BGH sieht Rx-Boni-Werbung kritisch |
Alexander Müller |
18.08.2023 12:30 Uhr |
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss sich erneut mit Rx-Boni befassen. / Foto: picture alliance/dpa
Ursprünglich geht es in dem Rechtsstreit zwischen Doc Morris und der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) um eine Schadenersatzklage. Die Kammer hatte seit 2013 immer wieder einstweilige Verfügungen gegen den Versender erwirkt, um dessen Bonusmodelle zu untersagen. Deutsche Gerichte verhängten wiederholt Ordnungsgelder, die Doc Morris aber regelmäßig nicht zahlte. Und weil die grenzüberschreitende Eintreibung solcher Titel offenbar schwierig war, verjährten die Ansprüche der Staatskasse nach und nach.
2016 schien sich die Hartnäckigkeit des Versenders auszuzahlen. Der EuGH erklärte recht überraschend, dass die deutsche Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) nicht für ausländische Versandapotheken gilt. Doc Morris forderte in der Folge mindestens 18 Millionen Euro von der Kammer als Schadenersatz – aus angeblich entgangenen Gewinnen in Folge der verhängten einstweiligen Verfügungen.
Das Landgericht Düsseldorf wies die Schadenersatzklage in erster Instanz ab. Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) hatte Doc Morris mit der Berufung teilweise Erfolg, dagegen wendete sich die Kammer wiederum mit ihrer Revision.
Der BGH hat in der Sache noch nicht entschieden, sondern wünscht sich vom EuGH zunächst eine Klarstellung. Die Luxemburger Richter hatten in der jüngeren Vergangenheit die Zügel bei der Arzneimittelwerbung deutlich angezogen. Der BGH möchte bestätigt wissen, ob entsprechende Werbevorschriften auch auf das gesamte Sortiment angewendet werden können.
Falls der EuGH das so sieht, geht es im nächsten Schritt um Rx-Boni und die Frage, ob sich damit Gutscheine für den späteren Einkauf einerseits und unmittelbar wirkende Rabatte andererseits vom nationalen Gesetzgeber verbieten lassen.
Grundsätzlich gilt: Eine Schadenersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn die einstweilige Verfügung von Anfang an gerechtfertigt war. Doch laut BGH kann das seinerzeit noch im Arzneimittelgesetz (AMG) verankerte Rx-Boni-Verbot in diesem Fall nicht pauschal herangezogen werden – wegen des EuGH-Urteils aus dem Jahr 2016.
Zwischenzeitlich hat der deutsche Gesetzgeber das Boni-Verbot allerdings ins Sozialgesetz V (SGB V) umgezogen. Auf diesen Umstand geht der BGH in seinem Vorlagebeschluss nicht weiter ein – möglicherweise, weil die Rechtslage zum damaligen Zeitpunkt eine andere war.
Im Beschluss heiß es nur knapp, es »besteht kein Anlass« für eine erneute Vorlage an den EuGH, ob die Preisbindung erforderlich ist, um die flächendeckende und gleichmäßige Arzneimittelversorgung sicherzustellen und das finanzielle Gleichgewicht des GKV-Systems abzusichern.
Im neuen EuGH-Verfahren soll es vor allem um die Bewerbung der Rabatte gehen. Denn laut Heilmittelwerbegesetz (HWG) soll die weitgehende Eindämmung der Werbung für Arzneimittel der abstrakten Gefahr begegnen, eine Nachfrageentscheidung erst zu initiieren.
Drei der fünf umstrittenen Werbemaßnahmen von Doc Morris waren aus Sicht des BGH mit Blick auf das deutsche Heilmittelwerberecht unzulässig. Insofern könne der Versender hier auch nicht auf Schadenersatz hoffen.
Nach Einschätzung des BGH sind die Bonifizierung für die Teilnahme an einem Arzneimittelcheck, ein Hotelgutschein oder eine beitragsfreie Jahresmitgliedschaft im ADAC bei Neukundenwerbung nicht von der Ausnahme erfasst, ebensowenig ein pauschaler 10-Euro-Gutschein bei Rezepteinreichung für eine nachfolgende Bestellung rezeptfreier Produkte. In allen Fällen bestehe die Gefahr der unsachlichen Beeinflussung.
Aus Sicht des BGH können allenfalls direkte Bar-Rabatte, nicht aber Rabattgutscheine für den nächsten Kauf unter den Ausnahmetatbestand des Gesetzes fallen. Denn der Schutzzweck des § 7 Abs. 1 HWG sei, auch nur der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung entgegenzuwirken.
Zulässig könnten aus Sicht des BGH dagegen Geldrabatte sein, die unmittelbar den Rechnungsbetrag der Bestellung reduzieren. Diese verstoßen zwar gegen die Preisbindung – an diese sei Doc Morris nach dem EuGH-Urteil aber nicht gebunden gewesen.
An der Entscheidung aus Luxemburg hängt damit nicht nur die Schadenersatzklage gegen die AKNR, sondern möglicherweise die künftige Bewertung von Rx-Boni ausländischer Versender.