Biosimilars uneingeschränkt austauschbar |
Annette Rößler |
27.04.2023 18:00 Uhr |
Biosimilars sind untereinander und mit dem Originator austauschbar. Wären sie es nicht, hätten sie keine Zulassung in der EU erhalten. / Foto: Adobe Stock/StudioLaMagica
Um eine Zulassung in der EU zu erhalten, müssen Hersteller von Biosimilars in einem aufwendigen Verfahren zeigen, dass ihr Produkt dem Originalpräparat (Originator) so sehr ähnelt, dass es als gleichwertig angesehen werden kann. Der geforderte Nachweis der Vergleichbarkeit (comparability exercise) sei so umfassend, dass Unterschiede in der Wirksamkeit und Sicherheit von Biologika, deren Biosimilarität festgestellt wurde, »höchst unwahrscheinlich« seien, so die EMA.
Dies stand für die Behörde von Anfang an außer Frage, seit sie vor nunmehr 15 Jahren dem ersten Biosimilar grünes Licht für die Zulassung in der EU gab. Offiziell festgestellt wurde die sich daraus ergebende Austauschbarkeit von Biosimilars aber noch nicht. Dies holt die EMA nun in einem gemeinsamen Statement mit den Heads of Medicines Agencies (HMA), also den Leitern der nationalen Zulassungsbehörden, nach. Der Entwurf dieses Papiers war im September 2022 bereits veröffentlicht worden (die PZ berichtete).
»EMA und HMA betrachten Biosimilars, die eine EU-Zulassung besitzen, als austauschbar«, heißt es dort. Dies bedeute, dass alle Biosimilars, die sich auf einen bestimmten Originator beziehen, sowohl mit diesem als auch untereinander ohne Einschränkung ausgetauscht werden können. Zu beachten sei dabei allerdings der jeweilige Zulassungsstatus, denn die Indikationen, in denen die einzelnen Präparate zugelassen sind, können voneinander abweichen. So könne es sein, dass ein Biosimilar in weniger – aber auch in mehr – Indikationen zugelassen ist als der Originator oder ein Biosimilar-Mitbewerber, heißt es in einem Frage-Antwort-Dokument, das die EMA nun ebenfalls veröffentlichte.
Ob die einzelnen Mitgliedstaaten einen Austausch von Biosimilars erlauben oder gar vorschreiben, fällt nicht in die Zuständigkeit der EMA. In Deutschland gibt es zurzeit kein Biosimilar-Aut-idem. Unter anderem die Apotheker (ABDA und AMK) hatten sich zuletzt in einem Stellungnahmeverfahren des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) dagegen positioniert und dies damit begründet, dass der Austausch von Biosimilars die Therapietreue gefährde.
Nachdem der G-BA dieses Verfahren eingestellt hatte, läuft jetzt ein neues, das am 16. August 2023 enden soll. Darin wird das EMA-HMA-Statement sicherlich berücksichtigt werden. Das letzte Wort in Sachen Biosimilar-Austausch ist somit wohl noch nicht gesprochen.
Nicht überraschend hat die EMA noch einmal klargestellt, dass Biosimilars sowohl mit der Referenzarznei als auch untereinander austauschbar sind. Das legt nicht nur das Verfahren der comparability exercise nahe, sondern auch die Ergebnisse vieler, entsprechend angelegter klinischer Studien unterstützen diese Einschätzung. Soweit die Theorie.
Allerdings sollte man beachten, dass den Patienten in der Praxis nicht ein Wirkstoff, sondern ein formuliertes Arzneimittel – im Fall von Biologika meist mit einer Applikationshilfe – übergeben wird. Auf dieser Ebene unterscheiden sich Referenzarznei und Biosimilars erheblich. Das kann zu Verunsicherungen führen, falls die Patienten beispielsweise im Rahmen einer Umstellung von einem Präparat auf ein anderes nicht hinreichend aufgeklärt wurden.
Ärzte und Apotheker argumentieren daher zurecht, dass dies Noceboeffekte provozieren kann. Daher wäre ein Austausch von Biosimilars, erst recht ein automatischer Austausch nach dem Vorbild der Aut-idem-Substitution bei Rabattarzneimitteln, wie dies gesetzlich vorgesehen ist, mit deutlichen Problemen behaftet.
Theo Dingermann, Senior Editor PZ