Betäubungsmittel im Fokus |
Die Isolierung der Opioide aus dem Schlafmohn gelang zuerst dem Apotheker Friedrich Wilhelm Sertürner. / Foto: Natalie Prinz - Fotolia.com
Schlagzeilen wie »»Opioidkrise in den USA«, »Risiken der starken Schmerzmittel« oder auch »Zwischen Sucht und Heilung« beschäftigen die Presse. Das wirft Fragen auf: Wie sieht es hier in Deutschland aus? Kann es auch hierzulande zu leichtfertigen Verordnungen kommen? Welche rechtlichen Kontrollmaßnahmen und Reglementierungen sind verankert, um die Sicherheit rund um das Betäubungsmittel (BTM) zu gewährleisten?
Stark wirksame Arzneimittel wurden seit Jahrtausenden zur Behandlung und Linderung von Krankheiten eingesetzt. In früheren Zeiten wurden Pflanzen, Pflanzenteile oder auch Opium verwendet. Später mit der Isolierung der Alkaloide aus der Pflanze, zuerst durch Friedrich Wilhelm Sertürner (1804/1805), beginnt die Entwicklung zur Synthetisierung neuer stark wirksamer Substanzen. Nutzen und Risiko dieser Arzneimittel liegen jedoch eng beieinander, denn alle diese Stoffe und Zubereitungen haben ein gewisses Suchtpotential. Diese suchtauslösende oder auch psychotrope Wirkung führt oftmals zur missbräuchlichen Verwendung. Mit strengen rechtlichen Vorgaben wird deshalb der legale Verkehr mit diesen Arzneimitteln, die als BTM eingestuft sind, reglementiert.
Bereits vor mehr als 100 Jahren waren diese Gefahren bekannt und viele Staaten verabschiedeten im Jahr 1920 mit der Haagener Konvention ein erstes Suchtstoffabkommen. Sie vereinbarten, Handel und Produktion von Cocain und Opium gesetzlich zu regeln. Auch Deutschland trat der Haagener Konvention bei und verabschiedete 1920 das erste Opiumgesetz. Dieses wurde aus völkerrechtlichen Gründen im Jahr 1929 von einem modifizierten Opiumgesetz abgelöst.
Das erste Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln stammt aus dem Jahr 1971. Zehn Jahre später erfolgte eine Neuordnung des Betäubungsmittelrechts. Neben einer Strafverschärfung für schwere Rauschgiftkriminalität zur Eindämmung des illegalen Rauschgifthandels machte es Straferleichterungen für kleinere und mittlere Rauschgiftdelikte möglich, nach dem Prinzip »Therapie vor Strafe«.
Die deutsche Gesetzgebung wird zudem durch internationale Bestimmungen beeinflusst. Ergänzungen und Anpassungen in den Betäubungsmittel-Listen basieren auf den Empfehlungen der Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen der internationalen Suchtstoffkontrolle. Seit 1971 sind auch psychotrope Stoffe dem BTM-Recht unterstellt. Am 1. März 1995 trat das Grundstoffüberwachungsgesetz (GÜG) in Kraft. Es regelt den Verkehr mit Grundstoffen, die für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln missbraucht werden können. Auf nationaler Ebene ist die Bundesopiumstelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für den BTM-Verkehr zuständig.
Ziel des Betäubungsmittelgesetzes ist es, die notwendige Versorgung mit Betäubungsmitteln für arzneiliche Zwecke zu sichern und den Verkehr so zu regeln, dass deren Sicherheit und Kontrolle gewährleistet ist. Dies wird mit einem generellen Erlaubnisvorbehalt und umfassenden Dokumentationsverpflichtungen auf allen Ebenen erreicht. Jeglicher Verkehr mit Betäubungsmitteln ist an eine behördliche Erlaubnis (personen- und raumgebunden) geknüpft, jede Weitergabe in der Handelskette bis zum Patienten hin muss lückenlos dokumentiert werden.
Das Betäubungsmittelrecht ist lex specialis, sogenanntes Sonderrecht, und gehört allgemein zum Sicherheitsrecht mit strengen Rechtsnormen. Das bedeutet, dass alle anderen gesetzlichen Regelungen wie zum Beispiel das Arzneimittelrecht untergeordnet sind. Die Einhaltung der komplexen rechtlichen Bestimmungen unterliegt der behördlichen Überwachung, zahlreiche Vorschriften sind strafbewehrt.
