BA.2.86 – bemerkenswert, aber noch nicht bedrohlich |
Theo Dingermann |
22.08.2023 13:00 Uhr |
Die neue Coronavirusvariante BA.2.86 weist eine Vielzahl an Mutationen in ihrem RNA-Genom auf – vor allem im Spike-Gen. / Foto: Adobe Stock/Design Cells
Warum dreht sich momentan im Bereich der Corona-Evolution gefühlt fast alles um eine Variante mit der Bezeichnung BA.2.86 (Pirola), obwohl diese Variante erst siebenmal isoliert wurde? Zwei Eigenschaften lassen aufhorchen: Zum einen tauchte diese Variante auf drei Kontinenten (Europa, Nordamerika und Asien) auf, und zum anderen imponiert sie durch eine Vielzahl neuer Mutationen.
Und dennoch, so die Mehrzahl der an der Erforschung beteiligten Wissenschaftler, gibt es noch keinen Grund, sich bezüglich dieser Variante zu viel Sorge zu machen. Derzeit, so die Einschätzung, ist sie vor allem aus wissenschaftlicher Sicht interessant.
Für viele Forschende erinnert die Entstehung von BA.2.86 an die Anfänge der Omikron-Variante, die Ende 2021 zunächst im südlichen Afrika charakterisiert wurde und die sich dann bekanntlich sehr schnell weltweit verbreitete. Seitdem kennt nahezu jeder den Begriff »Immunflucht-Variante«, der so anschaulich beschreibt, was es mit den vielen neuen Mutationen auf sich hat, mit denen Omikron alle überraschte.
Bei Omikron waren das damals verglichen mit anderen besorgniserregenden Virusvarianten (VOC) über 30 Mutationen in der Rezeptor-Bindungsdomäne (RBD) des Spike-Proteins. Dazu sagt Professor Dr. Adam Lauring, Virologe und Arzt für Infektionskrankheiten an der University of Michigan in Ann Arbor, in dessen Labor eine der wenigen BA.2.86-Varianten sequenziert wurde, gegenüber der Nachrichtenseite des Journals »Nature«: »Wir erleben gerade wieder einmal ein kleines Déjà-vu«.
BA.2.86 toppt den Evolutionssprung von Omikron jetzt mit 36 neuen Mutationen im Spike-Protein verglichen mit der XBB.1.5-Variante. Viele dieser Mutationen sind antigenisch wichtig, was darauf hindeutet, dass die BA.2.86-Variante unter einem starken Selektionsdruck in gut immunisierten Individuen entstand.
Ein tiefgreifendes Mutationsscanning, das unter anderem von Forschenden um Professor Dr. Yunlong Cao vom Biomedical Pioneering Innovation Center (BIOPIC) an der Universität Peking durchgeführt wurde, deutet darauf hin, dass die BA.2.86-Variante genauso gut oder sogar besser als die XBB.1.5-Variante vor Antikörpern geschützt ist, die von den Omikron-Varianten der ersten Generation und von Vor-Omikron-Varianten induziert wurden.
Denn wenig überraschend befinden sich viele der Veränderungen von BA.2.86 in Regionen des Spike-Proteins, die von den starken, die Infektion blockierenden oder neutralisierenden Antikörpern des Körpers besetzt werden. Alleine schon aus diesem Grund verdient BA.2.86 die Bezeichnung »Immunflucht-Variante«, und man muss davon ausgehen, dass die bisher zur Verfügung stehenden Impfstoffen eher suboptimal schützen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.