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Pharmazeutische Dienstleistung

Beratung nach Organtransplantation

Patienten nach Organtransplantation müssen viele Arzneimittel einnehmen und dies über einen langen Zeitraum. Wie können die regelmäßigen Besuche in der Apotheke genutzt werden für die pharmazeutische Dienstleistung (pDL) der Beratung nach Organtransplantation?
AutorKontaktRebecca Bisplinghoff
Datum 24.07.2025  09:00 Uhr

Das Thema Transplantation ist nicht nur am ersten Samstag im Juni, dem deutschen Tag für Organspende, in den Medien. Seit dem Organspendeskandal in Deutschland 2012 hat sich einiges getan: Die Regeln wurden verschärft und 2022 trat eine Gesetzesänderung zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei Organspende in Kraft (1). Dafür wurde 2024 ein Online-Register für die Erklärung zur Organ- und Gewebespende beim BfArM freigeschaltet. Hier können sich die Menschen zentral elektronisch kostenfrei und freiwillig eintragen. Auch die Aufklärung, zum Beispiel durch Hausärzte, in Apotheken und bei Erste-Hilfe-Kursen, wurde verbessert.

Trotzdem gibt es nicht genügend Spender. Zum Stichtag am 31. Dezember 2024 standen rund 8500 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Demgegenüber gab es im Jahr 2024 etwa 950 Organspender. Gemäß Statista waren circa 56 Prozent der 3701 Organspenden Nierenspenden, gefolgt von Leber- (24 Prozent) und Herztransplantationen (9,5 Prozent) (2, 3).

Anhand der Zahlen kann man erkennen, dass zwar keine große Population betroffen ist, aber gerade aufgrund der geringen Bereitschaft zur Organspende sollten die transplantierten Organe sorgfältig behandelt werden. Dafür ist eine adäquate Arzneimitteltherapie zur Verhinderung von Abstoßungen essenziell.

Es gibt keine konkreten Zahlen zum Altersdurchschnitt der Organempfänger. Mit der generell steigenden Lebenserwartung steigt auch die Lebenserwartung der Empfänger, sodass eine jahrzehntelange Therapie mit Immunsuppressiva und potenzielle Folgetransplantationen zunehmen werden.

Hier kommt die öffentliche Apotheke ins Spiel: Transplantierte Menschen sind automatisch Stammkunden und bauen über die Zeit ein Vertrauensverhältnis zur Apotheke auf. Eine lückenlose Versorgung ist enorm wichtig und auch die Grenzen der Selbstmedikation sind für diese Patientengruppe anders zu werten als bei Nicht-Transplantierten.

Um dieser vulnerablen Population gerecht zu werden, gibt es seit Sommer 2022 die pharmazeutische Dienstleistung (pDL) »Pharmazeutische Betreuung von Organtransplantierten« (4). Je nach Organ sind spezifische Besonderheiten zu beachten. Eines haben alle gemeinsam: Die kompetente Beratung durch Apotheker erhöht das Verständnis der Therapie und kann Nebenwirkungen und Wechselwirkungen verringern.

In diesem Artikel geht es um die Beratung von Patienten nach soliden Organtransplantationen; anhand eines Beispiels eines nierentransplantierten Patienten wird die pDL veranschaulicht.

Überblick über Immunsuppressiva

Das übergeordnete Ziel jeder immunsuppressiven Therapie ist die Verhinderung der Abstoßung des transplantierten Organs. Dies geschieht durch die Reduktion der Funktion von Immunzellen, zum Beispiel T-Lymphozyten. Auch die Vermehrung der Immunzellen sowie die Produktion von Botenstoffen, die an der Entzündung beteiligt sind, werden verringert (Grafik).

Pharmakologisch werden rezeptorabhängige Prozesse häufig durch Rezeptorantagonisten ausgeschaltet. Dies ist zum einen wegen der großen Vielfalt der Lymphozyten mit unterschiedlichen spezifischen Antigenrezeptoren nicht anwendbar. Zum anderen ist es in der Regel nicht möglich, die an einer Immunreaktion beteiligten T-Zellen direkt zu identifizieren und gezielt zu eliminieren.

Für eine Immunsuppression bedeutet dies, dass Lymphozyten antigenunspezifisch ausgeschaltet werden müssen. Dies stellt immer einen schwerwiegenden Eingriff dar, weil neben der erwünschten Wirkung wie dem Erhalt eines Transplantats unvermeidlich auch lebensnotwendige Abwehrleistungen betroffen sind. Die Folge kann eine verminderte Abwehr von Infektionen mit im Extremfall tödlichem Ausgang sein.

