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Evaluation zum Spargesetz

BMG sieht keine negativen Auswirkungen

Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Pharmabranche und die Apotheken zu etlichen Einsparungen gezwungen. Welche Folgen die verfügten Maßnahmen haben, muss das Ministerium laut Gesetz bis Ende 2023 evaluieren und dem Bundestag dazu berichten. Nun wurde ein erster Evaluationsentwurf öffentlich.
Ev Tebroke
14.11.2023  18:00 Uhr

Mit einem Spargesetz beabsichtigte das Bundesgesundheitsministerium (BMG), die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) finanziell zu stabilisieren. Damit sollten prognostizierte Milliardendefizite in der GKV abgefedert werden. Dabei wurden unter anderem die Pharmabranche und die Apotheken zu Einsparungen verpflichtet, die aus ihrer Sicht fehlgeleitet und ungerechtfertigt sind. Welche konkreten Auswirkungen die Sparmaßnahmen auf den Pharmastandort Deutschland und die Sicherheit der Arzneimittelversorgung haben, muss das BMG mit einem Evaluationsbericht bis Ende 2023 darlegen, so ist es im besagten GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) verfügt. Nun wurde ein erster Entwurf des Berichts öffentlich. Das vorläufige Ergebnis lautet salopp gesagt: Alles gut! Keine negativen Auswirkungen erkennbar, sprich keine mit Zahlen belegbaren. Daher kein konkreter Handlungsbedarf.

Für die Apotheken brachte das Spargesetz die seit 1. Februar 2023 geltende, auf zwei Jahre befristete Erhöhung des Kassenabschlags von 1,77 auf 2 Euro. Nach Angaben des Deutschen Apothekerverbands (DAV) bedeutet das allein 2023 eine Mehrbelastung von 115 Millionen Euro. Das BMG hat die zu erwartenden Einsparungen mit 170 Millionen Euro beziffert. Diese Einsparungen sind aber nicht Teil der Evaluation, wie das BMG auf PZ-Anfrage erklärte: Das Ministerium sei verpflichtet, dem Deutschen Bundestag bis zum 31. Dezember 2023 über die Ergebnisse der Evaluation »bestimmter Regelungen im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz« zu berichten. »Regelungen, die die Apotheken betreffen, sind vom Umfang der Evaluation nicht umfasst.« Die Auswertung befasst sich demnach wie im Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) in § 130b Absatz 11 vorgegeben, mit den durch das Spargesetz verfügten Änderungen im Bereich der Nutzenbewertung, der Erstattungsbeträge von neuen Medikamenten und dem neu eingeführten Kombinationsabschlag.

BMG: »Vorhandene Effizienzreserven gehoben«

Als einen Ausgangspunkt für das Gesetz nennt das BMG die zuletzt überproportional gestiegenen Ausgaben im Bereich patentgeschützter Arzneimittel. Die Markteintrittspreise neuer Arzneimittel und die damit verbundenen Ausgaben hätten sich in den letzten Jahren überproportional zu anderen Leistungsbereichen erhöht. Veröffentlichte Zahlen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) belegten einen deutlich aufsteigenden Umsatzanstieg im Marktsegment der patentgeschützten Arzneimittel von rund 18,5 Milliarden Euro in 2017 auf rund 27,6 Milliarden Euro in 2012. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate beziffert das BMG mit plus 11 Prozent. Vor dem Hintergrund der wegen des demografischen Wandels sinkenden GKV-Beiträge drohe eine wachsende Finanzierungslücke, das Gesetz solle hier gegensteuern.

Um die Arzneimittelausgaben im Bereich der patentgeschützten Arzneimittel zu stabilisieren, wurden laut BMG »vorhandene Effizienzreserven gehoben und das mittlerweile fast zwölf Jahre alte AMNOG-Verfahren durch strukturelle Maßnahmen an die sich veränderten Rahmenbedingungen angepasst. Weiterhin wurde der Herstellerabschlag nach § 130a Absatz 1 Satz 1 SGB V (allgemeiner Herstellerabschlag), der insbesondere für patentgeschützte Arzneimittel gilt, für ein Jahr befristet um fünf Prozentpunkte angehoben und ein Kombinationsabschlag für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen eingeführt«. Konkret vom Kassenabschlag ist in dem Papier, wie gesagt, keine Rede. Diese Einsparungen hatte Lauterbach bei früheren Gesprächen – zum Ärger der Apothekerschaft – stets unter dem Stichwort »Effizienzreserven« verbucht.

Das BMG kommt bislang, anders als die Pharmaverbände, zu der Einschätzung, dass das Spargesetz die Arzneimittelversorgung nicht gefährdet. »Insgesamt gibt es derzeit keine Belege dafür, dass die Änderungen durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz in seiner Gesamtheit negative Auswirkungen auf die Sicherheit der Versorgung mit innovativen und wirtschaftlichen Arzneimitteln haben«, heißt es.

Zu den von der Industrie angeführten Marktrückzügen infolge des Gesetzes führt das BMG an: »Eine qualitative Betrachtung der im Beobachtungszeitraum aufgetretenen Fälle von Marktrückzügen zeigt, dass Kausalzusammenhänge zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz nur in Einzelfällen ableitbar sind. Auch im Hinblick auf die bekannt gewordenen Markteintrittsverzichte kann das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz nicht als maßgeblicher Grund hierfür identifiziert werden.« Die Pharmaindustrie hingegen sieht den Innovationsstandort gefährdet und berichtet von Marktrücknahmen. Einen kausalen Zusammenhang weist das BMG jedoch zurück – wie zuletzt ebenso der GKV-Spitzenverband.

