Bayerns Regierungsparteien fordern Reform bei Rabattverträgen |
Melanie Höhn |
25.08.2022 16:00 Uhr |
Um die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu stabilisieren, müssten Abhängigkeiten vom außereuropäischen Ausland reduziert werden, sagt Bernhard Seidenath, gesundheitspolitische Sprecher der CSU-Fraktion in Bayern. / Foto: picture alliance / SZ Photo
Das dreiteilige Antragspaket sieht vor, dass Krankenkassen unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit Rabattverträge für Arzneimittel künftig mit mindestens drei Herstellern schließen müssen. Bei der Vergabe von Rabattverträgen sollen laut Antrag, der der PZ vorliegt, »Aspekte der Versorgungssicherheit, insbesondere durch eine Diversifizierung von Lieferketten, berücksichtigt werden«. Außerdem fordern die Regierungsfraktionen, dass »Produkte, die innerhalb Europas produziert werden, einen gesonderten Slot erhalten, um zum Zuge zu kommen«. Deshalb müsse eine Anpassung des europäischen und des deutschen Vergaberechts erfolgen. Außerdem sollte eine Folgeabschätzung durchgeführt werden. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zeige außerdem, dass das Problem der Abhängigkeit von Importen sich in kurzer Zeit deutlich verschärfen könne.
»Wir müssen schleunigst raus aus den bestehenden Abhängigkeiten beim Thema Arzneimittelsicherheit. Im Fall des Falles müssen wir uns innerhalb Europas selbst versorgen können«, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der CSU-Fraktion, Bernhard Seidenath. In den letzten Jahren hätten sich in diesem Bereich »leider immer größere Lücken aufgetan, die Lieferprobleme nehmen stetig zu«, so Seidenath weiter. Um die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu stabilisieren, müssten Abhängigkeiten vom außereuropäischen Ausland reduziert werden.
Rabattverträge sollen »weiterhin eine qualitativ hochwertige und wirtschaftliche medizinische Versorgung aller Patienten ermöglichen«, kommentiert Professor Peter Bauer, Patienten- und Pflegebeauftragter der Staatsregierung sowie pflegepolitischer Sprecher der Freien Wähler im Bayerischen Landtag. »Tatsache ist jedoch, dass sie durch den Kostendruck zu einer immer stärker werdenden Marktverengung führen.« Zusammen mit dem allgemeinen Trend zur Konzentration der Wirkstoffproduktion habe dies einen ungünstigen Einfluss auf die Versorgungssicherheit in Deutschland.
In einem weiteren Antrag wird die rabattvertragsgesteuerte »automatische Substitution« von Biologika in der öffentlichen Apotheke abgelehnt, um Medikationsfehler zu verhindern. Sie müsse außerdem vor der Umsetzung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nochmals fachlich diskutiert und angepasst werden. Die Umstellung von einem Präparat auf ein anderes soll auch zukünftig ärztlich initiiert und begleitet werden.
Zudem soll eine gezielte Investitionsförderung Technologie-Upgrades bei der Wirkstoff- und Arzneimittelproduktion ermöglichen. Denkbar ist dabei sowohl eine Förderung von Forschung und Technologie als auch Investitionen in Produktionsanlagen, heißt es im dritten Antrag der Regierungsfraktionen. Gleichzeitig werde die Staatsregierung aufgefordert, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass das Themenfeld als »Important Project of Common European Interest (IPCEI) Health« über die Europäische Union gefördert wird.
Als »Horrorszenario«, das unbedingt vermieden werden müsse, bezeichnet die gesundheitspolitische Sprecherin der Freien Wähler, Susann Enders, »lang anhaltende Lieferengpässe bei relevanten Medikamenten.« Für eine nachhaltige Standortsicherung in Deutschland sei die alleinige Rückverlagerung der Generika-Produktion nicht ausreichend. »Essentiell ist daher ein Technologie-Upgrade zur Entwicklung innovativer und komplexer Wirkstoffe – mittels Investitionsförderung durch den Bund«, sagt Enders. Außerdem ist sie der Meinung, dass eine automatische Substitution bei Biologika negative Auswirkungen für Patienten haben könne – eine »ärztliche Begleitung der patientenindividuellen Therapie unverzichtbar für die Behandlung mit Biopharmazeutika« sei daher unverzichtbar.
Das Antragspaket wird voraussichtlich in der 79. Sitzung des Gesundheitsausschusses am 11. Oktober 2022 im Bayerischen Landtag besprochen.