Biodiversität des Darmmikrobioms bewahren |
Im menschlichen Darm kommen zwischen 300 bis 500 verschiedene Bakterienarten vor – je diverser, desto besser. / Foto: Getty Images/Marcin Klapczynski
Der Artenschwund betrifft nicht nur Tiere und Pflanzen weltweit: Bedroht ist auch die Artenvielfalt im Menschen. «Wir haben festgestellt, dass wir die Biodiversität im Darm verlieren», sagte der medizinische Mikrobiologe Adrian Egli von der Universität Zürich der Deutschen Presse-Agentur. «Im Amazonas gibt es viel mehr Vielfalt im Vergleich zur westlichen Bevölkerung. Das hat mit Stress, mit Antibiotika und auch mit der Ernährung zu tun.»
Welchen Schatz jeder in sich trägt, macht Egli mit einem Vergleich deutlich: «In einem Gramm Stuhl befinden sich tausend Milliarden Bakterien, 125-mal so viel wie Menschen auf dem Planeten», sagt er. «Unglaublich, wenn man bedenkt, was da in einem lebt.» In einem Menschen kommen dabei zwischen 300 bis 500 verschiedene Arten vor.
In einem internationalen Projekt soll nun gerettet werden, was noch zu retten ist: mit einem riesigen Tresor für menschlichen Kot, dem «Microbiota Vault» – ähnlich dem Saatgut-Tresor auf Spitzbergen, wo Samen etlicher Sorten von Nahrungspflanzen aufbewahrt werden. In einer speziellen Lösung können Bakterien Jahrzehnte überleben, wie Egli sagt.
In Eglis Labor stehen die Tiefkühlschränke, in denen bei minus 80 Grad bislang rund 2500 Stuhlproben eingefroren sind, unter anderem aus Äthiopien, Laos, Puerto Rico und der Schweiz. Das Pilotprojekt sei fast abgeschlossen, mit weitgehend positivem Ergebnis. Demnächst sollen dann zehntausende Proben aus aller Welt in Zürich landen. Dafür muss ein Tresor für die Endlagerung gebaut werden, sagt Egli. Die Eisschränke in seinem Labor reichen bald nicht mehr aus.
Derzeit steckt die Erforschung der Darmflora noch in den Kinderschuhen. «Womöglich können aus der Erkenntnis zum Mikrobiom Therapien entwickelt werden, um Übergewicht, Diabetes, rheumatische Krankheiten oder chronische Darmentzündungen positiv zu beeinflussen», so Egli. Zum Mikrobiom gehören auch Pilze und Viren, aber Bakterien sind besonders wichtig, weil sie viele bedeutsame Stoffwechseleigenschaften haben.
Dank neuer Maschinen und Methoden ist es inzwischen möglich und gut bezahlbar, Darmbakterien genetisch zu erforschen. «Es gibt jede Woche neue Entdeckungen», sagt Egli. «Und von der Analyse der Bakterien kann die ganze Menschheit profitieren.» Das Mikrobiom stehe zum Beispiel mit Krankheiten wie Krebs und Autoimmunkrankheiten in Zusammenhang. Denkbar sei, dass eines Tages mit dem gezieltem Einsatz von Bakterien etwa das Ansprechen auf Krebstherapien verbessert werden kann, sagt Egli. Stuhltransplantationen sind ein anderes Feld der Medizin. «Eine Stuhlprobe mit optimalem Mikrobiom, die einem Kranken gegeben wird – in Studien hat man gesehen, dass das zur Gesundung beitragen kann», so Egli.
Die Darmbakterien können zum Beispiel die Ansiedlung von Pathogenen verhindern, die Menschen krank machen, berichtete ein Team um die Mikrobiologin Frances Spragge von der Universität Oxford gerade in der Zeitschrift «Science».
Zu einem guten Mikrobiom kann der Mensch selbst beitragen. Wichtig ist zum Beispiel eine ballaststoffreiche Ernährung. Bezeichnet werden damit weitgehend unverdauliche, pflanzliche Nahrungsbestandteile. Sie haben unter anderem Einfluss auf die Sättigungswirkung sowie darauf, wie lange aufgenommene Nahrung in Magen und Darm verbleibt und wie gut Nährstoffe vom Körper ausgenommen werden.
Eine hohe Ballaststoffzufuhr zeigt schützende Effekte bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes, Adipositas, Bluthochdruck sowie Dickdarm- und Brustkrebs, wie es bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) heißt. Zu den ballaststoffreichen Lebensmitteln gehören demnach Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen, Vollkornprodukte sowie Gemüse und Obst wie Artischocken, Paprika und Rhabarber.