Generell hemmen alle Immunsuppressiva die Zellproliferation der Lymphozyten. Die Substanzen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Wirkung auf unterschiedliche Lymphozyten. Zum Beispiel wirken die zytostatischen Substanzen eher generalisiert auf alle Lymphozyten-bildenden Vorgänge. Dagegen lassen Substanzen wie Mycophenolsäure oder Everolimus die Bildung reifer Lymphozyten aus Stammzellen weitgehend unbeeinflusst.

Je spezifischer die Angriffe auf die kritischen Lymphozyten sind, umso zielgerichteter ist die Therapie. Aber es ist eben die Herausforderung, die Eigenschaften der spezifischen Lymphozyten zu adressieren. Mit größter Selektivität greift hier der Anti-IL-2-Rezeptor-Antikörper Basiliximab ein, da der IL-2-Rezeptor nur auf aktivierten T-Lymphozyten verstärkt exprimiert wird.

Generell kann man die Immunsuppressiva in verschiedene Klassen einteilen:

  • Am bekanntesten sind die Calcineurin-Inhibitoren Tacrolimus und Ciclosporin. Sie hemmen die Bildung zytotoxischer Lymphozyten.
  • Die mTOR-Inhibitoren Everolimus und Sirolimus hemmen unter anderem die Proteinsynthese und die Zellproliferation.
  • Mycophenolsäure und sein Prodrug Mycophenolatmofetil wirken als IMPDH-Inhibitoren (IMPDH: Inosinmonophosphat-Dehydrogenasen) auf die Synthese von Guanosin und hemmen damit in der Folge die Proliferation von B- und T-Lymphozyten.
  • Im stationären Umfeld spielen noch der Antikörper Belatacept und Antithymozyten-Globuline eine Rolle.
  • Ein wichtiger Kombinationspartner ist Prednisolon. Es unterdrückt ebenfalls die Aktivität von Lymphozyten, was die Immunantwort schwächt.

Für alle Immunsuppressiva ist es enorm wichtig, dass sie im exakten zeitlichen Abstand eingenommen werden. Schon eine ausgelassene Dosis kann Abstoßungssymptome hervorrufen. Bei einer Nierentransplantation können das zum Beispiel unspezifische Symptome wie Fieber oder Unwohlsein sein, aber auch eine verringerte Urinausscheidung.

Auch die Wahl des konkreten Präparats spielt aufgrund der unterschiedlicher Galeniken eine wichtige Rolle. Daher hat der gemeinsame Bundesausschuss in der sogenannten Sub-stitutionsausschlussliste (Teil B der Anlage VII zur Arzneimittel-Richtlinie) retardiertes Tacrolimus und Ciclosporin-Präparate aufgeführt.

Auch die Zielbereiche der Arzneistoffspiegel sind individuell. Sie hängen von individuellen Faktoren und dem Abstand zur Transplantation ab.

Immunsuppressiva und Begleittherapien

Vor der Einlösung des ersten Rezepts mit Immunsuppressiva haben die Patienten bereits eine hoch dosierte Induktionstherapie im Krankenhaus hinter sich. Diese besteht entweder aus einem Steroidstoß und/oder der Antikörpergabe. Die genauen Substanzen und Dosierungen unterscheiden sich je nach Organ.

Da das Abstoßungsrisiko in den ersten drei Monaten nach der Transplantation am höchsten ist, wird direkt nach der Operation mit einer Initialtherapie begonnen. Diese besteht in der Regel aus einer Dreifachkombination in höheren Dosierungen. Nach sechs bis zwölf Monaten beginnt die sogenannte Erhaltungstherapie mit einem bis zwei Wirkstoffen in niedrigerer Dosierung.

Beispiel Nierentransplantation: Eine häufige Dreifachkombination ist Tacrolimus plus Mycophenolsäure (MMF) plus Prednisolon. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass Tacrolimus im Vergleich zu Ciclosporin eine stärkere immunsuppressive Wirkung und eine geringere Nephrotoxizität hat. MMF ist besser verträglich als Azathioprin und kann bei eingeschränkter Nierenfunktion zum Beispiel durch Everolimus ersetzt werden.

Um Abstoßungen zu vermeiden, ist die regelmäßige Einnahme der verschriebenen Medikamente essenziell. Verspätete Rezepteinlösungen, Lieferengpässe oder Drug Holidays können schnell gravierende Auswirkungen haben.

