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Interview

»Der Patient spielt die Hauptrolle«

15.12.2008  14:01 Uhr

Interview

<typohead type="3">»Der Patient spielt die Hauptrolle«

Von Sven Siebenand, Helsinki

 

Mika Vidgrén ist Präsident der finnischen Apothekervereinigung »Suomen Apteekkariliitto« und der Pharmaceutical Group of the European Union (PGEU). Im Gespräch mit der PZ informiert Vidgrén über das finnische Apothekensystem, die wirtschaftliche Situation der Apotheken und Themen wie Versandhandel und Fremdbesitz.

 

PZ: Was sind typische Charakteristika des finnischen Apothekensystems?

Vidgrén: Wichtig ist vor allem, dass nur Apotheker Besitzer einer Apotheke sein können. Jedoch besteht keine Niederlassungsfreiheit. Die nationale Gesundheitsbehörde entscheidet, wo eine Apotheke eröffnet wird und vergibt die Lizenz für deren Betrieb. Vor allem in dünn besiedelten Gebieten gibt es zudem Filialapotheken. Durch das System der Apothekengebühr wird sichergestellt, dass sich Apotheken in entlegenen Gegenden rechnen und so eine flächendeckende Arzneimittelversorgung gewährleistet ist.

 

PZ: Was hat es mit dieser Apothekengebühr auf sich?

Vidgrén: Die Höhe der Gebühr, die die Apotheke an den Staat zu entrichten hat, ist abhängig vom Umsatz der Apotheke. Auf diese Weise verdienen kleinere Apotheken etwas mehr am Verkauf eines Medikaments als größere. So können auch Betriebe auf dem Land überleben.

 

PZ: Wie stellt sich die wirtschaftliche Situation der Apotheken dar? Gab es finanzielle Einbußen in der Vergangenheit?

Vidgrén: In den vergangenen drei Jahren haben sich einige wirtschaftliche Veränderungen ergeben. Wie in anderen europä-ischen Ländern wurde auch in Finnland die generische Substitution eingeführt. Zudem hat die Regierung 2006 entschieden, die Preise für Medikamente um 5 Prozent zu senken. Da es keinen Fixzuschlag auf Medikamente gibt, verdienen Apotheker an teureren Arzneimitteln mehr als an preiswerteren, sodass diese Maßnahmen zwangsläufig zu finanziellen Einbußen geführt haben. Weiterhin sollte normalerweise die Marge auf den Verkauf von Medikamenten regelmäßig an die Inflationsrate und die steigenden Kosten angepasst werden. Das ist aber schon seit acht Jahren nicht mehr geschehen.

 

PZ: Geht diese Entwicklung weiter?

Vidgrén: Leider ja. Im nächsten Jahr sollen Referenzpreise eingeführt werden. Die Regierung hat Einsparungen von etwa 84 Millionen Euro pro Jahr berechnet. Ein Teil davon geht auf Kosten der Apotheken.

 

PZ: Finnische Apotheken bieten den Patienten viele Serviceleistungen. Bekommen sie diese extra vergütet?

Vidgrén: Das ist ein schwieriges Thema. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass Patienten gewisse Leistungen gratis erhalten. Für neue Serviceleistungen wird eine Gebühr erhoben. Denn auch der Apotheke entstehen dadurch Kosten. Was sie verlangt, kann sie selbst festlegen. Aus Gründen der Kundenakzeptanz ist der Höhe der Gebühr aber eine Grenze gesetzt.

 

PZ: Welche Rolle spielt in Finnland der Versandhandel mit Medikamenten?

Vidgrén: Bisher spielt er keine große Rolle. Einige Apotheken besitzen zwar Internetshops, sie dürfen aber bislang nur Nicht-Arzneimittel verkaufen. Im September hat nun die erste Internet-Apotheke eröffnet, die auch OTC-Arzneimittel verkauft. Die nationale Gesundheitsbehörde stellt gewisse Anforderungen und prüft sehr genau, wie die Anbieter Arzneimittelsicherheit und Information der Patienten gewährleisten wollen. So hat sie die Aktivitäten einer Versandapotheke, die von Estland aus finnische Verbraucher mit Arzneimitteln beliefern wollte, verboten. Was den illegalen Handel mit Arzneimitteln im Internet betrifft, sind wir wohl ebenso betroffen wie andere Länder. Arzneimittelfälschungen bereiten uns große Sorgen. Auch die PGEU und EU-Kommission kämpfen dagegen an.

 

PZ: Voraussichtlich im Sommer 2009 wird der Europäische Gerichtshof über das deutsche und das italienische Fremdbesitzverbot entscheiden. Welches Urteil erwarten Sie und können sich daraus auch Konsequenzen für den finnischen Markt ergeben?

Vidgrén: Es ist schwer zu sagen, wie die Luxemburger Richter entscheiden werden. Bei der mündlichen Anhörung im September hat sich die finnische Regierung jedenfalls nochmals ausdrücklich dafür eingesetzt, dass es den EU-Mitgliedsstaaten weiter erlaubt sein sollte, ihr Gesundheitssystem inklusive Apotheken selbst zu organisieren.

 

PZ: Dann wünscht sich also die finnische Regierung, dass alles so bleibt, wie es ist?

Vidgrén: Ja. Wahrscheinlich sehen sie lieber die kleine inhabergeführte Apotheke als große multinationale Konzerne in Finnland. Ein Grund: Wenn Ketten, die zum Beispiel Pharmaunternehmen oder Großhändlern gehören, auf den Markt stoßen, dann wären die angestellten Apotheker nicht mehr unabhängig in ihrer Beratung. Ein weiterer großer Vorteil des gegenwärtigen Systems ist, dass wir unsere Kunden gut kennen, wissen, was ihnen fehlt und welche Medikamente sie benötigen. Komme, was wolle. Der Patient spielt die Hauptrolle und steht immer im Mittelpunkt des Interesses.

 

PZ: Als Präsident der PGEU haben Sie einen guten Überblick über die Apothekenbranche in anderen Ländern. Was könnten Apotheker in Deutschland und Finnland voneinander lernen?

Vidgrén: In der Tat gibt es in den PGEU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Apothekensysteme. Natürlich diskutieren wir diese auch. Dennoch ist es schwer zu sagen, was der eine vom anderen übernehmen sollte. Sinn und Zweck der PGEU ist vielmehr, gemeinsam daran zu arbeiten, das Angebot pharmazeutischer Leistungen weiter voranzutreiben.

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