Berberin, das »natürliche« Wegovy? |
Sven Siebenand |
02.08.2023 11:00 Uhr |
So sehen es auch viele andere Experten. »Die Behauptungen sind ziemlich übertrieben, wenn es um die Auswirkungen auf die Gewichtsabnahme geht, basierend auf den Beweisen in der derzeit verfügbaren Literatur«, sagt etwa Professor Dr. Jaime Almandoz, Endokrinologe und Medizinischer Direktor am UT Southwestern Medical Center in Dallas, gegenüber »Medscape«.
Auch eine Metaanalyse von zwölf randomisierten Studien, in denen die Auswirkungen von Berberin auf Fettleibigkeit untersucht wurden, wird auf der Nachrichtenseite regelrecht auseinandergenommen. Zwar sei die Untersuchung zu dem Schluss gekommen, dass die Behandlung mit Berberin das Körpergewicht moderat verringerte. Die eingeschlossenen Studien seien dabei aber nur über einen Zeitraum von wenigen Monaten durchgeführt worden, hätten eine geringe Teilnehmerzahl gehabt und der Gewichtsverlust sei nicht der primäre Endpunkt gewesen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Bezeichnung »natürliches Wegovy« oder auch »natürliches Ozempic« (Semaglutid ist auch in dem Diabetesmedikament Ozempic® enthalten) zum einen vollkommen irreführend ist und es zum anderen keine Empfehlung gibt, einen Abnehmversuch mit Berberin zu starten. Denn die Einnahme kann auch Nebenwirkungen mit sich bringen, zum Beispiel Übelkeit und Erbrechen. In Schwangerschaft und Stillzeit sollten Frauen auf jeden Fall die Finger von Berberin lassen.
Und auch in Sachen Wechselwirkungen ist das Alkaloid alles andere als unproblematisch. Es inhibiert verschiedene CYP-Enzyme, vor allem CYP2D6 und in geringerem Maße auch CYP3A4 und CYP2C9. Wird Berberin zusammen mit Substraten dieser Enzyme eingenommen, können deren Wirkspiegel deutlich steigen. Das birgt zum Beispiel in Kombination mit bestimmten Immunsuppressiva, Blutverdünnern, Blutdruckmitteln und dem Hustenmittel Dextrometorphan Risiken, die es unbedingt zu berücksichtigen gilt.