Autoimmunerkrankungen im Blut nachweisen |
Laura Rudolph |
13.03.2024 07:00 Uhr |
Bei einer Autoimmunerkrankung erkennt das Immunsystem körpereigne Strukturen irrtümlich als fremd. Im Blut lassen sich dann Autoantikörper sowie eine vermehrte Aktivität des Immunsystems nachweisen. / Foto: Getty Images/urfinguss
Bei einer Autoimmunerkrankung bildet das Immunsystem Antikörper gegen körpereigene Strukturen oder reagiert mit einer verstärkten T-Zellantwort auf diese. Im Blut lassen sich deshalb Autoantikörper und Entzündungsmarker nachweisen. Laborwerte, die der Autoimmundiagnostik dienen, werden in Basiswerte und krankheitsspezifische Marker unterteilt. Erstere dienen einem schnellen und breiten Screening auf ganze Untergruppen von Autoimmunerkrankungen. Letztere sind spezifisch für eine bestimmte Erkrankung.
Zu den Basiswerten zählen etwa die sogenannten antinukleären Antikörper (ANA). Dies ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Autoantikörpern, die sich gegen unterschiedliche Antigene des Zellkerns richten, beispielsweise gegen (Ribo-)Nukleinsäuren, RNA-Polymerasen, Proteine des Kernplasmas oder der Kernmembran.
Sie lassen sich typischerweise bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises nachweisen, darunter vor allem bei Kollagenosen wie dem systemischen Lupus erythematodes (SLE, 90 bis 95 Prozent positiv) oder der Sklerodermie (85 bis 95 Prozent positiv). Kollagenosen sind eine Gruppe von Autoimmunerkrankungen, bei denen das Immunsystem das Gewebe-Strukturprotein Kollagen angreift. Auch 15 bis 20 Prozent der Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) sind ANA-positiv.
Die Testmethode ist ein Immunfluoreszenz-Assay, bei dem die Antigen-Antikörper-Komplexe mit einem fluoreszierenden Farbstoff sichtbar gemacht werden. Als positiv gilt der Test ab einem Titer von 1:80, das heißt, wenn die Autoantikörper auch nach 80-facher Verdünnung der Blutprobe noch nachweisbar sind. Als deutlich positiv gelten Titer ab 1:320. Leicht erhöhte Werte müssen jedoch nicht zwangsläufig auf eine Autoimmunerkrankung hindeuten, sondern können auch durch anderweitige Entzündungen im Körper verursacht sein.
Ein weiterer Basismarker ist der Rheumafaktor (RF). Darunter versteht man eine Reihe von Antikörpern, die sich gegen verschiedene Bereiche der körpereigenen Immunglobuline vom Typ IgG richten. Der Rheumafaktortest fällt, ebenso wie die ANA, vor allem bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises positiv aus. Beispielsweise beträgt die Positivrate bei RA-Patienten circa 70 bis 80 Prozent, bei Patienten mit SLE circa 15 bis 35 Prozent und beim Sjögren-Syndrom circa 75 bis 95 Prozent. Auch bei autoimmunbedingten Entzündungen der Blutgefäße (Vaskulitiden) oder des Bindegewebes (Kollagenosen) ist der RF in der Regel nachweisbar.
Bei Personen mit rheumatoider Arthritis ist häufig der sogenannte Rheumafaktor-Wert erhöht. / Foto: Getty Images/Jose Luis Pelaez
Der Referenzbereich ist abhängig von der Testmethode. Bei der Nephelometrie, bei der die RF-Dichte mittels Lichtstreuung in der Probe bestimmt wird, gelten Werte ab 30 Internationale Einheiten pro Milliliter (IU/ml) als schwach positiv, ab 60 IU/ml als deutlich positiv.
Aber: Auch bei Menschen ohne eine Autoimmunerkrankung kann der RF-Test positiv ausfallen. Dies ist bei etwa 5 Prozent der gesunden Bevölkerung unter 50 Jahren der Fall und der Titer steigt mit zunehmendem Alter noch an. Auch nicht autoimmun bedingte Erkrankungen wie bakterielle oder virale Infektionen sowie Krebserkrankungen können den RF-Wert erhöhen. Selbiges gilt, wenn der Körper zu viele Immunglobuline produziert (»Hypergammaglobulinämie«). Auch nach einer Strahlen- oder Chemotherapie kann der RF erhöht sein.
Das Immunsystem von Autoimmunpatienten ist aktiver als das von Gesunden. Daher kann die Konzentration der Immunglobuline IgG, IgM und IgA im Blut erhöht sein. IgM bildet das Immunsystem normalerweise, wenn neue Infektionen auftreten. Bei Autoimmunerkrankungen ist dieser Subtyp vor allem bei aktiven Schüben erhöht. IgA tritt vorwiegend in Schleimhäuten auf und damit vor allem bei Autoimmunerkrankungen, die dort stattfinden, zum Beispiel Zöliakie oder Morbus Crohn. Die Referenzwerte liegen für Erwachsene bei 6,8 bis 14,45 Gramm pro Liter für IgG, bei 0,34 bis 2,48 g/L für IgM und bei 0,75 bis 4,0 g/L für IgA.
