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Chronische Infektionen

Bakterien als Krebserreger

Bakterien hatten Mediziner bislang als Krebsverursacher nicht auf dem Schirm – das ändert sich gerade. Bei einigen  Tumorarten scheinen sie eine Rolle zu spielen.
Michael Brendler
22.01.2020  11:00 Uhr

Aknebakterien in der Prostata

Professor Dr. Holger Brüggemann beschäftigt sich an der dänischen Aarhus-Universität mit dem Zusammenhang zwischen Bakterien und Prostata-Karzinomen. Mit rund 60.000 jährlichen Neuerkrankungen hierzulande ist das die häufigste Krebserkrankung unter Männern. In Tumorproben konnte der Forscher bei 82 Prozent  einen bestimmten Keim nachweisen, was schon eine Überraschung ist – eigentlich galt die Drüse als steril. Bei Gesunden war Propionibacterium acnes nicht zu finden (»International Journal of Medical Microbiology« 2017, DOI: 10.1016/j.ijmm.2010.08.014). Andere Arbeitsgruppen kamen zu ähnlichen Ergebnissen, wenn auch mit anderen Detektionsraten bei Krebspatienten und Gesunden.

P. acnes ist vor allem Hautärzten ein Begriff, da es in der Pubertät die Pickel sprießen lässt. Inzwischen werden auch Onkologen hellhörig. Denn Brüggemann und seine Kollegen konnten zeigen, dass eine chronische Infektion bei Tieren zu Störungsmustern in den zellulären Signalwegen führt, wie man sie sonst aus Tumoren kennt. Im Reagenzglas fördert sie sogar Wachstum und Wanderlust von Krebszellen. Dass man den Keim bei einem Teil der Prostata-Krebspatienten nicht findet, vermag den Infektionsbiologen dabei nicht zu irritieren. P. acnes sei schwer nachzuweisen. Zudem ist es zum Zeitpunkt der Tumorentdeckung oft längst wieder verschwunden.

»Noch fehlt uns zwar die smoking Gun«, sagt der Infektionsbiologe. »Aber wenn man alle Tierversuche, Zellexperimente und Beobachtungen zusammennimmt, dann spricht das Ergebnis sehr dafür, dass Bakterien die Entstehung von Krebs zumindest stark beeinflussen können.«

 

Wie Bakterien zusammenarbeiten

Wahrscheinlich gehen sie dabei in einer Art Arbeitsteilung vor. Neben B. fragilis und pks-positiven E. coli sind zum Beispiel in Darmtumoren immer wieder Fusobakterien zu finden. Im Vergleich zu gesundem Gewebe findet sich das genetische Material der Keime dort in 415-facher Konzentration (»Genome Research« 2017, DOI: 10.1101/gr.126516.111). Inzwischen hat man den bekannten Erreger von Zahn- und Zahnfleischinfektionen sogar in Metastasen nachgewiesen, die er offensichtlich auf ihrer Wanderung vom Darm in die Leber begleitete. Wurden die Keime in den Tochtergeschwüren im Tierversuch mit Antibiotika bekämpft, wuchsen auch die Metastasen langsamer. Die Anwesenheit des Bakteriums ist mit einer erhöhten Rezidivrate und einem schlechteren Outcome assoziiert.

Für Sears spricht deshalb vieles dafür, dass ihre Bacteroides- und E.-coli-Mikroben die Entstehung der Karzinome zwar fördern, später aber die Fusobakterien dazustoßen und das Wachstum und die Metastasierung der Tumore unterstützen. Die Frage ist nur: Schaffen die Keime das alleine oder müssen auch andere Faktoren und Erbgutschäden dazukommen?

Die Antwort versucht die US-Amerikanerin bei rund 2000 Darmspiegelungs-Patienten zu finden. Aktuell wertet sie deren Daten über Zusammensetzung der Bakterienflora, Ernährungsgewohnheiten, Untersuchungs-Befunde und die persönliche Krankengeschichte aus. Auf diesem Weg möchte sie begreifen, welche Voraussetzungen es braucht, damit Keime Krebs erzeugen. In fünf bis sieben Jahren will sie erste Ergebnisse liefern. Ihre Vision: »Ich hoffe, dass wir irgendwann die Bakterien identifizieren, über die man sich am meisten Sorgen machen sollte.« Dann ließe sich nicht nur bei Patienten gezielt nach diesen Keimen fahnden, man könnte sie auch per Impfung, Antitoxinen oder sogar per Ernährungsumstellung bekämpfen.

Ob sich diese Visionen erfüllen werden? Brüggemann bittet um Geduld: Selbst beim Magenkrebs habe es zwei Jahrzehnte gedauert, um ein krebserregendes Bakterium zu identifizieren und erfolgreich zu bekämpfen. Und dabei sei der Helicobacter noch ein leicht zu überführender Krebserreger. Seiner Meinung nach ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis es neue Therapie- und Präventionsmöglichkeiten gegen diese Krebsformen gibt. 

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