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Flüchtlingshilfe

Neuanfang in der Apotheke

Datum 22.12.2015  09:13 Uhr

Von Sebastian Sokolowski, Paderborn / In einem Vorort von Homs betreibt er eine eigene Apotheke – zwei Jahre lang. Dann macht der Krieg in Homs, der drittgrößten Stadt Syriens, ein Weitermachen für Basel Salloum unmöglich. Seit eineinhalb Jahren ist der 28-Jährige nun Chemie-Student in Paderborn und seit acht Wochen Pharmaziepraktikant in der Westapotheke. Dort gibt Inhaber Toni Rimrod ihm die Chance, die deutsche Approbation zu erlangen. Eine Geschichte über einen Neuanfang.

Basel Salloums Beziehung zur Pharmazie beginnt 2006, als er an der Baath-Universität in Homs sein Pharmaziestudium aufnimmt und dieses fünf Jahre später abschließt. Das Studium hat seine Fremdsprachenkenntnisse geschärft. »70 bis 80 Prozent des Unterrichts sind auf Englisch, das hilft mir heute, da Englisch und Deutsch von links nach rechts geschrieben werden – ganz im Gegensatz zu Arabisch«, sagt der 28-Jährige. 

 

Im Notdienstzimmer der Westapotheke, die der Paderborner Apotheker Toni Rimrod zu Jahresbeginn übernommen hat, berichtet er in verständlichem Deutsch über seine Flucht. »Von 2012 bis 2014 hatte ich in Homs eine eigene Apotheke, die lief gut«, erinnert sich Salloum an seine frühe Selbstständigkeit nach nur einem Jahr als angestellter Apotheker. »Ich hatte keine Mitarbeiter, war jeden Tag selbst vor Ort.« Doch durch den Bürgerkrieg wurde es immer schwieriger: »Medikamente konnten nicht mehr geliefert werden, oft bin ich selbst bis zum Großhandel gefahren. Doch das wurde immer gefährlicher. Viele meiner Freunde sind getötet worden.« Irgendwann ging es nicht mehr. »Ich wollte weg, wollte nach Deutschland.«

 

In Syrien kennt man Städte wie Berlin, Köln oder München. Basel Salloum aber bemüht sich um ein Studentenvisum für Paderborn, um hier Chemie zu studieren und Deutsch zu lernen. Von Freunden hörte er, Paderborn habe einen guten Ruf unter Naturwissenschaftlern, und die Menschen seien hilfsbereit. Im Juni 2014 schließlich fliegt der Pharmazeut von Damaskus nach Düsseldorf, bezieht ein kleines Studentenzimmer. Er büffelt Chemie und lernt vor allem die ihm fremde Sprache. »Ein Jahr lang dauerte mein Sprachkurs, fünf Mal pro Woche jeweils fünf Stunden Unterricht, und dazu muss man noch lernen«, erzählt Salloum und verweist stolz auf ein offizielles Dokument der Bezirksregierung Detmold. »Vor sechs Wochen habe ich meine Fachsprachenprüfung auf C1-Niveau bestanden.«

 

Eine Fachsprachenprüfung muss jeder Arzt und Apotheker aus dem Ausland absolvieren, bevor er in Deutschland arbeiten darf. Dazu Toni Rimrod: »In Deutschland benötigt man das anspruchsvolle C1-Niveau. Bei C2, der höchsten Stufe, ist man praktisch schon Muttersprachler.« Ein solches Niveau zu erreichen, sei sehr schwierig. »Aber am Ende des Tages muss man in der Lage sein, die gesundheitlichen Probleme von Patienten zu verstehen, um sie richtig zu beraten«, so Rimod.

 

Hilfe beim Neuanfang

 

Nach bestandener Sprachprüfung sucht Basel Salloum eine Apotheke, in der er das vorgeschriebene, halbjährige Praktikum absolvieren kann, um die deutschen Gesetze zur Abgabe von Arzneimitteln zu lernen. In Syrien hat jeder Patient seine Medikamente bar bezahlt. Abrechnungen mit Kassen, wie in Deutschland üblich, sind für den Syrer neu – genau wie die Tatsache, dass so viele Arzneimittel nur mit ärztlicher Verordnung abgegeben werden dürfen.

 

»Ich erledigte gerade im Notdienstzimmer Papierkram, da stand plötzlich Salloum in meiner Apotheke«, so Rimrod. Er erinnert sich, wie der 28-Jährige ihm Ausweispapiere, übersetzte Zeugnisse und weitere Informationen in die Hand drückte und nach einem Praktikum fragte. Rimrod sagte ja. »Er sollte einfach mal reinschnuppern. Dann gucken wir, was daraus wird.« Für Toni Rimrod ist es mittlerweile eine Herzens­aufgabe, Salloum bei seinem Neuanfang zu unterstützen. Internationale Kontakte waren ihm schon immer wichtig – ist der 1,96 Meter große Apotheker doch 148 Mal für die deutsche Volleyball-Nationalmannschaft aufgelaufen, hat Deutschland bei den Olympischen Spielen in München vertreten. Sport und Pharmazie brachten ihn um den ganzen Erdball. Nun ist die Pharmazie Sprungbrett für einen jungen Mann in ein neues Leben.

 

Neben der Sprachprüfung müssen Ausländer aus Nicht-EU-Staaten belegen, dass die akademischen Abschlüsse gleichwertig sind. »Das Gutachten der Universität Düsseldorf ist gerade eingetroffen und bescheinigt die Gleichwertigkeit der Abschlüsse aus Homs und deutschen Universitäten. Damit und mit seinem Sprachdiplom darf er unter Aufsicht als Apotheker in Deutschland arbeiten«, erzählt Rimrod. Knapp 500 Euro kostet das Gutachten. Ein Betrag, den kein aus Syrien Geflohener flüssig hat und den Rimrod daher aus seiner Tasche bezahlt hat. Darüber will er eigentlich gar nicht reden. Doch eines regt ihn auf: »Wenn noch 100  Apotheker, die auch in Homs Pharmazie studiert haben, nach Deutschland kommen, muss weitere 100 Mal ein identisches Gutachten geschrieben werden. Jedes Mal für 500 Euro.«

 

Bürokratische Hürden

 

Rimrod hat daher die Apothekerkammer Westfalen-Lippe eingeschaltet, die sich jetzt auf behördlicher Ebene dafür einsetzt, solche bürokratischen Hürden abzubauen. »Die aktuelle Praxis ergibt keinen Sinn und erschwert den ausländischen hoch qualifizierten Akademikern ihren Start in ein neues Leben«, so Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening. »Unser Ziel muss es doch sein, die Menschen so schnell wie möglich auch wirtschaftlich zu integrieren.«

 

Neben der beruflichen läuft auch die private Integration gut an: »Ich habe deutsche und syrische Freunde und besuche regelmäßig eine Paderborner Familie. Wir essen zusammen und unterhalten uns – das verbessert mein Alltagsdeutsch. Mittlerweile sind wir Freunde geworden«, sagt Basel Salloum nicht ohne Stolz darauf, dass er in Westfalen inzwischen Wurzeln geschlagen hat.

 

Nach dem Praktikum und Seminaren wie dem Praxisbegleitenden Unterricht für Pharmazeuten im Praktikum kann Basel Salloum seine Approbation in Deutschland beantragen. »Dem wird dann nichts mehr im Wege stehen«, freut sich Rimrod, der den Syrer als angestellten Apotheker übernehmen will. »Dann kann er weiter praktische Erfahrungen sammeln, und – wer weiß – in ein paar Jahren wieder eine eigene Apotheke eröffnen.« /

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