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Postpartale Depression

Auf die Geburt folgt die Traurigkeit

Datum 20.12.2011  15:21 Uhr

Von Nicole Schuster / Bei postpartalen Störungen reicht die Bandbreite vom sogenannten Babyblues bis hin zu psychotischen Störungen. Leichte Beschwerden verschwinden spontan nach wenigen Tagen. Bei schweren Verlaufsformen ist eine medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung unerlässlich.

Postpartale Symptome sind definitionsgemäß psychische Störungen, die im zeitlichen Zusammenhang mit dem Wochenbett auftreten. Je nach Schweregrad differenzieren Experten drei Formen: Das sogenannte postpartale Stimmungstief ist die leichteste Variante und heißt umgangssprachlich auch Babyblues oder Heultage. Schwerwiegender ist die Postpartale Depression (PPD). Die Postpartale Psychose (PPP) kann die Erstmanifestation einer Manie oder Schizophrenie sein oder aber ein einmaliges Ereignis bleiben.

 

Schuld sind die Hormone

 

Mindestens ein Viertel der Frauen, anderen Schätzungen zufolge sogar mehr als zwei Drittel, sind vom Babyblues betroffen. Diese milde Form gilt noch nicht als Krankheitsbild. Geprägt ist der Zustand durch eine allgemeine Stimmungslabilität und erhöhte Reizbarkeit. Zu den Ursachen sagte Dr. Susanne Simen von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Nürnberg Nord der Pharmazeutischen Zeitung: »Nach der Entbindung kommt es zu massiven Veränderungen im Hormonhaushalt. Die während der Schwangerschaft stark erhöhten Östrogen- und Progesteronspiegel fallen rapide ab. Die Konzentration von Prolaktin, das die Milchproduktion anregt, steigt indes an. Bei Frauen, die empfindlich auf hormonelle Veränderungen reagieren, wirken sich diese Umwälzungen auf die Stimmung und Allgemeinverfassung aus.«

Einige Tage nach der Geburt sollten sich diese Stimmungsschwankungen wieder stabilisiert haben. »Wenn die Symptome zwei Wochen nach der Geburt noch andauern, sollten Ärzte eine depressive Erkrankung in Erwägung ziehen«, so Simen.

 

An einer manifesten Postpartalen Depression leiden etwa 10 bis 20 Prozent der Mütter. Besonders gefährdet sind Frauen mit einer psychischen Erkrankung in der Vorgeschichte. »Bei vorangegangenen depressiven Episoden ist das Risiko um 25 Prozent erhöht«, erklärte Simen. »Bipolare Störungen in der Krankheitsgeschichte erhöhen das Risiko sogar um 60 Prozent, und bei einer Schizophrenie liegt ein 20-fach erhöhtes Risiko für eine Psychose im Wochenbett vor.« In diesen Fällen sei es sehr wichtig, schon während der Schwangerschaft möglichen postpartalen Störungen vorzubeugen. »Viele Antidepressiva und Neuroleptika sind auch in der Schwangerschaft gut verträglich«, sagte Simen. Sie empfiehlt betroffenen Frauen, sich von Ärzten beraten zu lassen, die Erfahrung in der Behandlung von psychischen Krankheiten in der Schwangerschaft haben.

 

Andere typische Auslöser von Postpartalen Depressionen sind Stress, Konflikte oder mangelnde Unterstützung in der Partnerschaft. Auf vielen Frauen lastet zudem ein immenser gesellschaftlicher Druck. Sie glauben, nach der Entbindung sofort wieder im Beruf durchstarten zu müssen, wollen gleichzeitig eine attraktive Partnerin sein und schnellstmöglich die »Schwangerschaftskilos« wieder loswerden. Alles auf einmal kann aber kaum gelingen.

 

Wenn die Traurigkeit bleibt

 

Als Symptome einer PPD gelten ein Gefühl der inneren Leere, Antriebslosigkeit, Desinteresse und Reizbarkeit. Einige Patientinnen leiden zudem unter sexueller Unlust, Appetitlosigkeit oder im Gegenteil Frustessen und Schlafstörungen. Zu Letzteren kann ein Früh­erwachen gehören, bei dem sich die Patientinnen im Bett wälzen und ihnen Ängste und Sorgen im Kopf kreisen. Körperliche Beschwerden, zu denen Kopfschmerzen, Schwindel, Herzbeschwerden und Zittern gehören können, sind ebenfalls beschrieben.

