BGH sieht Skonto als Rabatt |
Cornelia Dölger |
08.02.2024 14:50 Uhr |
Hintergrund des aktuellen Skonto-Streits vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ist die Klage der Wettbewerbszentrale gegen einen Pharmahändler. / Foto: IMAGO/Schöning
Nach mehrstündiger Verhandlung und anschließender Beratung ließ der BGH in einem Tenor zur Verhandlung verlauten, dass Skonti beim Einkauf von Rx-Arzneimitteln unzulässig sind, wenn sie über die 3,15-Prozent-Spanne hinausgehen. Der BGH folgt damit einem Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) aus dem Juni 2023. »Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 6. Juni 2023 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen«, heißt es im Tenor.
Der aktuelle Skonto-Streit drehte sich um die Klage der Wettbewerbszentrale gegen einen Pharmahändler. Konkret geht es um die Konditionen des Reimporteurs Haemato aus Schönefeld bei Berlin. Diesen hatte die Wettbewerbszentrale verklagt, weil sie in seinen Konditionen einen Verstoß gegen die Preisvorschriften laut Arzneimittelgesetz (AMG) und Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) sieht. Haemato hatte den Apotheken im Direktgeschäft 3,04 Prozent Rabatt plus 3 Prozent Skonto bei Zahlung innerhalb von 14 Tagen gewährt. Üblicherweise liegt sein Zahlungsziel bei einem Monat.
Großhändler dürfen Apotheken maximal 3,15 Prozent Rabatt auf Rx-Medikamente gewähren. Einen Deckel für Skonti gibt es bislang nicht – wohl aber die Frage, wie der Begriff Skonto vor diesem Hintergrund zu definieren ist, unter welchen Voraussetzungen also die Preisnachlässe gewährt werden. Damit beschäftigte sich der BGH. Nachdem die Parteien – die klagende Wettbewerbszentrale sowie der beklagte Reimporteur – ihre Argumente ausgetauscht hatten, ging die Beratung hinter verschlossenen Türen weiter.
Das nun ausgesprochene Verbot von Skonti dürfte die Apotheken wirtschaftlich hart treffen, denn durch die Kombination aus Rabatten und Skonti können sie beim Rx-Einkauf Geld einsparen. Diese Option fällt durch das Urteil weg.
Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Hans-Peter Hubmann, kommentierte, das Urteil komme nicht überraschend. Vielmehr bestätige es im Ergebnis die Forderung der Apotheken nach sofortiger spürbarer finanzieller Entlastung der Apotheken. denn es führe zu »einer weiteren erheblichen Belastung der ohnehin wirtschaftlich angeschlagenen Apotheken«. Die bestehende Unterfinanzierung werde dadurch weiter verschärft. Die politisch Verantwortlichen müssten also endlich ihrer Verantwortung gerecht werden. Mit dem Urteil dürfe klar geworden sein, dass die finanzielle Situation der Apotheken unverzüglich verbessert werden müsse. »Will man die Arzneimittelversorgung in Deutschland nicht grundsätzlich aufs Spiel setzen, zählt hier jeder Monat«, betonte Hubmann.
Nach Bekanntwerden des Urteils erklärte die Wettbewerbszentrale gegenüber der PZ, dass nun eine Rechtsfrage geklärt worden sei, die seit 2016 diskutiert wurde. Der Großhandelsverband Phagro will mit einer Einschätzung warten, bis die Urteilsbegründung vorliegt.
Ob die Praxis zulässig ist, dass Großhändler Apotheken mit der Aussicht, durch vorfristige Zahlung Geld beim Rx-Einkauf zu sparen, Anreize setzen, ist tatsächlich eine längere Geschichte – die Frage hat eine abwechslungsreiche Reise durch die Instanzen hinter sich. Es geht um Zahlungsfälligkeit, (womöglich zu lange) Fristen, versteckte Rabatte, gesprengte Spielräume bei gesetzlichen Vorschriften.
