Biontech testet therapeutischen Darmkrebs-Impfstoff |
Theo Dingermann |
01.10.2021 16:00 Uhr |
Tumorzellen besitzen Proteine und damit Angriffsziele für das Immunsystem, die gesunde Körperzellen nicht haben. Diese unterscheiden sich interindividuell stark. / Foto: Fotolia/psdesign1
In einer Pressemitteilung gab Biontech heute bekannt, dass der erste Darmkrebspatient in einer klinischen Phase-II-Studie mit dem individualisierten mRNA-Krebsimpfstoff BNT122 (Autogenes Cevumeran, RO7198457) behandelt wurde. Der Vakzinekandidat wurde in Kooperation mit der Firma Genentech entwickelt.
Bei BNT122 handelt es sich um ein mRNA-basiertes Therapeutikum zur individualisierten, Neoantigen-spezifischen Immuntherapie (iNeST) von Tumorpatienten. Der Wirkstoff enthält unmodifizierte, pharmakologisch optimierte mRNA-Moleküle, die für bis zu 20 patientenspezifische Neoantigene kodieren und in Form von Lipid-Nanopartikeln formuliert sind. Neoantigene sind Proteinvarianten, die durch Mutationen in Tumorzellen entstehen und somit nicht in gesunden Zellen vorhanden sind. Sie sind wichtige Angriffsziele für das Immunsystem.
In der jetzt begonnen klinischen Studie werden Darmkrebspatienten mit einem hohen Risiko für ein Tumorrezidiv behandelt. Diese Patienten werden durch einen hochempfindlichen, krebsspezifischen Bluttest identifiziert, der zirkulierende Tumor-DNA (circulating tumor DNA, ctDNA) im Blut erkennt.
Ziel der Studie ist es, die Wirksamkeit von BNT122 im Vergleich zur abwartenden Standardtherapie bei diesen Patienten zu untersuchen. Als primärer Endpunkt wurde das krankheitsfreie Überleben (DFS) festgelegt. Zu den sekundären Endpunkten gehören das rezidivfreie Überleben (RFS), das Gesamtüberleben (OS) und die Sicherheit der Therapie.
Diese Phase-II-Studie basiert auf früheren Ergebnissen einer Phase-Ia/Ib-Dosis-Eskalationsstudie, in der BNT122 als Einzelwirkstoff und in Kombination mit dem Anti-PD-L1-Antikörper Atezolizumab (Tecentriq®) bei Patienten mit soliden Tumoren untersucht wurde (NCT03289962). In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass der Wirkstoff die Bildung von Neoantigen-spezifischen T-Zellen induzierte. Zudem erwies sich die Behandlung bezüglich des Sicherheitsprofils kontrollierbar und es ließen sich Reaktionen nachweisen, die eine klinische Aktivität andeuten.
Parallel zu der jetzt begonnenen Phase-II-Studie hat Biontech eine epidemiologische Studie (NCT04813627) initiiert, um den ctDNA-Status bei Patienten mit Darmkrebs im Stadium II/III nach Resektion oder vor einer adjuvanten Chemotherapie zu untersuchen. Auf diese Weise sollen Patienten identifiziert werden, die in die Phase-II-Studie integriert werden können.
»Diese Studie ist ein wichtiger Meilenstein in unserem Bestreben, Patienten individualisierte Immuntherapien zur Verfügung zu stellen«, sagt die Mitgründerin von Biontech, Privatdozentin Dr. Özlem Türeci, in der Pressemitteilung. Und sie ergänzt: »Viele Krebserkrankungen verlaufen so, dass der Patient nach der Operation zunächst tumorfrei erscheint. Nach einiger Zeit bilden sich allerdings wachsende Tumorherde, die zunächst nicht sichtbar waren, und es kommt zu Metastasen. In dieser klinischen Studie bei Patienten mit Darmkrebs wollen wir die Hochrisikopatienten mit einem Bluttest identifizieren und evaluieren, ob ein individualisierter mRNA-Impfstoff solche Rückfälle verhindern kann.«
Die Plattform BNT122 (RO7198457) wird von den beiden Partnern Biontech und Genentech auch in anderen Indikationen getestet. Im Studienregister Clinicaltrials.gov sind eine Phase-I-Studie von RO7198457 zusammen mit Atezolizumab in der Indikation Pankreaskarzinom, eine Phase-I-Studie von RO7198457 zusammen mit Atezolizumab bei verschiedenen lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Tumoren sowie eine randomisierte Phase-II-Studie zusammen mit Pembrolizumab zur Primärtherapie von Melanompatienten gelistet.