Neben den Immunsuppressiva erhalten die Patienten auch sogenannte Begleittherapien. Denn nicht nur das Abstoßungsrisiko, auch das Infektionsrisiko ist in den ersten drei Monaten nach Transplantation am höchsten. Dies liegt neben potenziellen postoperativen Infektionen auch an der Reaktivierung von Virusinfektionen wie Cytomegalie-Virus (CMV) sowie an der Reaktivierung von latenten Infektionen der Spenderorgane.

Daher erhalten die Patienten je nach individuellem Risikoprofil prophylaktisch zum Beispiel Valganciclovir gegen CMV oder Cotrimoxazol gegen Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie in den ersten drei bis sechs Monaten nach Transplantation. Auch die Soor-Prophylaxe während der Corticoid-Einnahme mittels Nystatin- oder Amphotericin-B-Mundspüllösung spielt eine wichtige Rolle. Die Tabelle 1 zeigt die wichtigsten Antiinfektiva und deren mögliche Dosierungen.

Wirkstoff Dosierung Indikation Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Cotrimoxazol Mo, Mi, Fr:
1 × 960 mg
Pneumocystis-jirovecii-Prophylaxe, mindestens 6 Monate Blutbildveränderungen
Nystatin- oder Amphotericin-B-Suspension 4 × 2 ml
4 × 1 ml
Mundsoor-Prophylaxe für mindestens 3 Monate (während Glucocorticoid-Therapie) abhängig von der Glucocorticoid-Dosierung
Valganciclovir Prophylaxe:
1 × 900 mg
Therapie: 2 × 900 mg
CMV, 3 bis 6 Monate, mindestens 100 Tage Blutbildungsstörungen, Neutropenie, gastrointestinale Beschwerden
Letermovir 1 × 240 bis 480 mg (Kombi mit Ciclosporin) CMV für Ganciclovir-resistente Stämme (Zulassung nur für allogene Stammzell-Transplantation) gastrointestinale Beschwerden
Tenofovir 1 × 245 mg Hepatitis B gastrointestinale Beschwerden
Tabelle 1: Wichtige Antiinfektiva nach Organtransplantation und mögliche Dosierungen

Neben den Effekten auf die Infektionsabwehr der Patienten haben alle Immunsuppressiva gemeinsam, dass sie gastrointestinale Beschwerden, Hypomagnesiämien und Hyperglykämien fördern. Diese Nebenwirkungen stehen daher im Fokus von Begleittherapien, zum Beispiel durch Einnahme von Magnesium oder Protonenpumpeninhibitoren, und von Anpassungen der Kombinationstherapien, zum Beispiel durch Dosisänderung. Auch die Einnahme von Vitamin D und/oder Calcium während der Glucocorticoid-Therapie kann indiziert sein.

Einige Verhaltensempfehlungen

Neben der Einnahme von Begleittherapien stehen auch allgemeine Verhaltenshinweise im Fokus, die das Apothekenteam den Betroffenen mitgeben sollte. Aufgrund der immunsuppressiven Wirkung von UV-Strahlung und dem Risiko für die Entwicklung von Hautkrebs sind Sonnenschutzpräparate mit hohem Lichtschutzfaktor für Patienten nach Organtransplantation wichtig.

Bezüglich Impfungen ist zu sagen, dass Impflücken am besten vor der Transplantation geschlossen werden sollten und dass Lebendimpfstoffe, zum Beispiel gegen Gelbfieber, unter der immunsuppressiven Therapie kontraindiziert sind. Generell sollten Impfungen konsequent aktualisiert werden und serologische Kontrollen erfolgen, da die humorale Impfantwort reduziert ist.

Auch bei der Körperhygiene gibt es einiges zu beachten: Neben dem täglichen Waschlappen- und Handtuchwechsel sind auch das Eincremen der Haut und die Mundhygiene zur Infektionsvermeidung wichtig.

Für die Ernährung gilt: Eine gute Hände- und Küchenhygiene ist Pflicht. Die Patienten sollten Getränke- und Eiswürfelspender wegen der Verkeimungsgefahr meiden und auf rohes Fleisch und Fisch, rohe Eier, Salatbars und Trockenobst (erhöhtes Risiko für Schimmelpilzbelastung) verzichten. Das Mindesthaltbarkeitsdatum von Lebensmitteln ist strengstens zu beachten. Meistens gibt es in den Transplantationszentren Merkblätter zur Lebensmittelauswahl, in denen geeignete Alternativen benannt werden.

