Ballaststoff-Kapsel verbessert geistige Fitness von Senioren |
Annette Rößler |
06.03.2024 18:00 Uhr |
In einer britischen Studie verbesserte die Einnahme eines Präbiotikums, das das Darmmikrobiom positiv beeinflusst, die kognitiven Fähigkeiten von Älteren. / Foto: Getty Images/andresr
Zwischen der Mikrobiota des Darms und ihrem Wirt, dem Menschen, besteht ein reger Austausch. Die wechselseitige Beeinflussung ist dabei nicht auf den Darm beschränkt, sondern erstreckt sich auch etwa auf das Immun- und Herz-Kreislauf-System und über die sogenannte Darm-Hirn-Achse auch auf die psychische Verfassung. Zudem tragen die Mikroorganismen im Darm entscheidend zum Stoffwechsel bei, indem sie etwa Ballaststoffe wie Inulin oder Oligofructose (FOS) zu kurzkettigen Fettsäuren (SCFA) abbauen. Diese werden ins Blut aufgenommen und regulieren als Botenstoffe unter anderem den Appetit und den Energiestoffwechsel.
In der PROMOTe-Studie untersuchen britische Forschende, wie sich die tägliche Einnahme eines Präbiotikums mit 3375 mg Inulin und 3488 mg FOS (Darmocare Pre®, Bonsuvan) bei älteren Menschen auswirkt. Um eine Verzerrung der Ergebnisse durch genetische Faktoren möglichst auszuschließen, wurden hierzu Zwillingspaare rekrutiert, von denen jeweils der eine Zwilling randomisiert und doppelblind das Präbiotikum erhält und der andere ein Placebo. Für eine Auswertung, deren Ergebnis aktuell im Fachjournal »Nature Communications« erschien, konnte eine Autorengruppe um Dr. Mary Ni Lochlainn vom King’s College London 36 Zwillingspaare gewinnen. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden lag bei 73 Jahren; 78 Prozent (56 von 72 Personen) waren weiblich.
Außer dem Präbiotikum beziehungsweise dem Placebo erhielten alle Probanden täglich ein Nahrungsergänzungsmittel mit verzweigtkettigen Aminosäuren und sie wurden ermuntert, mindestens zweimal pro Woche Krafttraining zu machen. Dies sollte dem Muskelaufbau dienen, der im Alter bekanntermaßen erschwert ist. Vor Beginn der Intervention und dann noch einmal nach zwölf Wochen wurde die Zeit gemessen, die die Probanden brauchten, um ohne Zuhilfenahme der Arme von einem Stuhl aufzustehen. Dies ist ein bewährter Parameter zur Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit von älteren Menschen.
Der primäre Endpunkt der Studie war eine Veränderung dieser Aufstehzeit. Zu den sekundären Endpunkte zählten weitere Messungen der körperlichen Leistungsfähigkeit wie Griffstärke und Gehgeschwindigkeit, aber auch eine Beurteilung der geistigen Fitness anhand von Kognitionstests.
Entgegen den Erwartungen der Forschenden wirkte sich die Einnahme des Präbiotikums nicht auf die körperliche Leistungsfähigkeit der Probanden aus; die Unterschiede bei der Muskelkraft erreichten keine statistische Signifikanz. Dagegen war bei den Kognitionstests ein Vorteil für die Präbiotikum-Gruppe erkennbar: Diejenigen, die Inulin/FOS erhalten hatten, schnitten sowohl im Paired-Associates-Learning-Test, einem Frühtest auf Alzheimer, als auch in Tests der Reaktionszeit und der Verarbeitungsgeschwindigkeit besser ab als diejenigen, die Placebo erhalten hatten.
Dies sei für den Alltag älterer Menschen sehr relevant, heißt es in einer begleitenden Mitteilung des King’s College, denn es bedeute, dass eine Person schneller reagiert, wenn beispielsweise eine Ampel auf rot schaltet, oder sie sich nach einem Stolpern noch abfangen kann, bevor sie stürzt. »Wir sind begeistert davon, solche Veränderungen nach nur zwölf Wochen zu sehen«, sagt Ni Lochlainn. Nahrungsergänzungsmittel mit Ballaststoffen wie Inulin und FOS seien ein sehr vielversprechender Ansatz, um die Gehirngesundheit und das Gedächtnis einer alternden Bevölkerung zu verbessern.
Die beobachteten Verbesserungen führen die Forschenden auf eine Veränderung der Mikrobiota zurück, die sie in Stuhlproben der Teilnehmenden nachweisen konnten. Infolge der Einnahme des Präbiotikums nahmen Bifidobakterien deutlich und Firmicutes sowie Bacteroidetes etwas weniger zu. Phocea massiliensis und verwandte Bakterien nahmen dagegen zahlenmäßig ab. Insgesamt gab es elf statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Mikrobiota der Verum- gegenüber denen der Placebogruppe. Die Einnahme des Präbiotikums wurde dabei gut vertragen.
Alles in allem stelle die Veränderung des Darmmikrobioms durch ein ballaststoffhaltiges Nahrungsergänzungsmittel eine kostengünstige und leicht verfügbare Möglichkeit zur Verbesserung der Kognition von älteren Menschen dar, lautet das Fazit der Autoren. Im nächsten Schritt wolle man untersuchen, ob diese Effekte über einen längeren Zeitraum anhalten und sich das Ergebnis in einer größeren Kohorte reproduzieren lässt, so Seniorautor Professor Dr. Claire Steves.