08.02.2023 09:00 Uhr |
Alle Kinder mögen süße Limos. Wenn sie viel davon trinken und diese auch noch viel Zucker enthalten, kann das jedoch zu Fettleibigkeit führen. / Foto: Adobe Stock/annems
Eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke wird von vielen Experten als gute Möglichkeit angesehen, um den übermäßigen Zuckerkonsum in einer Gesellschaft zu drosseln. In Deutschland konnte sich allerdings noch keine Regierung dazu durchringen, eine solche Steuer auf den Weg zu bringen – denn es liegt auf der Hand, dass die Hersteller der entsprechenden Produkte dagegen massiv Widerstand leisten würden. Auch die derzeitige Bundesregierung plant keine solche Steuer: Nachdem sie während der Ampel-Koalitionsverhandlungen zunächst gerüchteweise vorgesehen war, taucht sie im letztlich unterschriebenen Vertrag nicht mehr auf.
Dass eine Limosteuer allerdings tatsächlich wirksam sein kann, zeigt das Beispiel Großbritannien. Dort trat 2018 die sogenannte Soft Drinks Industry Levy (SDIL), also die Softdrinkindustrie-Abgabe, in Kraft. Seitdem müssen Hersteller von Getränken mit extra Zuckerzusatz 18 Pence pro Liter (20 Cent) zahlen, wenn der Zuckergehalt zwischen 5 und 8 g/100 ml liegt. Enthält die Limonade mehr als 8 g Zucker pro 100 ml, sind sogar 24 Pence pro Liter (27 Cent) fällig. Laut einer aktuellen Publikation im Fachjournal »Plos Medicine« hat das erstens dazu geführt, dass der Zuckergehalt von Limonaden stark abnahm, und dass zweitens auch Fettleibigkeit bei Jugendlichen seltener wurde.
Wie das Team um Dr. Nina Rogers von der University of Cambridge berichtet, sei der Zuckergehalt von Limonaden in Großbritannien infolge der Einführung der SDIL stark gesunken. So habe der Anteil von Limonaden mit mehr als 5 g Zucker pro 100 ml auf dem britischen Markt im September 2015 noch 49 Prozent betragen – und im Februar 2019 nur noch 15 Prozent. In einer Longitudinalstudie untersuchten die Forscher, wie sich die Häufigkeit von Fettleibigkeit bei Kindern im Vorschulalter (vier bis fünf Jahre) und in der sechsten Klasse (zehn bis elf Jahre) vor und 19 Monate nach der Einführung der SDIL entwickelte. Dafür werteten sie die Daten von mehr als einer Million Kindern aus, die im Rahmen des National Child Measurement Programme erhoben worden waren.
Bei den zehn- bis elfjährigen Mädchen war infolge der Einführung der SDIL ein Rückgang des relativen Risikos für Fettleibigkeit um 8 Prozent zu verzeichnen. Das entspreche 5234 Fällen von Fettleibigkeit, die in Großbritannien allein in dieser Altersgruppe bei Mädchen verhindert worden seien, rechnen die Autoren vor. Am stärksten sei der Rückgang bei Mädchen aus sozial schwächeren Gegenden gewesen, wo Kinder bekanntermaßen am meisten gezuckerte Limo konsumierten; hier sei das relative Risiko um 9 Prozent rückläufig gewesen.
Allerdings passen die anderen Teilergebnisse nicht so ganz zu dieser vermeintlichen Erfolgsgeschichte, denn weder bei den Vorschulkindern noch bei den zehn- bis elfjährigen Jungen gab es nach der Einführung der SDIL einen vergleichbaren Rückgang der Fälle von Fettleibigkeit. »Wir sehen hier kein eindeutiges Bild«, räumt Rogers in einer Mitteilung ihrer Universität ein. Die Tatsache, dass bei den Mädchen aus benachteiligten Gegenden der größte Unterschied zu verzeichnen gewesen sei, sei aber wichtig und stelle einen Schritt hin zu weniger gesundheitlicher Ungleichheit dieser Kinder dar.
Obwohl diese Studie aufgrund ihres Designs keinen Kausalzusammenhang zwischen der Einführung der SDIL und dem Rückgang der Häufigkeit von Fettleibigkeit zeigen konnte, sei dieser sehr wahrscheinlich, wie Seniorautor Professor Dr. Jean Adams ergänzt: »Wir wissen, dass der Konsum von zu viel zuckerhaltigen Getränken zur Entstehung von Fettleibigkeit beiträgt und dass die SDIL zu einem Rückgang des Zuckergehalts von Softdrinks geführt hat, also ergibt es auch Sinn, dass die Fallzahl von Fettleibigkeit sinkt – auch wenn wir das nur bei Mädchen gesehen haben.«
Mehrere Faktoren könnten aus Sicht der Faktoren erklären, warum sich dieser Trend bei jüngeren Kindern nicht zeigte: So würden sehr junge Kinder weniger zuckerhaltige Getränke konsumieren als ältere, weshalb sich die SDIL bei ihnen weniger stark ausgewirkt haben könnte. Auf Fruchtsäfte, deren natürlicher Zuckergehalt auch sehr hoch sein kann, entfällt diese Steuer nämlich nicht und sie haben laut den Wissenschaftlern bei jüngeren Kindern einen ebenso hohen Anteil am Konsum zuckerhaltiger Getränke wie Limonaden.
Mit der Erklärung, warum bei Jungen zwischen zehn und elf Jahren der bei den gleichaltrigen Mädchen beobachtete Effekt ausblieb, tun sich die Forscher schwerer, zumal Jungen laut den Autoren sogar mehr zuckerhaltige Limos konsumierten als Mädchen. Eine mögliche Erklärung sehen sie in der Werbung: Diese richte sich zumeist mehr an Jungen als an Mädchen. Oft werde Junk Food in der Werbung in Verbindung mit sportlicher Aktivität gebracht, sodass bei Kindern der Eindruck entstehe, energiedichte Lebensmittel würden die körperliche Leistungsfähigkeit fördern. Jungen, für die das noch mehr gelte als für Mädchen, wählten daher eher Produkte mit einem hohen Energiegehalt und wenig anderen Nährstoffen.