Auch die Haltung von Haustieren muss differenziert betrachtet werden. Insbesondere in den ersten zwei Jahre nach Transplantation sollte von der Anschaffung eines Tieres abgesehen werden. Grundsätzlich muss zwischen den Tierarten unterschieden werden: Ein gesunder, entwurmter und geimpfter Hund kann eher gehalten werden als ein Papagei (Risiko für Psittakose). Generell sollte der Kontakt zu tierischen Exkrementen vermieden werden.

Auch im Alltag gibt es einige Tabus: Topfpflanzen (Risiko für Aspergillen), Sandkästen (Toxoplasmose) und der Kontakt zu Tauben (Kryptokokken) sollten gemieden werden. Auch die Kontaktpersonen von organtransplantierten Menschen sollten auf eine gute Hygiene achten.

Auf Reisen müssen die Patienten noch weitere Dinge beachten: Zeitverschiebungen erfordern möglicherweise andere Einnahmezeitpunkte der Immunsuppressiva, die medizinische Versorgung vor Ort kann bedeutend schlechter sein und eine Auslandskrankenversicherung ist unabdingbar.

Auch die Grenzen der Selbstmedikation sind bei Menschen nach Organtransplantation anders zu werten. Schon simple Symptome wie Abgeschlagenheit oder Kopfschmerzen können Anzeichen einer Abstoßungsreaktion sein und die Patienten sollten sich in ihrem Transplantationszentrum melden. Insbesondere bei Fieber oder reduzierter Urinmenge sollten sie sofort einen Arzt aufsuchen. Abstoßungsanzeichen können sowohl plötzlich als auch schleichend auftreten; daher ist der Arztbesuch frühzeitig zu empfehlen.

Wenn die Patienten mit dem Wunsch nach Schmerzmitteln in die Apotheke kommen, sollte die Auswahl des passenden Analgetikums immer kritisch hinterfragt werden: NSAR wie Ibuprofen sollten bei Nierentransplantierten gegen Paracetamol getauscht werden. Auch Vitamin-Supplementierungen sollten nur bei Mängeln nach Rücksprache mit dem Arzt und spezifisch erfolgen.

Auch die Verhütungsmethode sollte bei transplantierten Frauen hinterfragt werden. Am sichersten sind Kondome und die Verwendung von Spermiziden, da die Wirkung der Pille durch die Immunsuppressiva abgeschwächt sein kann.

Neben allgemeinen Beschwerden gibt es organspezifische Abstoßungssymptome: Sobald ein Lebertransplantat abgestoßen wird, kann es zu einer Gelbfärbung von Augen und Haut kommen. Bei Patienten nach einer Herztransplantation können Herzrhythmusstörungen vorkommen und nach einer Lungentransplantation ist Luftnot ein Alarmsymptom.

Auch zur Prävention kardiovaskulärer Komplikationen sowohl medikamentös (Einnahme von CSE-Hemmer, Thrombozytenaggregationshemmer, Blutdruckmanagement) als auch durch Verhaltensanpassungen (regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung, Verzicht auf Rauchen) kann das Apothekenteam unterstützend beraten.

Vorgehen bei der pDL

Angesichts der Komplexität und dem Verlauf der Medikation haben die Patienten regelmäßig Anspruch auf die pDL »Pharmazeutische Betreuung von Organtransplantierten«: einmalig in den ersten sechs Monaten nach Beginn sowie bei Änderung einer Therapie. Die pDL gliedert sich in zwei Teile: das Erstgespräch bei Beginn und Therapieänderung sowie das semistrukturierte Folgegespräch zwei bis sechs Monate danach. Man kann es auch mit der pDL »Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation« einmal jährlich koppeln.

Beim Erstgespräch sollte der Patient neben dem Medikationsplan auch Dokumente wie Laborwerte oder Arztbriefe mitbringen. Auch OTC-Präparate sollten erwähnt werden, damit die Aufstellung aller Arzneimittel vollständig ist. Anhand eines Beispielplans (Tabelle 2) wird nun gezeigt, wie Apotheker die Medikation prüfen und das Zweitgespräch mit dem Patienten vorbereiten können.