Im Betäubungsmittelgesetz (BTMG) sind die Grundregeln für den Verkehr mit Betäubungsmitteln verankert. Einige wichtige Regelungen für den Apothekenbetrieb sollen kurz betrachtet werden.
Betäubungsmittel sind die in den Anlagen I bis III des BTMG aufgeführten Stoffe und Zubereitungen, die aufgrund ihrer Wirkungsweise und vor allem mit Blick auf ihr Suchtpotenzial der Sicherheit und Kontrolle des BTM-Rechts unterstellt werden. In der Anlage I sind Stoffe mit hohem Missbrauchspotenzial, Rauschmittel und Designer-Drogen erfasst. Die Stoffe der Anlage II sind BTM, Ausgangsstoffe und Zwischenprodukte, für die vom BfArM Verkehrserlaubnisse erteilt sind, die aber dennoch nicht verordnet werden dürfen. Die in der Anlage III gelisteten Betäubungsmittel dürfen von Humanmedizinern, Zahn- und Tierärzten verordnet werden, jedoch nur als Zubereitung, also als Fertigarzneimittel oder Rezeptur. Eine Ausnahme stellt Cannabis dar, das auch in Form von getrocknete Blüten abgabefähig ist.
Zudem werden Regelungen zu den sogenannten ausgenommenen Zubereitungen getroffen. Die Wirkstoffe sind Betäubungsmittel, unter anderem viele Benzodiazepine. Sie sind jedoch in bestimmten Fällen oder auch Konzentrationen von den betäubungsmittelrechtlichen Bestimmungen ausgenommen, das heißt, sie können auf einem normalen Rezept verordnet werden. Rechtlich ist somit der Wirkstoff bis zu dem festgelegten Grenzwert ein Arzneimittel. Wird der Grenzwert überschritten, unterliegt er dem BTM-Recht.
Eine besondere Ausnahme ist zu beachten: Ausgenommene Zubereitungen von Codein und Dihydrocodein, die für betäubungsmittelabhängige oder alkoholabhängige Personen verschrieben werden, müssen auf BTM Rezept verordnet werden. Dies gilt auch zum Beispiel bei der Verordnung eines codeinhaltigen Schmerzmittels vom Zahnarzt.
Verschreibung und Abgabe sind an gesetzliche Regelungen gebunden, die in der BTM-Verschreibungsverordnung festgehalten sind. So dürfen Betäubungsmittel bekanntlich nur auf einem BTM-Rezept, mit Ausnahme der Notfallverschreibung, verordnet werden. Im Krankenhaus erfolgt aus Sicherheitsgründen die Verordnung auf BTM-Anforderungsscheinen. Diese gelten für den Stationsbedarf eines Krankenhauses oder einer Klinik sowie für den Rettungsdienst, den Notfallvorrat in Hospizen und in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung. Ärzte können BTM-Rezepte und BTM-Anforderungsscheine bei der Bundesopiumstelle bestellen. Sie sind mit einer aufgedruckten Nummer stets dem verantwortlichen Arzt zugeordnet. Der Arzt muss seine BTM-Rezepte diebstahlsicher aufbewahren und vor Missbrauch schützen. Ein Zugriff Unbefugter muss durch geeignete Sicherungsmaßnahmen verhindert werden.
Der Arzt darf Betäubungsmittel zudem nur verschreiben, wenn die Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper begründet ist. Die Anwendung ist insbesondere dann nicht begründet, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann. Dies gilt grundsätzlich auch bei der Behandlung einer Betäubungsmittelabhängigkeit. Die BTM-Verschreibungsverordnung verpflichtet den Arzt, seine Entscheidung, Betäubungsmittel zur Therapie einzusetzen, in jedem Fall kritisch im Hinblick auf das therapeutische Ziel zu hinterfragen. Der Arzt macht sich strafbar, wenn er BTM verschreibt, die therapeutisch nicht indiziert sind.
Gleichzeitig dürfen diese strengen rechtlichen Vorgaben die notwendige Behandlung der Patienten nicht beeinträchtigen. Deshalb wurden mit den letzten Änderungen der BTM-Verschreibungsverordnung auch Erleichterungen zum Ausstellen der Rezepte wie auch besondere Ausnahmebestimmungen für die Versorgung von palliativen Patienten aufgenommen.
Strafbar macht sich auch, wer zum Beispiel als Patient beim Arzt unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder andere ein BTM-Rezept zu erlangen.