Auch was den Produktionsstandort Deutschland betrifft, sieht das BMG keine Negativ-Effekte durch die Sparmaßnahmen wie der Absenkung der Umsatzschwelle für Orphan Drugs von 50 auf 30 Millionen Euro und dem Preisabschlag auf Arzneimittel einer Kombinationstherapie. Bei der Orphans-Regelung sei das Ziel, »den dynamischen Ausgabenanstieg von Arzneimitteln zur Behandlung von seltenen Leiden zu bremsen und gleichzeitig die bislang sehr gute Versorgung mit diesen Arzneimitteln weiterhin zu gewährleisten«.

Schwierige Umsetzung des Kombinationsabschlags

Für Kombinationstherapien gilt, dass für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, die aufgrund der arzneimittelrechtlichen Zulassung in Kombination mit einem bereits bewerteten Arzneimittel eingesetzt werden können, Kassen einen Preisabschlag in Höhe von 20 Prozent vom jeweiligen pharmazeutischen Unternehmer verlangen dürfen. Die Industrie lief Sturm gegen diese neuen Regeln: »Das deutsche Erstattungssystem für Medikamente hat für die Unternehmen an Planbarkeit und damit an Attraktivität als Innovations- und Produktionsstandort verloren. Gleichzeitig steigt der bürokratische Aufwand der Krankenkassen«, hieß es etwa vom Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa). Patientinnen und Patienten in Deutschland müssten künftig mit Therapieeinschränkungen leben, weil Arzneimittel aus dem Markt gehen oder gar nicht erst in Verkehr gebracht werden, so der vfa. Diese Gefahr sieht das BMG bislang nicht bestätigt, räumt aber ein, dass der Evaluationszeitraum bislang noch zu kurz sei, um konkrete Auswirkungen zu messen.

Beim Kombinationsabschlag handele es sich um ein neues und bisher unbekanntes Instrument ohne vorhandene Erfahrungswerte, dessen Umsetzung die beteiligten Akteure bisher vor technische Herausforderungen stelle, stellt das BMG fest. Auch sei die administrative Vorbereitungszeit durch die Selbstverwaltung deutlich länger gewesen als ursprünglich erwartet. Daher könnte bislang noch keine Auswertung erfolgen. Die Pharmabranche hatte vor allem auch eine hohe Planungsunsicherheit bemängelt, da der Abschlag nur bei tatsächlicher Kombinationsverordnung fällig würde und für pharmazeutische Unternehmen nicht vorhersehbar sei, in wie vielen Fällen das passiere. Zudem sei die Kumulation mit anderen gesetzlichen Instrumenten problematisch.

Erhöhter Herstellerabschlag als »substanzielle Entlastung«

Als weiteres befristetes Sparinstrument wurde der Herstellerabschlag, also die Ermäßigung, die die Industrie den Kassen auf Rx-Medikamente gewähren muss, für 2023 von 7 auf 12 Prozent angehoben. Dies wertet das BMG als Erfolg: Die Maßnahme habe substanziell zur Entlastung der GKV-Ausgaben und der Versicherten beigetragen. Der erhöhte Herstellerabschlag habe »ohne bürokratischen und technischen Aufwand mit der Abrechnung von Arzneimitteln umgesetzt werden« können und der GKV voraussichtlich 1,3 Milliarden Euro an Kosten eingespart. Negative Auswirkungen für die Branche sieht das BMG nicht: »Die Erhöhung des Herstellerabschlags erfolgt unabhängig vom Preis einzelner Arzneimittel und hat damit keine Auswirkung auf die Preisreferenzierung in anderen Staaten. Nicht beabsichtigte direkte Effekte auf die Versorgungssicherheit beziehungsweise auf den Produktionsstandort sind derzeit nicht erkennbar.«

BMG verweist auf Pharmastrategie

Alles in allem lautet das Fazit: Es konnten »keine negativen Auswirkungen auf die Sicherheit der Versorgung mit innovativen und wirtschaftlichen Arzneimitteln, insbesondere auch für Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen, sowie auf Produktionsstandorte in der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union festgestellt werden, die sich zum Zeitpunkt der Evaluation anhand valider Zahlen begründen lassen.«

Die Attraktivität des deutschen Standorts werde nicht nur durch die Erstattungsbedingungen, sondern auch maßgeblich durch andere Faktoren wie das regulatorische Umfeld, Verfügbarkeit von Fachkräften, Dauer und Komplexität von Verwaltungsverfahren und Vorprodukt-, Personal- und Energiekosten beeinflusst, heißt es abschließend. Um die Attraktivität des Pharmastandorts Deutschland weiter zu erhöhen und auszubauen sowie eine zuverlässige Versorgung sicherzustellen, habe die Bundesregierung eine Pharmastrategie erarbeitet, »die ein Bündel an Maßnahmen umfasst, die die Rahmenbedingungen für eine starke, nachhaltige und international wettbewerbsfähige Pharmaindustrie insbesondere in Deutschland und auch in der Europäischen Union verbessern. Diese wurde auch mit den Ergebnissen der Evaluation eng verzahnt«.

Der Entwurf des Evaluationsberichts befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung. 

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