Arzneimittel Dosierung
L-Thyroxin 75 µg 1-0-0
Tacrolimus 5 mg (Prograf®) 1-0-0
Mycophenolsäure 360 mg 2-0-2
Prednisolon 5 mg 1-0-0
Cotrimoxazol 960 mg 1-0-0 (Mo, Mi, Fr)
Valganciclovir 450 mg 1-0-0
Lercanidipin 10 mg 1-0-0
Candesartan 4 mg 1-0-0
Rosuvastatin 10 mg 0-0-1
Magnesium 100 mg 1-1-1
Amphotericin-B-Lutschtablette 1-1-1-1
Calcium 500 mg 1-1-1
Pantoprazol 40 mg 1-0-0
Tabelle 2: Beispielplan von Patient Herr Mustermann, Nierentransplantation vor vier Monaten
Wirkstoff Alte Dosierung Neue Dosierung
Cotrimoxazol 960 mg 1-0-0 (Mo, Mi, Fr) 0,5-0-0 (Mo, Mi, Fr)
Valganciclovir 450 mg 1-0-0 1-0-0 alle zwei Tage
Lercanidipin 10 mg 1-0-0 1-0-0
Rosuvastatin 10 mg 0-0-1 0-0-1
Tabelle 3: Auffälligkeiten in der Dosierung sowie erfolgte und nicht nötige Ände­rungen

Sonstige Informationen:

  • eGFR 28 ml/min, gemessen eine Woche vor der pDL;
  • Tacrolimus-Zielbereich laut Arztbrief 5 bis 8 ng/ml; letzter Spiegel 4 ng/ml;
  • Patient berichtet über Müdigkeit.

Für die Überprüfung der Medikation ist es initial wichtig, geeignete Quellen für die Unterstützung bei Dosierungs- und Interaktionsmeldungen zu kennen. Die Fachinformationen der einzelnen Präparate bietet einen ersten Anhaltspunkt. Man muss jedoch beachten, dass die Zulassungsstudien in der Regel vulnerable Patientengruppen ausschließen und es somit häufig keine validen Daten zum Beispiel für die Anpassung bei Organdysfunktionen gibt. Auch die Angaben aus üblichen Interaktionsdatenbanken müssen kritisch betrachtet werden, denn die Bewertung der klinischen Relevanz ist enorm wichtig. Man möchte weder den Patienten noch die behandelnden Ärzte mit »over-alerting« (also der Überalarmierung) verunsichern und das konkrete Management einer Interaktion muss gut überlegt sein. Die Umsetzbarkeit im Alltag ist essenziell, denn die Patienten nehmen die Medikamente ja nicht nur für wenige Monate ein.

Als gute und frei verfügbare Informationsquellen haben sich einige Klassiker etabliert. Das Portal »Dosing« der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie der Uniklinik Heidelberg oder das »Renal Drug Handbook« bieten Informationen für die Anpassung bei Nierenfunktionsstörungen, die über die Fachinformation hinausgehen. Hier muss man den Off-Label-Use gegen den aktuellen wissenschaftlichen Stand abwägen.

Die Bewertung von Interaktionen ist noch schwieriger. Datenbanken liefern immer nur einen Anhaltspunkt und man sollte immer mindestens zwei verschiedene Quellen befragen. Neben der ABDA-Interaktionsdatenbank kann man frei zum Beispiel auf Drugs.com oder den Drug Interaction Checker von Medscape zugreifen.

Konkrete Dosierungen und sonstige Empfehlungen findet man für Patienten nach Nierentransplantation im TX-Manual der Arbeitsgemeinschaft der Nierentransplantationszentren NRW in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie und der Deutschen Transplantationsgesellschaft.

Generell ist eine kollegiale Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker notwendig und sinnvoll, um die Patienten am sichersten durch die Zeit nach der Transplantation und weit darüber hinaus zu begleiten. Auffälligkeiten sollten im kollegialen Dialog besprochen und gelöst werden, damit der Patient langfristig profitiert.

Konkrete Prüfung der Medikation

Im Fallbeispiel (Tabelle 2) fällt zunächst die deutlich eingeschränkte Nierenfunktion auf. Hier ist eine Einordnung in den Gesamtkontext wichtig: War die eGFR schon immer kleiner als 30 ml/min oder ist sie zuletzt gesunken? Anpassungen sollten immer pragmatisch erfolgen und nie an einem einzelnen Wert festgemacht werden. Geht man davon aus, dass die GFR bei den letzten Messungen immer unter 30 ml/min lag, müsste man über Dosisanpassungen nachdenken.

Nach der Recherche zeigen sich mehrere Wirkstoffe als potenziell anpassungswürdig (Tabelle 3).

Für Cotrimoxazol und Valganciclovir zeigen die Fachinformationen konkrete Anpassungsregime. Diese können direkt umgesetzt werden (Tabelle 3).