Durch das Überschießen des Immunsystems verbraucht der Körper zudem schneller die C4- und C3-Proteine des Komplementsystems, eines Teils des angeborenen Immunsystems. Ist ein genetischer Mangel ausgeschlossen, geben niedrige Konzentrationen im Blut daher Hinweise auf eine Autoimmunerkrankung. Der Referenzbereich für C4 beträgt bei gesunden Erwachsenen etwa 15 bis 49 mg/dl, für C3 etwa 80 bis 170 mg/dl. Ausnahme: Bei akuten Schüben der RA können die C4- und C3-Werte erhöht statt erniedrigt sein. Dies liegt an der sogenannten Akute-Phase-Reaktion, bei der der Körper mit einer vermehrten Produktion von immunologischen Proteinen auf eine akute Entzündung reagiert.
Nicht zuletzt äußert sich das überaktive Immunsystem bei Autoimmunpatienten auch in erhöhten Entzündungswerten, weshalb diese mit in die Diagnostik einbezogen werden. Das C-reaktive Protein (CRP), das in der Leber als Reaktion auf akute Entzündungen infektiöser und nicht infektiöser Ursache (wie Autoimmunerkrankungen) gebildet wird, steigt auf Plasmaspiegel von mehr als 0,5 mg/dl an.
Ein weiterer Entzündungsparameter ist die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG). Sie bezieht sich auf die Geschwindigkeit, mit der rote Blutkörperchen in einem Röhrchen mit Citrat-Blut zu Boden sinken. Normalerweise stoßen diese sich aufgrund ihrer negativen Oberflächenladung gegenseitig ab. Im Entzündungsmilieu sind jedoch vermehrt Plasmaproteine vorhanden, die sich an die Blutkörperchen anheften und deren Ladung teilweise neutralisieren. Dadurch stoßen sich die Blutkörperchen weniger ab und sinken schneller ab.
Zur Bestimmung wird eine ungerinnbar gemachte Blutprobe in einem skalierten Röhrchen eine Stunde stehen gelassen. Danach wird die Länge der zellfreien Flüssigkeitssäule abgelesen. Bei Männern bis 50 Jahren gilt ein BSG-Wert zwischen 3 und 11 mm als normal, für ältere Männer Werte zwischen 3 und 20 mm. Bei jüngeren Frauen liegt der Normbereich zwischen 6 und 20 mm, bei Frauen ab 50 Jahren zwischen 6 und 30 mm. Die Referenzwerte können jedoch je nach Literatur variieren.
Die oben beschriebenen Basiswerte sind zwar gute Hilfsmittel, um zu prüfen, ob eine Autoimmunerkrankung vorliegt – aber nicht sehr geeignet, um zu testen, welche genau. Für viele Erkrankungen sind dazu auch spezifischere Marker bekannt.
Beispielsweise lässt ein positiver Test auf Antikörper gegen cyclische Citrullinpeptide (CCP-Ak) selektiv auf eine RA schließen. CCP-Ak richten sich gegen spezielle Bindegewebszellen und sind bereits vor dem Auftreten der ersten Symptome nachweisbar. Bei Erwachsenen gilt der Test als positiv, wenn der Wert 7 U/ml übersteigt. Der Referenzwert kann sich jedoch von Labor zu Labor unterscheiden.
Ein Beispiel für organspezifische Marker sind Antikörper gegen die Thyreoperoxidase und gegen Thyreoglobulin, die zur Diagnose einer Hashimoto-Thyreoiditis beziehungsweise eines Morbus Basedow (beides Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse) herangezogen werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Diagnose einer Autoimmunerkrankung komplex ist. Laborwerte stellen nur eines von vielen Puzzle-Teilen dar, können jedoch entscheidende Hinweise auf das Vorhandensein oder die Art der Autoimmunerkrankung liefern. Die Blutwerte werden in Basis- und spezifische Parameter unterteilt, wobei Ärzte die Auswahl der durchzuführenden Tests treffen. Die Laborergebnisse interpretieren sie dabei stets im Kontext von Symptomen und körperlichen Befunden.
Was bedeutet ein Kreatininwert von 1,7 mg/dl? Worauf deutet ein erhöhter CRP-Wert hin? Solche Fragen können sich auch in der Apotheke bei der Beratung stellen. In einer Serie gibt die PZ einen Überblick über wichtige Laborparameter, die man durch Untersuchungen von Blut- oder Urinproben ermitteln kann.