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Beim Nacktmull abgeschaut

Der Nacktmull ist nicht gerade ein schönes Tier. Für die Wissenschaft ist er jedoch sehr attraktiv – denn verglichen mit anderen Säugern wird er uralt. Die Suche nach dem Geheimnis für diese Eigenschaft läuft auf Hochtouren.
Theo Dingermann
29.08.2023  09:00 Uhr

Der Nacktmull (Heterocephalus glaber, NMR) ist eine in Ostafrika beheimatete Säugetierart mit einer außergewöhnlich langen Lebensspanne von annähernd 40 Jahren. Zu den einzigartigen Fähigkeiten des Nacktmulls, das Altern zu verzögern und altersbedingten Krankheiten zu widerstehen, sind aktuell zwei wissenschaftliche Arbeiten erschienen.

Eine Besonderheit von Nacktmullen ist, dass sie ungewöhnlich großen Mengen an hochmolekularer Hyaluronsäure (HMM-HA) synthetisieren. Ob dies dazu führt, dass die Tiere nur sehr selten an Krebs erkranken, überprüften Forschende um Zhihui Zhang von der University of Rochester in den USA. Wie die Gruppe im Fachjournal »Nature« berichtet, generierte sie eine transgene Maus, die das Hyaluronsäure-Synthase-2-Gen von Nacktmullen (nmrHas2) überexprimiert.

Die nmrHas2-Mäuse produzierten in der Folge deutlich höhere HMM-HA-Spiegel in verschiedenen Geweben. Dadurch änderten sich bei ihnen mehrere Vitalitätsparameter. Zudem kam es zu einer Downregulation von Entzündungs- und Seneszenz-Signalwegen; Entzündungen schwächten sich deutlich ab. Die erhöhten HMM-HA-Konzentrationen hatten dabei offenbar mehrere Effekte: Sie wirkten direkt immunregulatorisch auf Immunzellen, erhöhten den Schutz vor oxidativem Stress und verbesserten die Barrierefunktion des Darms im Laufe des Alterungsprozesses.

Dass sich diese HMM-HA-vermittelten Effekte in den Versuchen auf eine andere Art übertragen ließen, zeigt, dass sie nicht spezifisch für den Nacktmull sind. Möglicherweise könnte sich hier also ein Weg auftun, der auch beim Menschen zu einer höheren Lebenserwartung und längeren Gesundheitsspanne führen könnte.

Nacktmulle akkumulieren keine seneszenten Zellen

Ein Forscherteam um Dr. Yoshimi Kawamura von der Kumamoto University in Japan fokussierte sich in seiner Arbeit, die im »The EMBO Journal« veröffentlicht ist, auf die zelluläre Seneszenz. Dies ist ein mehrstufiger Prozess, bei dem Zellen als Reaktion auf verschiedene Stressfaktoren und Schädigungen von einem temporären Stopp im Zellzyklus in einen irreversiblen Zustand übergehen, in dem sie sich nicht mehr teilen können. Seneszenten Zellen sterben aber nicht ab, sondern bleiben stoffwechselaktiv und schütten eine charakteristische Kombination von Proteinen und Botenstoffen aus.

Dieser Prozess ist im Rahmen der Gewebe-Homöostase eigentlich wichtig und schützt den Organismus. Denn Seneszenz spielt eine positive Rolle bei der Tumorunterdrückung, der Wundheilung und möglicherweise auch bei der Embryonalentwicklung. Allerdings bereiten seneszente Zellen auch Probleme, da sie proinflammatorische Zytokine und Chemokine sezernieren, ein Phänomen, das als seneszenzassoziierter sekretorischer Phänotyp (SASP) bekannt ist. Ein SASP wird für einen Organismus zum Problem, wenn sich seneszente Zellen im Alter in Geweben anhäufen. Dann werden sie zu Treibern altersbedingter chronischer Krankheiten und degenerativer Störungen.

Von Nacktmullen ist bekannt, dass auch bei ihnen Zellen als Folge von molekularem Stress in die Seneszenz gehen. Allerdings akkumulieren diese Zellen nicht. Dies könnte ein Faktor für das langsame Altern der Tiere sein.

Vor diesem Hintergrund machten die japanischen Forschenden an Fibroblasten aus Nacktmullen die Beobachtung, dass in nicht seneszenten Zellen hohe Konzentrationen von Serotonin vorhanden waren. Bei Mäuse-Fibroblasten, die als Kontrollen dienten, war dies dagegen nicht der Fall. Behandelten die Forschenden nun die Fibroblasten aus Nacktmullen und Mäusen mit niedrigen Konzentrationen von Doxorubicin, induzierte dies in beiden Fällen Seneszenz: Sowohl die Fibroblasten aus Nackmullen als auch die aus Mäusen stoppten die Zellproliferation. Anders als in den Mäuse-Fibroblasten stieg jedoch in den Fibroblasten der Nacktmulle der Gehalt an Monoaminoxidase (MAO), was zur Oxidation von Serotonin und zur Produktion von H2O2 führte. Dies wiederum verstärkte die intrazellulären oxidativen Schäden, was schließlich bei den Nacktmull-Fibroblasten den Zelltod durch Apoptose auslöste.

Auch in Lungenzellen von Nacktmullen, in denen zelluläre Seneszenz induziert wurde, kam es zu einem durch MAO vermittelten, verzögerten, progressiven Zelltod und die Akkumulation seneszenter Zellen wurde verhindert. Wurden Nacktmull-Fibroblasten mit MAO-Inhibitoren behandelt, bevor Seneszenz induziert wurde, nahm dadurch die intrazelluläre Konzentration reaktiver Sauerstoffspezies ab und der Zelltod der seneszenten Fibroblasten wurde inhibiert.

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