Bienen als Diplomaten und Gesundheitswächter |
Jennifer Evans |
17.07.2023 07:00 Uhr |
Seit 2018 gibt es einen Weltbienentag, der auf Initiative des Bienenlands Slowenien entstand. Dort sind die Tiere teil der kulturellen Identität. / Foto: Adobe Stock/Alvaro
In Slowenien summt und brummt es. Dort leben 11.000 Imker mit rund 200.000 Bienenvölkern – und das bei kaum mehr als 2 Millionen Einwohnern. Die Bienen sind in dem kleinen Mittelmeerstaat Teil der Kulturgeschichte. Diese Landestradition hat die Unesco im Jahr 2022 in das sogenannte immaterielle Weltkulturerbe aufgenommen. Wie stark die slowenische Kultur von den Bienen geprägt ist, zeigt aktuell eine Ausstellung im Berliner Museum Europäischer Kulturen.
In Slowenien war es auch, wo die Habsburger Kaiserin Maria Theresia im 18. Jahrhundert die erste Bienenzucht-Schule gründete. Seitdem gilt das zu 60 Prozent von Wäldern bedeckte Land als Wiege der Bienenzucht und der modernen Imkerei. Viele Familien geben ihr Wissen von Generation zu Generation weiter. Zur Zucht ist allerdings nur die einheimische Rasse zugelassen, die sogenannte Krainer Biene. Sie eignet sich, weil sie so robust, fleißig und ruhig ist. Außerdem kann sie sich gut orientieren.
Natürlich haben die Slowenen auch einen offiziellen Weltbienentag ins Leben gerufen, der seit 2018 immer am 20. Mai gefeiert wird. Damit nicht genug: Wie Saša Šavel Burkart, Leiterin des Slowenischen Kulturinstituts, berichtet, gehört die Imkerei auch zur Kulturdiplomatie des Landes. Angesiedelt beim slowenischen Außenministerium sollen Bienen nämlich zum Dialog und zur Toleranz beitragen. Konkret geht es um Bestäubungsprojekte oder solche, bei denen Landminenopfer durch die Bienenzucht ein stabiles Einkommen erhalten.
Die Menschen profitieren natürlich auch von Honig und Wachs. Bienenprodukte kommen etwa in Gebäck wie dem slowenischen Kuchen Potica vor, aber auch in Kosmetik, Kerzen oder beim Handwerk, beispielsweise bei Schmuck. Auch in der Heilkunde haben sie einen festen Platz. Begründer der modernen Apitherapie war der slowenische Arzt Dr. Filip Terč (1844–1917). Er setzte einst gezielt Bienenstiche in der Rheumabehandlung ein. Ebenfalls bekannt ist Propolis, mit dem die Bienen ihr Zuhause auskleiden. Die harzige Substanz wehrt Kälte, Feuchtigkeit, Bakterien, Viren und Pilze ab. Bienengift, das in der Giftdrüse der Arbeiterbiene produziert wird, enthält Ameisensäure und Apamin. Letztes wirkt auf das Nervensystem.
Wer in Slowenien lebt, der wundert sich auch nicht über Bienenstockstirnbrettchen. Die bemalten Hölzer befinden sich oberhalb der Fluglöcher an den Bienenstöcken und prägen das Landschaftsbild. Es handelt sich dabei um kleine farbenfrohe Kunstwerke, die historische, religiöse oder alltägliche Szenen zeigen. Die Bildtafeln helfen sowohl den Imkern als auch den Bienen die Bienenstöcke zu unterscheiden.
Übrigens navigieren Bienen – ebenso wie Menschen – mit Gedächtniskarten, wie eine aktuelle Studie unter Leitung des Zoologen und Neurobiologen Professor Dr. Dr. Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin zutage brachte. Über ihr kartenartiges Landschaftsgedächtnis sind die Tiere in der Lage, von jedem Ort aus zu einer angegebenen Stelle zu fliegen. Die Richtung lesen sie aus dem Schwänzeltanz ab. In dieser rhythmischen Tanzkommunikation zeigen Bienen den Weg zu einer Nahrungsquelle an, wobei sie die Informationen zu Entfernung und Richtung verschlüsseln. Jeder »Schwänzel« bedeutet dabei 80 Meter. Die Richtung messen sie anhand ihres sogenannten Sonnenkompasses.
Das Forschungsteam um Menzel hat nun nachgewiesen, dass Bienen nicht nur dann den richtigen Ort ansteuern, wenn sie von ihrem Bienenstock aus starten, sondern auch, wenn sie von beliebigen anderen Stellen aus ihrem Landschaftsgedächtnis losfliegen. Zuvor hatte man angenommen, dass die Tiere der Tänzerin folgten.
Bei ihren Ausflügen können Bienen unter anderem Informationen über die menschliche Gesundheit sowie Krankheitserreger sammeln. Das zeigt eine US-amerikanische Untersuchung, die kürzlich im Wissenschaftsjournal »Environmental Microbiome« erschienen ist. In Städten bringen die Tiere wie eine Art lokale Datensammler Mikroben wie Bakterien, Pilze oder auch Viren mit. Die Forscher probierten das in New York, Tokio, Venedig, Melbourne und Sydney aus. Es stellte sich heraus: Das gesammelte Material, sprich das metagenomische Profil, variierte von Stadt zu Stadt.
Immer häufiger gibt es auch Imker in Großstädten. Bienen können dort wichtige Daten liefern, unter anderem zu drohenden Epidemien. / Foto: MEK/Luka Dakskobler
In Melbourne dominierte Eukalyptus, während Proben aus Tokio pflanzliche DNA aus Lotus sowie wilder Sojabohne aufwiesen, aber auch Spuren der Hefe Zygosaccharomyces rouxii, die Sojasoße fermentiert. In den Proben aus Venedig waren vornehmlich Pilze zu finden, die mit Holzfäule und Dattelpalmen-DNA in Verbindung stehen. Zudem erhielten sie bienenverwandte Mikroorganismen, die Aufschluss über gesunde Bienenstöcke gaben oder eben solche, die Krankheitserreger oder Parasiten wie etwa die Milbe Varroa destructor aufwiesen. In Sydney kam eine Bakterienart zutage, die Gummi abbaut. Auch entdeckten die Forscher DNA von einem Erreger namens Rickettsia felis, der über Katzenflöhe auf den Menschen übertragen wird.
Nach Ansicht der Studienautoren können Honigbienen bei der Probensammlung der städtischen Mikrobiota effektiv mitwirken, weil sie täglich in einem Umkreis von bis zu zwei Kilometern um ihren Bienenstock auf Nahrungssuche gehen. »Städte werden von und für Menschen gebaut, sind aber auch komplexe, anpassungsfähige biologische Systeme, an denen eine Vielzahl anderer Lebewesen beteiligt ist«, heißt es in der Studie.
Bienen hätten also durchaus das Potenzial, die Verschmutzung der Großstädte sowie die menschliche Gesundheit zu überwachen. Dieser artenübergreifende methodische Ansatz kann nach Ansicht der Forscher ebenfalls eine ergänzende Strategie zur Überwachung der Innenraumluft und des Abwassers darstellen, um zum Beispiel Antibiotikaresistenzen oder der Ausbreitung von Viruskrankheiten auf die Spur zu kommen.
Die Ausstellung »Buzzing Slovenia. Von Menschen und Bienen« ist noch bis zum bis 14.4.2024 im Museum Europäischer Kulturen (MEK), Arnimallee 25 in Berlin zu sehen.