 

In manchen Fällen geht eine PPD mit anderen psychischen Störungen wie Panikattacken oder Zwangsstörungen einher. Das Gefährliche an der Postpartalen Depression: Mitunter treten sogar Tötungsgedanken auf, die sich um die eigene Person oder das Kind drehen. Eine Therapie ist entsprechend wichtig.

»In die Behandlung sollte der Partner mit eingebunden werden«, erklärte Dr. Anna Christina Schulz-Du Bois, Oberärztin am Zentrum für Integrative Psychiatrie der Universität Kiel und Ansprechpartnerin der Spezialambulanz Mutter und Kind, im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung. »Auch für den Mann ist das neue Leben mit dem Baby eine Herausforderung. Verändert sich plötzlich das Wesen der Partnerin, kann er das nicht einschätzen. Manche Frauen reagieren zudem aggressiv auf ihren Partner, was Konflikte provoziert.« Die Männer erwiesen sich in der Regel als hilfsbereit, sobald sie von der Erkrankung der Partnerin wussten. Sie bräuchten dann nur konkrete Hinweise, wie und wo sie helfen können.

 

Auch Väter betroffen

 

Der Stress mit dem Baby kann nicht nur die Mütter überfordern und krank machen, auch Väter sind davor nicht gefeit. »Uns liegen Studien vor, wonach auch Männer von Postpartalen Depressionen betroffen sind«, erzählte Schulz-Du Bois. Beiden Partnern könne eine Psychotherapie helfen, im Zuge derer sie lernen, in die neue Rollenverteilung hineinzuwachsen. Unterstützend verschreiben Ärzte häufig Antidepressiva, Beruhigungsmittel oder andere die Stimmung modulierende Medikamente. Hilfreich sind für viele Eltern auch Gesprächskreise oder Selbsthilfegruppen, in denen sie sich begleitend zu einer Therapie mit anderen Betroffenen über ihre Probleme und Nöte austauschen können.

 

Bis zu 0,3 Prozent der Mütter sind von der stärksten Form der postpartalen Störungen, der Postpartalen Psychose, betroffen. Die PPP ist geprägt von paranoid-halluzinatorischen Symptomen und kann sich durch Angst- und Erregungszustände, Wahnvorstellungen und Störungen in der Sinneswahrnehmung ausdrücken. Bei einer Vielzahl der Patientinnen heilen diese Psychosen wieder komplett aus. In Einzelfällen können sie aber auch einen phasischen Verlauf nehmen und wie manisch- depressive Störungen immer wieder auftreten. Eine Einweisung in eine psychiatrische Klinik ist im Falle der PPP fast immer erforderlich, da nur hier eine geeignete Behandlung bestehend aus einer medikamentösen und psychotherapeutischen Therapie möglich ist.

 

Von einer frühen Behandlung hängt das Kindswohl ab. »Babys brauchen eine feste Bindung zur Mutter. Bei einer kranken Mutter ist es wichtig, dass die Mutter-Kind-Bindung schnellstmöglich wiederhergestellt werden kann«, sagte Schulz- Du Bois. Problematisch ist, dass eine Diagnose oft erst spät oder gar nicht gestellt wird. Betroffene Frauen spielen ihre Beschwerden häufig he­runter oder messen ihnen keinen Krankheitswert bei.

 

Auch das Umfeld trägt dazu bei, dass postpartale Störungen unentdeckt bleiben können. Schlaflose Nächte, am nächsten Morgen das Gefühl, sich wie gerädert zu fühlen oder eine erhöhte Ängstlichkeit halten viele für normal bei Neumüttern. Auch Gynäkologen erkennen postpartale Störungen oft nicht. Eher sensibel reagieren dagegen nach der Erfahrung von Schulz-Du Bois Hebammen. Mehr Aufklärung in Fachkreisen und in den Medien hält die Ärztin daher für wünschenswert. Vielen Frauen würde es allein schon helfen, dass ihre Beschwerden als Krankheit klassifiziert werden und nicht als persönliches Versagen gelten.

 

Um als Eltern gesund zu bleiben, müssen viele Paare vor allem Eines lernen: Niemand muss perfekt sein, um eine gute Mutter oder ein guter Vater zu sein. Oft überfordern sich junge Eltern mit dem hohen Anspruch, den sie an sich selbst stellen. Der da­raus entstehende Stress ist eine der Hauptursachen für Depressionen. Frauen vor der Geburt gibt Simen daher mit auf den Weg: »Hören Sie mehr auf Ihr Bauchgefühl und lesen Sie weniger Ratgeber.« / 

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