BMG prüft neue Bevorratungspflichten für Apotheken |
Melanie Höhn |
27.06.2022 16:30 Uhr |
Das Thema Lieferengpässe ist sowohl im Koalitionsvertrag als auch auf EU-Ebene ein wichtiges Thema. / Foto: imago images/Westend61
Das BMG bereitet neben dem bereits erwarteten GKV-Finanzstabilisierungsgesetz derzeit Maßnahmen vor, um die Arzneimittelversorgungssicherheit zu verbessern, sagte Thomas Müller, Leiter der Abteilung 1 »Arzneimittel, Medizinprodukte und Biotechnologie« im BMG beim diesjährigen Hauptstadtkongress. Die Vermeidung von Lieferengpässen sei sowohl im Koalitionsvertrag als auch auf EU-Ebene ein wichtiges Thema.
Einerseits wolle das BMG das Thema Bevorratung angehen: »Es löst das Problem nicht an der Wurzel, aber es ist eben in einer global unsicheren Welt eine vernünftige Maßnahme, um vorübergehende Liefereinschränkungen zu überstehen«, so Müller. Derzeit werde daher geprüft, ob alle Teilnehmer der Logistikkette – Industrie, Großhandel, Krankenhäuser, Apotheken – verpflichtet werden könnten, bestimmte Vorhaltungen bei kritischen Arzneimitteln zu verbessern. »Ich setze da auch auf Lerneffekte, die schon von alleine kommen und gehe davon aus, dass viele Apotheken schon auch jetzt – gerade in Krankenhäusern – reagieren«, erklärte Müller. An dieser Stelle wolle das BMG noch einmal regulatorisch nachbessern.
Klar ist: Schon jetzt haben Apothekenleiter nach Paragraf 15 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) bestimmte Arzneimittel und apothekenpflichtigen Medizinprodukte, die zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung notwendig sind, in einer Menge vorrätig zu halten, die mindestens dem durchschnittlichen Bedarf für eine Woche entspricht. Doch offenbar plant das BMG, diese Bevorratungspflicht auszuweiten. Welche Arzneimittelgruppen beziehungsweise Indikationsgebiete hinzukommen könnten, ließ Müller allerdings offen.
Des Weiteren wolle das BMG bei den Beschaffungsmaßnahmen prüfen, ob ein »Kriterium der Diversifizierung« eingeführt werde. Im Vergaberecht bei den Rabattverträgen sei dies sehr schwierig, weil Deutschland bisher noch mehr exportiere als dass es importiere. Zudem sei es politisch schwierig zu sagen, dass man beispielsweise keine Arzneimittel mehr aus China wolle. »Das was wir anstreben, ist eine Diversifizierungsvorgabe, das heißt, dass bei Vergaben und bei Beschaffung Lose gebildet werden müssen mit bestimmten Größenordnungen und diese müssen dann in unterschiedlichen Regionen beschafft werden«, erklärte Müller. Beides – Lagerhaltung und Diversifizierung der Beschaffung – werde auch zu höheren Kosten führen als bisher. Es sei angesichts des bestehenden GKV-Defizits zu prüfen, inwieweit dies verkraftet werden könne.
Als bereits eingeführte Maßnahmen zur Reduzierung von Lieferengpässen führte Müller den Beirat beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) an sowie beim Beispiel Tamoxifen verschiedene Maßnahmen wie Importe, regulatorische Erleichterungen und zusätzliche Ankäufe aus anderen Ländern. Das BMG habe zudem Transparenz zur Herkunft der Wirkstoffe geschaffen. »Aus meiner Sicht ist das ganz wichtig, weil es die Grundlage für Maßnahmen schafft, die wir jetzt vorbereiten und die dann mehr in den Bereich Rabattverträge und Beschaffung eingehen könnten«, sagte Müller. »Aber das ist alles noch nicht politisch entschieden und wird jetzt gerade im BMG auf der Fachebene geprüft«.
Müller wies auch auf Logistik-Probleme hin, die im Handel mit China und durch die Russland-Sanktionen entstehen. In Shanghai beispielsweise blockiere China aufgrund der restriktiven Covid-Politik große Häfen. Dies führe dazu, dass viele generische Wirkstoffe wie Paracetamol oder einfache Antibiotika in den Containern liegen und die Firmen, die dies in Tabletten verpacken, darauf warten. »Schon jetzt ist es aber so, dass die Firmen etwa ein halbes Jahr Vorlauf brauchen und das wird sich sicherlich in der Zukunft noch einmal verlängern«, sagte Müller. Diese Effekte seien jedoch nicht neu und auch vor der Corona-Pandemie schon erkennbar gewesen.
Politisch im Vordergrund stehe derzeit aber ohnehin das ausgeprägte Finanzdefizit in der GKV, was erst einmal »mit Priorität« angegangen werde, so Müller. Dabei werden auch Aspekte im Arzneimittelbereich eine Rolle spielen. Einen kleinen Ausblick zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz gab Müller ebenfalls: Im Bereich der Hochpreiser habe es Fehlentwicklungen gegeben, dieser Bereich müsse genau evaluiert werden. Auch bei Generika müsse geprüft werden, »ob da die Schraube in den letzten Jahren etwas zu straff angezogen wurde«, sagte Müller. Das BMG wolle diese beiden Bereiche wieder mehr in Ausgleich bringen, dies sei ein Ziel der gesetzlichen Vorbereitungen.