Lercanidipin ist laut Fachinformation bei einer GFR unter 30 ml/min kontraindiziert. Schaut man sich jedoch, zum Beispiel bei dosing.de, den Q0-Wert an, der den extrarenal eliminierten Anteil quantifiziert, erkennt man, dass die Substanz vollständig extrarenal eliminiert wird (Q0 = 1). Eine Anpassung ist also aus pharmazeutischer Sicht nicht nötig; die Anwendung ist aber off Label, da die Zulassung für diese Nierenfunktion nicht besteht.

Für Rosuvastatin zeigt die Fachinformation ebenfalls eine Kontraindikation an. Diese Einstufung findet man auch bei dosing.de. Vor dem Hintergrund der Lipidstoffwechselstörungen, die Immunsuppressiva auslösen, ist eine Therapie mit CSE-Hemmern enorm wichtig. Daten, zum Beispiel im Renal Drug Handbook, lassen eine Dosierung von 5 bis 10 mg pro Tag zu. Gemäß einer Publikation aus 2022 (5) führte eine fehlende Dosisanpassung von Rosuvastatin häufig zu Hämaturie und Proteinurie. Jedoch war dies auch zu einem gewissen Anteil bei Atorvastatin der Fall, obwohl dieses extrarenal eliminiert wird.

Man sollte sowohl den Patienten als auch den Arzt über den Off-Label-Use unterrichten. Inhaltliche Bedenken können mit pharmazeutischem Sachverstand ausgeschlossen werden.

Nachdem die Dosierungen an die Nierenfunktion angepasst wurden, steht nun der Interaktionscheck an. Um mit der Flut an Meldungen umgehen zu können, sollte man in der Apotheke Schritt für Schritt vorgehen.

Zunächst sollte man sich die Dosierungen und Einnahmezeitpunkte anschauen: Prograf® als einmal tägliche Gabe ist immer zu hinterfragen. Eine Verwechslung mit dem anderen retardierten Tacrolimus-Präparat Advagraf®, das nur einmal täglich gegeben wird, kann schnell passieren. Hier muss man besprechen, ob Prograf® 5 mg 1-0-1 gemeint sind oder Advagraf® 5 mg 1-0-0. Eine unkritische Empfehlung zur Präparate-Änderung sollten Apotheker niemals geben.

Die gleichzeitige Gabe von L-Thyroxin mit Magnesium und Calcium wird als Nächstes angezeigt. Hier muss man den Patienten fragen: Nimmt er die Medikamente immer gemeinsam ein? Wenn ja, dann ist die weiterhin gleichzeitige Gabe in Ordnung, denn die Schilddrüse ist auf die potenziell geringere Wirkdosis als 75 µg eingestellt.

CYP-Interaktionen spielen auch immer eine Rolle. Tacrolimus als CYP3A4-Inhibitor und Rosuvastatin sowie Lercanidipin als Substrate sorgen für Meldungen, die bewertet werden müssen. Potenzielle Nebenwirkungen, zum Beispiel Myopathien oder Blutdruckschwankungen, sind gut messbar. Alle drei Medikamente sind unverzichtbar; ärztlicherseits ist maximal eine Umstellung des Calciumantagonisten auf ein anderes Antihypertensivum möglich.

Schließlich kommen noch die Symptome des Patienten zum Tragen. Der zu niedrige Tacrolimus-Spiegel, gepaart mit Müdigkeit, könnte ein erstes Anzeichen für eine Abstoßungsreaktion sein. Hier sollte man in der Apotheke unbedingt einen sofortigen Arztbesuch empfehlen.

Zusammengefasst: Einige Medikationen können optimiert werden beziehungsweise müssen hierzu Details erfragt werden. Bei Verdacht auf eine Abstoßungsreaktion muss der Patient sofort zum Arzt gehen. Im Zweitgespräch mit dem Patienten werden die Punkte noch einmal einzeln erläutert oder abgefragt und wie nach dem ersten Gespräch die relevanten Aspekte dem Arzt schriftlich mitgeteilt.

Fazit

Organtransplantierte Menschen benötigen eine langfristige und qualitativ hochwertige Arzneimitteltherapie. Mit gutem Vorwissen lassen sich kritische Punkte und Fehlerquellen leicht identifizieren. Für die pDL »Pharmazeutische Betreuung von Organtransplantierten« sollte man sich die wesentlichen Informationsquellen im Vorhinein heraussuchen und den kritischen Umgang mit Meldungen üben.

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