So gab es bereits 2017 ein höchstrichterliches Urteil in Sachen Preisnachlässe. Damals entschied der BGH, dass Großhändler ihre komplette Marge an die Apotheken weitergeben dürfen. Die Großhandelsspanne und damit auch der Festzuschlag seien vollumfänglich rabattierfähig, so das Karlsruher Urteil. Ihm zufolge darf ein Pharmagroßhändler gegenüber seinen Kunden sowohl auf den in der AMPreisV festgesetzten preisabhängigen Zuschlag von 3,15 Prozent (maximal 37,80 Euro) sowie auf den Festzuschlag ganz oder teilweise verzichten.
Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale, weil sie der Ansicht war, dass ein Großhändler den Preis für seine Waren eben nicht beliebig niedrig ansetzen darf, sondern die Höhe der Nachlässe durch die AMPreisV auf maximal 3,15 Prozent begrenzt sei. Konkret ging es damals um den Großhändler AEP, der in den Augen der Wettbewerbshüter mit seinem Angebot diesen Spielraum gesprengt hatte.
Dieser zeigte sich mit der BGH-Entscheidung zufrieden – der Pharmagroßhandel wertete die fehlende Preisuntergrenze hingegen als indiskutabel. Mit der Entscheidung des BGH werde §2 der Arzneimittelpreisverordnung »völlig sinnentleert«, sagte der damalige Phagro-Vorsitzende Thomas Trümper. Der Gesetzgeber müsse klarstellen, dass der Festzuschlag in der AMPreisV nicht rabattierfähig sei.
Als Reaktion auf das BGH-Urteil tat der Gesetzgeber dies schließlich und hielt fest, dass die Fixpauschale des Großhandels – anders als vom BGH entschieden – von Rabatten ausgenommen sei. Großhändler sowie Hersteller im Direktgeschäft dürfen demnach nur aus dem variablen Teil der Marge von 3,15 Prozent Rabatte gewähren. Wegen einer erneut auslegbaren Formulierung im Gesetz war seitdem aber weiter umstritten, unter welchen Bedingungen und in welcher Höhe Skonti innerhalb dieser Marge gewährt werden dürfen. Unklar war etwa, unter welchen Voraussetzungen Skonti als »echt« oder »unecht« anzusehen sind, also handelsübliche Belohnung für frühzeitiges Bezahlen darstellen oder vielmehr versteckte Rabatte.
Mit dem aktuellen Fall hatten sich bereits das Landgericht Cottbus sowie das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) befasst. Das OLG Brandenburg hatte die Frage, ob im Geschäftsverkehr zwischen Großhandel und Apotheken Skonti gewährt werden dürfen, verneint (Az. 6 U 86/21). Haemato legte Revision ein, nun landete der Streit vor dem BGH (Az. beim BGH I ZR 91/23).
Laut Wettbewerbszentrale lassen die Vorschriften der AMPreisV keine Spielräume für Skonti. Haemato hingegen trug vor, die Vorschriften enthielten kein Skontoverbot, sondern legten lediglich fest, dass ein Festzuschlag zwingend zu erheben sei. Außerdem stelle das Angebot eines Skontos eine Gegenleistung dar für eine vorzeitige Zahlung bei einem handelsüblich längeren Zahlungsziel und sei als solche auch im Geschäftsverkehr mit Apotheken üblich und angemessen.
Das OLG argumentierte, dass ein ausdrückliches Skonto-Verbot im Gesetzestext nicht notwendig sei . Nach dem Sinn und Zweck der Norm komme eine Unterschreitung der Preisuntergrenze durch die Einräumung von Skonti nicht in Betracht. Das gilt nach Auffassung des Senats auch dann, wenn man das Skonto als Vergütung für die vorfristige Zahlung und nicht als Preisnachlass ansehe, also als »echten« Skonto. Denn wenn der Festzuschlag als Beitrag zur Sicherung der Existenz des Großhandels nicht skontierfähig sei, so gelte das für den Mindestpreis insgesamt.