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Herpesviren unter Verdacht

Biomarker für Long Covid gefunden

Nach wie vor sind die Ursachen und Mechanismen, die nach einer SARS-CoV-2-Infektion bei etwa 5 Prozent der Infizierten zu anhaltenden Beschwerden führen, schlecht verstanden. Für die Betroffenen ist Long Covid eine extrem belastende Erkrankung, für die dringend eine gezieltere Diagnostik und eine wirksame Therapie gefunden werden muss. Jetzt gibt es einen neuen Ansatz.
AutorKontaktTheo Dingermann
Datum 19.01.2024  12:30 Uhr

Eine akute Infektion mit SARS-CoV-2 verursacht patientenindividuell sehr verschiedene klinische Phänotypen. Manche Betroffenen verspüren nahezu keine Symptome wohingegen andere teils lebensbedrohlich erkranken. Darüber hinaus persistieren bei etwa 5 Prozent aller infizierten Personen Krankheitssymptome, und es entwickeln sich langfristige Komplikationen, die als Long Covid bezeichnet werden. Obwohl Long Covid keine seltene Komplikation von Covid-19 ist, mangelt es derzeit immer noch an diagnostischen Tests und therapeutischen Lösungen für die betroffenen Patienten.

Der Diagnostik nahmen sich Forschende um Dr. Carlo Cervia-Hasler und Kollegen vom Institut für Immunologie der Universität Zürich an, die die Ergebnisse ihrer Arbeit jetzt im Wissenschaftsmagazin »Science« publizierten. Sie untersuchten die Seren von 113 Covid-19-Patienten bis ein Jahr nach ihrer akuten Coronavirus-Infektion und verglichen die ermittelten Parameter mit denen aus Seren von 39 gesunden Kontrollpersonen. Auf diese Weise sollten Biomarker und immunologische Veränderungen identifiziert werden, die mit Long Covid assoziiert sind.

Komplementsystem gerät aus dem Gleichgewicht

Als ein Hauptergebnis ihrer Studie konnten die Forschenden zeigen, dass das Komplementsystem bei der Long-Covid-Erkrankung eine wichtige Rolle spielt. Das Komplementsystem ist eine der löslichen Komponenten des angeborenen Immunsystems. Es ist extrem wichtig, um Infektionen zu bekämpfen und infizierte Körperzellen zu beseitigen. Allerdings kommt es zu Problemen, wenn ein aktiviertes Komplementsystem nicht mehr in den Stand-by-Status zurückkehrt. Genau dieses Problem scheint bei vielen Long-Covid-Patienten für die lang anhalten Komplikationen verantwortlich zu sein, wie die Schweizer Forschenden zeigen konnten.

Nach sechs Monaten hatten 40 der 113 Betroffenen in der Studie immer noch Long-Covid-Beschwerden. Anhand von mehr als 6500 untersuchten Proteinen im Blut der Studienteilnehmenden ließ sich die ungebremste Aktivität des Komplementsystems auch noch sechs Monate nach der akuten Covid-19-Phase bestätigten. Zudem ließen sich bei Patienten mit aktiver Long-Covid-Krankheit erhöhte Blutwerte für Schäden an verschiedenen Körperzellen einschließlich der roten Blutkörperchen, der Blutplättchen und der Blutgefäße nachweisen. 

Terminaler Komplementkomplex besonders betroffen

Besonders betroffen war der terminale Komplementweg, der zur Bildung des terminalen Komplementkomplexes (TCC) führt, der eine Pore in die Membran der Zellen stanzt, die dadurch absterben. Dies zeigten die Forschenden durch eine verminderte Konzentration von Komplementkomponente 7 (C7) im TCC im Serum von Long-Covid-Patienten, wodurch indirekt eine vermehrte Membraneinlagerung des terminalen Komplementkomplexes nachgewiesen wird.

Diese fehlgeleitete Regulation des Komplementsystems erklärt plausibel die beobachteten Gewebeschäden einerseits aber auch die Thromboinflammation andererseits, die durch erhöhte Marker von Hämolyse, Endothelaktivierung und Plättchenaktivierung im Serum von Long-Covid-Patienten nachweisbar ist.

Besonders interessant ist die Beobachtung der Forschenden, dass auch der klassischen Komplementweg aktiviert zu sein scheint. Hierfür könnten Antigen-Antikörper-Komplexe verantwortlich sein, an denen Autoantikörper und Antikörper gegen Cytomegalie- und Epstein-Barr-Viren beteiligt zu sein scheinen.

Zusammenfassend beschreiben die Forschenden eine Blutprotein-Signatur für Long Covid, die eine erhöhte Komplementaktivierung und Thromboinflammation widerspiegelt. Diese Veränderungen könnten sowohl zur Pathogenese als auch zur Diagnose von Long Covid beitragen.

Experten heben die Relevanz der Ergebnisse dieser Arbeit hervor

Das Science Media Center befragte zu der Arbeit Experten, die prinzipiell die Relevanz der Ergebnisse dieser Arbeit unterstrichen. Dr. Rainer Kaiser von der Medizinischen Klinik und Poliklinik I am Klinikum der Universität München (LMU) unterstreicht, dass »rein objektiv festgehalten werden kann, dass die vorliegende Studie sicherlich zu den umfang- und detailreichsten der Long-Covid-Forschung gehört und spezifische Signaturen in symptomatischen Patienten zu finden scheint«. Allerdings sieht er kritisch, ob sich hieraus neue therapeutische Konzepte ergeben, da die identifizierten Proteine im Körper essenzielle Funktionen erfüllen. Zudem interpretiert er die Ergebnisse eher im Sinne einer Korrelation und nicht im Sinne einer Kausalität.

Privatdozent Dr. Leo Nicolai, Forschungsgruppenleiter an der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des Klinikums der Universität München (LMU) gibt zu bedenken, dass deutlich größer angelegte Studien gebraucht würden. Er hält die Anzahl der hier untersuchten Long-Covid-Patienten für zu gering, um verlässliche Daten für dieses heterogene Krankheitsbild zu generieren. Vielmehr seien hier Daten von hunderten bis tausenden Patienten von Nöten.

Neue Erkenntnisse noch nicht für Routine-Tests nutzbar

Professor Dr. Maria Vehreschild, Leiterin des Schwerpunkts Infektiologie an der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums Frankfurt sagt: »Diese Daten passen sehr gut zu den bisher aufgestellten Hypothesen zur Entstehung von Long Covid. Alle Hypothesen gehen davon aus, dass eine Fehlregulation des Immunsystems zu einer Entzündungsreaktion führt, die die typischen Beschwerden verursachen. Dabei werden Herpesviren aktuell als eine wahrscheinliche Ursache für diese Fehlaktivierung vermutet.« Man könne an den publizierten Daten aber auch sehen, dass die Trennschärfe nicht in jedem Fall eine eindeutige Trennung zwischen gesunden Freiwilligen und Long-Covid-Patienten erlaube.

Schließlich weist Professor Dr. Andreas Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV und Leiter des Long-Covid-Zentrums am Universitätsklinikum Jena, darauf hin, dass sich die Ergebnisse (noch) nicht in die tägliche Routine übertragen lassen. Es gebe bisher keinen schnell verfügbaren diagnostischen Test, der die beschriebenen Veränderungen adressiert.

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