| Theo Dingermann |
| 28.11.2025 10:30 Uhr |
Lymphozyten entwickeln sich wohl vor allem aus multipotenten Vorläuferzellen, die schon im Embryo entstehen und die bis ins Erwachsenenalter fortbestehen. / © Getty Images/Science Photo Library/Ruslanas Barankauskas
Die hämatopoetische Differenzierungshierarchie besteht aus hämatopoetischen Stammzellen (HSC) an der Spitze, gefolgt von multipotenten Vorläuferzellen (MPP), die, obwohl multipotent, bereits teilweise vorprogrammiert sind, um sich dann in liniengebundene oder -beschränkte Vorläuferzellen und schließlich in reife Blut- und Immunzellen weiterzuentwickeln.
Bisher war man davon ausgegangen, dass die Blutbildung im erwachsenen Körper ausschließlich von hämatopoetischen Stammzellen (HSC) gesteuert wird. Jetzt deutet eine Arbeit aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg an, dass zwei parallel arbeitende Systeme existieren, die beide neue Blutzellen hervorbringen.
Das erste, klassische System basiert auf den gut bekannten hämatopoetischen Stammzellen (HSC), aus denen multipotente Vorläufer (hMPP) hervorgehen, die vor allem myeloide Zellen wie Granulozyten und Erythrozyten hervorbringen und die Blutbildung lebenslang stabil aufrechterhalten.
Das jetzt von Forschenden um Dr. Fuwei Shang von der Abteilung Zelluläre Immunologie am DKFZ beschriebene System basiert auf HSC-unabhängigen multipotenten Vorläuferzellen (eMPP), die schon im Embryo entstehen und die bis ins Erwachsenenalter fortbestehen.
Diese eMPP stammen also nicht von Stammzellen ab, sondern haben einen eigenen Ursprung. Sie tragen, wie die Forschenden mit komplexen Analysen an Mäusen im Wissenschaftsmagazin »Proceedings of the National Academy of Sciences USA« zeigen, erheblich zur Blutbildung bei. Besonders die Produktion der Lymphozyten ist stark von dieser zweiten Linie des blutbildenden Systems abhängig, wobei eine wichtige Aufgabe darin besteht, das Immunsystem früh im Leben zu prägen.
Mit Hilfe einer neuen Einzelzelltechnik, die als PolySMART bezeichnet wird, konnten die Forschenden in der Maus erstmals beide Systeme getrennt untersuchen. Diese Technik erlaubt es, in einzelnen Zellen individuelle DNA-Markierungen, die sogenannten zellulären Barcodes, gleichzeitig mit Oberflächenmarkern und Genexpressionsmustern zu analysieren.
Dabei identifizierten sie ein wichtiges Merkmal der embryonischen eMPP. Sie konnten zeigen, dass diese Zellen typischerweise den Oberflächenmarker CD138 exprimieren. CD138 steht synonym für das Proteoglykan Syndecan-1, das auch auf der Oberfläche von Epithel- und Plasmazellen exprimiert wird. Es zählt zu den immunphänotypischen Oberflächenmerkmalen. Mit Hilfe dieses Markers ließen sich nun erstmals gezielt eMPP aus dem adulten Knochenmark isolieren. CD138-positiven eMPP sind aktiver, teilen sich häufiger und sind klar in Richtung Lymphozytenentwicklung vorprogrammiert. Etwa ein Drittel der Blutzellen stammt von den bereits im Embryo angelegten Vorläufern ab.