Bispezifischer Antikörper Linvoseltamab verfügbar |
| Kerstin A. Gräfe |
| 13.11.2025 07:00 Uhr |
Unter der Therapie kann es zu einem Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS) kommen, das sich unter anderem durch Fieber, Schüttelfrost, Hypoxie, Tachykardie und Hypotonie äußert. Zudem kann es infolge eines Immuneffektorzell-assoziierten Neurotoxizitätssyndroms (ICANS) zu Verwirrtheit, Bewusstseinstrübung, Orientierungsstörung, Enzephalopathie und Krampfanfällen kommen. In diesem Fall soll der Patient kein Fahrzeug führen oder Maschinen bedienen. Alle Patienten sind während der Behandlung auf Anzeichen und Symptome von CRS und ICANS zu überwachen. Sie sollten darauf hingewiesen werden, sich nach der ersten Infusion gemeinsam mit einer Betreuungsperson die nächsten 24 Stunden in der Nähe eines qualifizierten Behandlungszentrums aufzuhalten.
Unter Linvoseltamab wurden schwere, lebensbedrohliche oder tödliche Infektionen beobachtet. Bei aktiven Infektionen darf die Therapie nicht begonnen werden. Vor und während der Behandlung müssen die Patienten auf Infektionszeichen überwacht werden. Für alle Patienten werden prophylaktische Maßnahmen gegen Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie, Herpes-simplex- und Herpes-zoster-Viren sowie gegebenenfalls gegen das Zytomegalievirus empfohlen. Eine Impfung mit Lebendimpfstoffen wird mindestens vier Wochen vor Beginn der Behandlung, währenddessen und mindestens vier Wochen danach nicht empfohlen.
Patientinnen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung und für mindestens fünf Monate nach der letzten Dosis eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Zudem sollte während der Behandlung mit Linvoseltamab und für mindestens fünf Monate nach der letzten Dosis das Stillen ausgesetzt werden.
Die bedingte Zulassung basiert auf der offenen, multizentrischen Phase-I/II-Studie LINKER-MM1. Teilnehmer waren 117 Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem multiplen Myelom und mindestens drei Vortherapien (median fünf Vortherapien). 82 Prozent der Patienten waren dreifach refraktär gegen einen Immunmodulator, einen Proteasom-Inhibitor und einen Anti-CD38-Antikörper. Primärer Endpunkt war die objektive Ansprechrate.
Auf die Therapie mit Linvoseltamab sprachen 83 Patienten (71 Prozent) an, wobei 58 (50 Prozent) eine Komplettremission oder besser erreichten, 52 (44 Prozent) eine stringente Komplettremission, 6 (5 Prozent) eine Komplettremission, 16 (14 Prozent) ein sehr gutes partielles Ansprechen und 9 (8 Prozent) ein partielles Ansprechen.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Muskel-/Skelettschmerzen, Zytokin-Freisetzungssyndrom, Neutropenie, Husten, Durchfall, Anämie, Müdigkeit, Lungenentzündung und Infektionen der oberen Atemwege.
Lynozyfic ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C und im Originalkarton zu lagern.
In den vergangenen Jahren kamen einige neue Wirkstoffe für die Behandlung des multiplen Myeloms, insbesondere für Patienten mit rezidivierter und refraktärer Erkrankung, auf den deutschen Markt. Das ist eine gute Nachricht. Der Innovationscharakter des neuen Antikörpers Linvoseltamab ist allerdings überschaubar. Obwohl die Zulassungsstudie zeigt, dass viele Patienten auf den Neuling ansprechen, bringt er keinen Therapiefortschritt und muss vorläufig bei den Analogpräparaten eingruppiert werden.
Zum einen ist der Wirkmechanismus im Herbst 2025 längst nichts Neues mehr. Auch Elranatamab und Teclistamab sind bispezifische Antikörper, die einerseits das B-Zell-Reifungsantigen (BCMA) auf der Oberfläche von Myelomzellen und andererseits den CD3-Rezeptor auf der Oberfläche von T-Zellen als Target haben. Alle drei Substanzen bringen Myelom- und T-Zellen zusammen, was dann zum Tod der Myelomzellen führt.
Auch das zugelassene Anwendungsgebiet von Linvoseltamab ist nichts Neues im Vergleich zu Elranatamab und Teclistamab. Die Möglichkeit des Wechsels auf ein vierwöchiges Dosierungsintervall bei Linvoseltamab ist ebenso kein Alleinstellungsmerkmal. Denn dies ist auch bei Elranatamab möglich. Und: Während Linvoseltamab infundiert wird, können die anderen beiden Antikörper sogar subkutan verabreicht werden.
Sven Siebenand, Chefredakteur